Vor einem Jahr ist die Anna-Lindh-Grundschule im Afrikanischen Viertel wegen Schimmelbefalls geschlossen worden. Das Lernen geht am Ausweichstandort im Saatwinkler Damm in Charlottenburg-Nord weiter. Die Gesamtelternvertretung (GEV) zieht nach zwölf Monaten Bilanz. Wir veröffentlichen hier eine ungekürzte Stellnungnahme der GEV zur aktuellen Lage an der Schule.
Stellungnahme der GEV:
Wenn eine Grundschule neben dem Standort auch gleichzeitig den Bezirk wechselt, dann wird trotz größter Anstrengung nicht alles auf Anhieb funktionieren. Und doch stehen wir als GEV ein Jahr später noch immer vor den selben Fragen wie vor zwölf Monaten.
● Keine Aula, keine Halle – wichtige Aspekte eines Schulstandorts fehlen bis heute
● Erweiterung des Pausenhofs ein Jahr später noch immer nicht erfolgt
● Von sieben Etagen bisher nur vier ausgebaut
● Keine Perspektive für den alten Standort
● HB-Zug unter diesen Umständen schwierig
Vor etwas mehr als einem Jahr rief die Schulleitung der Anna-Lindh-Schule im Wedding den Notfall aus. Der Grund: Messungen in fast allen Gebäudeteilen hatten ergeben, dass die Belastung mit Schimmelsporen eine Nutzung der Klassenräume unmöglich machte. Die verspäteten Sanierungsmaßnahmen der letzten Jahre konnten nicht verhindern, dass der Schimmel sich weiterhin in die Klassenräume ausbreitete. Zwei Wochen nach der Schließung stand sensationell ein Ausweichstandort fest. Von der Guineastraße 17–18 ging es an den Saatwinkler Damm 42, vom Wedding nach Charlottenburg-Nord. Was anfangs wie eine Erfolgsgeschichte begann, muss von der GEV ein Jahr später kritisch hinterfragt werden.
Kindgerechter Pausenhof und Sporthalle: Fehlanzeige
Bis heute fehlen dem dreieinhalb Kilometer entfernten Ausweichstandort in Charlottenburg-Nord wesentliche Aspekte eines Schulstandorts. So gibt es am Saatwinkler Damm weder Aula, noch eine Sporthalle, geschweige denn einen kindgerechten Pausenhof, der dem Musterfreiflächenprogramm entspräche. Bis heute müssen knapp 500 Kinder mit einem Pausenhof zurechtkommen, auf dem es kaum ein kindgerechtes Platz- beziehungsweise Bewegungsangebot gibt. Die direkt am Pausenhof angrenzende Halle, vor einem Jahr bereits in Aussicht gestellt, ist bis heute genau das geblieben: nur eine Aussicht. Bereits erarbeitete Konzepte für ein weitreichendes Sportangebot verstauben weiterhin in der Schublade.
Ein Drittel des Gebäudes bis heute nicht nutzbar
Trotz der sieben Stockwerke ist das Thema Platzmangel nicht nur rund um den ehemaligen Bürobau ein Thema. Auch im Innenraum herrscht Bedarf. Sollten zum Jahresende 2022 alle sieben Etagen voll ausgebaut sein, mitsamt Fachräumen, Teilungsräumen usw. standen mit Beginn des Schuljahres 2022⁄23 nur die Etagen eins bis zwei zur Verfügung. Dass im neuen Schuljahr 2023⁄24 die Etagen drei und vier zumindest provisorisch schon einmal bezogen werden konnten, ist einzig und allein den größten Anstrengungen seitens des Lehrerkollegiums sowie engagierter Eltern zu verdanken. Ob die Etagen fünf bis sieben tatsächlich bis Ende des Jahres ausgebaut und nutzbar sein werden bleibt abzuwarten. Unsere Kinder benötigen die Räume bereits heute.
