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Vorkaufsrecht:
Elf Berliner Stadträte melden sich zu Wort

16. Februar 2022

Nur einer fehlt: Span­dau. Alle ande­ren mit Stadt­ent­wick­lung betrau­ten Stadt­rä­te der zwölf Ber­li­ner Bezir­ke schrei­ben einen Brief an die Frak­tio­nen der Bun­des­re­gie­rung. Die Bezirks­po­li­ti­ker for­dern, dass der Vor­kauf wie­der mög­lich wird. Im Wed­ding und im Gesund­brun­nen gab es in den letz­ten Jah­ren eini­ge Fäl­le, in denen Inves­to­ren leer aus­gin­gen und Mie­ter durch lan­des­ei­ge­ne Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten oder Genos­sen­schaf­ten geschützt wur­den. Weil Gerich­te den Vor­kauf erschwer­ten, for­dern die Stadt­rä­te nun, das Bun­des­ge­setz zu ändern. Hier der Brief im Wortlaut:

Brief der Stadträte
Elf Ber­li­ner Stadt­rä­te schrei­ben an den Bundestag. 

Vor­kaufs­recht in Sozia­len Erhal­tungs­ge­bie­ten -
Urteil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 9.11.2021

Sehr geehr­te Frau Schrö­der, sehr geehr­te Frau Tau­send, sehr geehr­ter Herr Föst,


als für Stadt­ent­wick­lung zustän­di­ge Stadt­rä­tin­nen und Stadt­rä­te der Bezir­ke von Ber­lin möch­ten wir an Sie appel­lie­ren, durch eine gesetz­li­che Klar­stel­lung im § 26 BauGB dafür zu sor­gen, dass die Aus­übung des Vor­kaufs­rechts in Gebie­ten mit Sozia­ler Erhal­tungs­sat­zung (in Ber­lin Ver­ord­nung) auch wei­ter­hin rechts­si­cher auf das Ziel gerich­tet wer­den kann, die Erhal­tung der Zusam­men­set­zung der Wohn­be­völ­ke­rung auch für die Zukunft nach­hal­tig zu sichern.

Die Ber­li­ner Bezir­ke konn­ten seit 2017 mit Hil­fe des Ber­li­ner Senats, den städ­ti­schen Woh­nungs­bau­ge­sell­schaf­ten und Genos­sen­schaf­ten ins­ge­samt 96 Häu­ser mit 2.674 Woh­nun­gen über das
Vor­kaufs­recht erwer­ben. Gleich­zei­tig konn­ten über 384 Abwen­dungs­ver­ein­ba­run­gen mit geschätzt 10.700 Woh­nun­gen erhal­tungs­recht­lich gesi­chert werden.

Ange­sichts des anhal­ten­den Drucks des frei­en Mark­tes, Wohn­häu­ser ins­be­son­de­re in Lagen mit sozi­al schwä­che­rer Bevöl­ke­rungs­struk­tur – und somit in den aus­ge­wie­se­nen Milieu­schutz­ge­bie­te – zu erwer­ben und ren­di­te­ori­en­tiert zu ver­wer­ten, hal­ten wir die Reak­ti­vie­rung die­ses Instru­ments für geboten.

Außer­dem möch­ten wir dar­auf hin­wei­sen, dass der Han­del mit Wohn­häu­sern in unver­min­der­ter Geschwin­dig­keit fort­schrei­tet, inso­fern soll­te hier ein schnellst­mög­li­ches Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren gefun­den werden.

In Erwar­tung einer recht­set­zen­den Initia­ti­ve und bal­di­ger Ant­wort ver­blei­ben wir 

mit freund­li­chen Grüßen

=Zitat Ende=

Anlass

Nach­dem ein Gericht die ein­fa­che Anwen­dung des Vor­kaufs­rech­tes kipp­te und der öffent­li­chen Hand Hür­den auf­er­leg­te, kön­nen die Bezir­ke Mie­ter bei einem Eigen­tü­mer­wech­sel ihres Wohn­hau­ses schlech­ter schüt­zen. Sie kön­nen bei einem Ver­kauf eines Miet­hau­ses nicht mehr in den Ver­trag hin­ein­sprin­gen und so einen Inves­tor ver­hin­dern. Hin­zu kommt, dass Inves­to­ren ver­su­chen, bereits unter­schrie­be­ne Abwen­dungs­ver­ein­ba­run­gen gericht­lich anzu­fech­ten. Abwen­dun­gen sind eine Vor­stu­fe des Vor­kaufs, durch die Mie­ter­rech­te gestärkt wer­den, auch ohne dass der Bezirk den Inves­tor verhindert.

Das Vor­kaufs­recht müss­te auf Bun­des­ebe­ne im Bau­ge­setz neu und gerichts­fest for­mu­liert wer­den. Ein ent­spre­chen­der Vor­schlag aus Ber­lin wur­de bis­lang nicht beraten. 

Über die Absender

Mit dem Brief rich­ten sich Poli­ti­ker der unters­ten poli­ti­sche Ebe­ne – der Gemein­de – an die höchs­te Ebe­ne, die Bun­des­ebe­ne. Der in Ber­lin für Stadt­ent­wick­lung zustän­di­ge Sena­tor Andre­as Gei­sel (SPD) wird infor­miert. Auf­fäl­lig ist, dass sie­ben der elf Stadt­rä­te der SPD ange­hö­ren (drei der Par­tei Die Grü­nen und einer der Lin­ken). Zuge­spitzt könn­te man sagen: SPD-Poli­ti­ker schrei­ben SPD-Poli­ti­kern einen Brief. Die beab­sich­tig­te Wir­kung liegt also offen­sicht­lich weni­ger in dem Schrei­ben, son­dern viel­mehr dar­in, dass die Öffent­lich­keit an dem The­ma dran­bleibt. Zum Bei­spiel über Platt­for­men wie change.org oder dem Bun­des­tag (openpetition.de).

Für Mit­te hat Stadt­rat Ephra­im Gothe den Brief unterschrieben.

For­mal hat Span­dau kei­nen Stadt­rat für Stadt­ent­wick­lung. Den­noch bleibt erstaun­lich, dass kei­ner der sechs Span­dau­er Stadt­rä­te das The­ma zu sei­nem Res­sort zuge­hö­rig empfindet.

Über die Empfänger

Der Brief rich­tet sich an die bau­po­li­ti­schen Spre­cher der Bun­des­tags­frak­tio­nen. Frak­tio­nen ernen­nen für vie­le poli­ti­sche The­men ein­zel­ne Poli­ti­ker, die im Namen der jewei­li­gen Frak­ti­on spre­chen. Der Brief rich­tet sich an die Ampel­par­tei­en. Dani­el Föst ist für die FDP, Chris­ti­ne Johan­na Schrö­der ist für die Grü­nen und Clau­dia Tau­send ist für SPD Mit­glied des Bundestages. 

Auf Bun­des­ebe­ne für Stadt­ent­wick­lung zustän­dig ist das Bun­des­bau­mi­nis­te­ri­um, geführt von Kla­ra Gey­witz von der SPD. Sie erhält den Brief “nach­richt­lich”. Dass das Bau­mi­nis­te­ri­um den Begriff Stadt­ent­wick­lung im Namen trägt, ist eine Wie­der­auf­nah­me bun­des­deut­scher Tra­di­ti­on, die von 1950 bis 1998 bestand. Dann folg­te ein knap­pes Vier­tel­jahr­hun­dert, in dem Stadt­ent­wick­lung nicht im Namen eines Minis­te­ri­ums erwähnt wurde. 

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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