Früher Leuchtturm, heute Schimmelschule
Früher hatte das Afrikanische Viertel im Wedding eine Grundschule mit Strahlkraft. Heute steht dort ein schimmeliges Schulgebäude aus den 1960er Jahren. Aus Elternsicht gibt es für das aktuell eingerüstete Gebäude nur eine Option: bedingungsloser Abriss. Der Hochbegabtenzweig, Garant dafür, dass die Schule im Wedding auch über die Bezirksgrenzen hinweg wahrgenommen wird, leistet bis heute Herausragendes. Mit Blick auf den unattraktiven Standort und die ungewisse Zukunft ist schon heute eines erkennbar: die Strahlkraft schwindet. Ausgebildetes Personal wendet sich ab, gleiches gilt für die Schülerschaft. So müssen wir konstatieren, dass schon kurz nach dem Umzug mehr als 100 Kinder die Schule verlassen haben. Eine Tendenz, die sich auch in den Schulanmeldungen des aktuellen Schuljahres niederschlägt.
Perspektive für den alten Standort: Quo vadis, Denkmalschutz?
Der alte Schulstandort Guineastraße braucht dringend eine Perspektive – und zwar nicht erst in 10–15 Jahren. Mindestens genauso dringend braucht die gesamte Schulgemeinschaft eine Zukunft, wenn sie weiterhin bestehen will. Und diese Zukunft kann nicht in einem ehemaligen Bürogebäude in einem anderen Bezirk liegen. Sofern sie denn überhaupt noch am alten Standort stattfinden wird können. Danach sieht es für uns aktuell nicht aus.
Das Provisorium im ehemaligen Bürogebäude in Charlottenburg-Nord wird in zirka sieben Jahren auslaufen. Dass ein Jahr nach der Notfallschließung seitens des Denkmalschutzes allerdings immer noch diskutiert wird, wie es mit dem alten Standort im Wedding weitergeht, ist aus Elternsicht völlig unverständlich. Abriss und Neubau an der Guineastraße dauern bis zu sechs Jahre, heißt es. Eine Sanierung hingegen könne sechs bis acht Jahre in Anspruch nehmen. Uns allen läuft die Zeit davon. Kein Kind sollte seine gesamte Grundschulzeit in einem Provisorium ohne Aula, Pausenhof und Sporthalle verbringen müssen.
So stehen wir ein Jahr nach dem Umzug noch immer vor den gleichen Fragen und vor den gleichen Ungewissheiten. Bei allen Anstrengungen, die seitens des Bezirks bereits geleistet wurden, eine Erfolgsgeschichte sieht bis hierhin leider anders aus.
Chronologie der Ereignisse seit 2010
2010
Erste Meldung über Schimmel in der Sporthalle. Sukzessive Sperrung der Hallenteile, angefangen mit den Umkleiden. Es wird vermutet, dass der Schimmel aus dem Keller stammt. Sperrung des Kellers.
ab 2016
Sperrung der gesamten Sporthalle. Sportunterricht findet nur noch sehr begrenzt und nur für ausgewählte Klassen statt – bis zur Schließung 2022.
2021, Ostern
Teilweise Sperrung des Haupthauses aufgrund von Schimmel. Ungefähr 250 Kinder
müssen ins Home Schooling. Es werden Lüftungsanlagen aufgestellt. Zwei Wochen später
wird das Gebäude wieder freigegeben.
2021, Sommer
Im Konrektorat und im kleinen Lehrerzimmer werden ebenfalls zu hohe Schimmelwerte in der Luft gemessen. Beide Räumlichkeiten werden gesperrt. Die Sanierung der Sporthalle kann nicht wie geplant im Frühjahr 2022 beginnen. Grund: Denkmalschutz der Glasbausteine in der Außenwand.
2022, Sommer
Messungen ergeben nun hohe Belastung mit Schimmelsporen in allen relevanten Gebäudeteilen. Der Schulstandort wird geschlossen und darf nicht mehr betreten werden. Die gesamte Schulgemeinschaft zieht in das ehemalige Bürogebäude am Saatwinkler Damm.
Ich bin 1962 bis 1966 in die vormals Goethepark-Grundschule genannte gegangen und habe mich dort sehr wohl gefühlt, auch wegen der teils recht engagierten Lehrerschaft. Schade, wenn die heutige Anna-Lindh-Grundschule ersatzlos abgerissen würde. Als Laie ist es mir nicht klar, warum eine Sanierung oder partieller Neubau nicht in Frage kommt.