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Drogenszene auf dem Leo:
Drogenkonsummobil kommt bald ganztags

2. August 2023
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“Die Zustän­de auf dem Leo­pold­platz sind für uns nicht mehr erträg­lich.” Sven Dittrich, der Spre­cher der Bür­ger­initia­ti­ve “Wir am Leo” for­mu­lier­te auf der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung des Bezirks zu dem neu­en “Dro­gen­kon­sum­mo­bil” die Posi­ti­on der Nach­bar­schaft. “Der Leo ist kein Platz mehr für alle. Er wird inzwi­schen von der Dro­gen-und Dea­ler­sze­ne dominiert”. 

Platz für die Trinker auf Leopoldplatz
Foto: And­rei Schnell

“Ein Platz für alle”, unter die­sem Mot­to wur­de zu Beginn der 2010er Jah­re der vor­de­re Teil des Leo­pold­plat­zes umge­stal­tet. Es war das ers­te gro­ße Pro­jekt im Sanie­rungs­ge­biet Mül­lerstra­ße. Das größ­te Ärger­nis für die Nach­bar­schaft waren in die­ser Zeit die Trin­ker, die einen Groß­teil des vor­de­ren Leo in Beschlag genom­men hat­ten. Alko­hol­ver­bo­te hat­ten sich zuvor als wir­kungs­los erwie­sen und die Ent­fer­nung von Sitz­ge­le­gen­hei­ten aus dem öffent­li­chen Raum als Bume­rang. Die Sze­ne blieb, aber älte­re Men­schen fan­den kei­ne Bän­ke mehr, um aus­zu­ru­hen. Wenn man die­sen Men­schen, die zu einem gro­ßen Teil ja selbst in der Nach­bar­schaft leben, einen eige­nen von ihnen selbst mit ent­wi­ckel­ten Auf­ent­halts­be­reich zuge­ste­he und gleich­zei­tig mit Sozi­al­ar­beit auf sie ein­gin­ge, so war der Grund­ge­dan­ke, dann könn­te das die Stö­run­gen auf dem übri­gen Platz minimieren. 

Zunächst funk­tio­nier­te der Auf­ent­halts­be­reich und war sogar bei­spiel­ge­bend. Im Klei­nen Tier­gar­ten etwa ent­stand ein ver­gleich­ba­rer Bereich für die loka­le Trin­ker­sze­ne, der auch heu­te noch sei­nen Zweck erfüllt. Auf dem Leo aber hat sich seit Mit­te der 2010er Jah­re die Situa­ti­on fort­lau­fend ver­schlech­tert. Hier hat sich inzwi­schen eine Sze­ne von Kon­su­men­ten har­ter Dro­gen fest­ge­setzt. Im ver­gan­ge­nen Jahr wur­de auf dem Leo­pold­platz so viel Spritz­be­steck wie noch nie ein­ge­sam­melt, ins­ge­samt mehr als 30.000 Sprit­zen oder durch­schnitt­lich 85 pro Tag. 

Es wäre bestimmt loh­nens­wert, die Grün­de für die­se Ände­rung der Nut­zer­grup­pen gründ­lich zu ana­ly­sie­ren. Ver­mut­lich spielt dabei die zuneh­men­de Inter­na­tio­na­li­sie­rung Ber­lins eine gro­ße Rol­le. Die Sze­ne der Kon­su­men­ten von har­ten Dro­gen wie Hero­in, die in der zwei­ten Hälf­te der 2010er die Alko­ho­li­ker ver­dräng­te, ist näm­lich sehr viel inter­na­tio­na­ler als die Trin­ker­sze­ne von Anfang der 2010er (obwohl auch die aus öst­lich gele­ge­nen EU-Län­dern Zustrom erhielt). 

Bezirk und Senat haben auf die Bür­ger­initia­ti­ve rela­tiv schnell reagiert. Die räum­li­chen Kapa­zi­tä­ten für die Sozi­al­ar­beit des Sucht­hil­fe-Ver­eins Fix­punkt e.V. am Leo wur­den deut­lich aus­ge­baut. Statt eines klei­nen Bau­wa­gens ste­hen neben dem “Auf­ent­halts­be­reich” im mitt­le­ren Platz­teil jetzt zwei umge­bau­te Über­see­con­tai­ner und an jedem Werk­tag kommt zusätz­lich ein “Dro­gen­kon­sum­mo­bil”, in dem vor­erst nur halb­tags bis zu vier Sucht­kran­ke gleich­zei­tig unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen und medi­zi­nisch geschul­ter Über­wa­chung ihre mit­ge­brach­ten Dro­gen kon­su­mie­ren kön­nen. Im Spät­som­mer wird ein wei­te­res Wohn­mo­bil in Dienst genom­men; das Ange­bot auf dem Leo­pold­platz soll dann auf ganz­tags aus­ge­wei­tet wer­den. Die Finan­zie­rung läuft über die Senats­ver­wal­tung für Wis­sen­schaft, Gesund­heit und Pfle­ge (Sen WGP). Die Sozi­al­ar­beit ver­mit­telt wei­ter zu den Ange­bo­ten im Sys­tem der Ber­li­ner Sucht­hil­fe, die dar­auf abzie­len, den Dro­gen­kon­sum und des­sen Risi­ken zu redu­zie­ren. Die Nutzer:innen des Dro­gen­kon­sum-Mobils müs­sen sich mit ihren Aus­wei­sen regis­trie­ren und einen Ver­trag unterschreiben. 

“Am Leo gibt es jeden Tag Neu­an­mel­dun­gen, deut­lich mehr als an den ande­ren Hal­te­punk­ten des Mobils”, erzählt Tobi­as Wolf, der für den Leo zustän­di­ge Sozi­al­ar­bei­ter von Fix­punkt. “In letz­ter Zeit hört man hier beson­ders viel Rus­sisch. Aber nicht unbe­dingt von rus­si­schen oder ukrai­ni­schen Staats­bür­gern, son­dern von Rus­sisch­spra­chi­gen aus Geor­gi­en oder Kasach­stan und auch von Tschetschenen”. 

Bezirk und Senat suchen schon seit vie­len Jah­ren nach Räum­lich­kei­ten für einen Dro­gen­kon­sum­raum und nie­der­schwel­li­ge Sozi­al­ar­beit der Sucht­hil­fe am Leo. Aber bis­lang hat sich noch kein Eigen­tü­mer im direk­ten Umfeld gefun­den, der bereit gewe­sen wäre, so ein Pro­jekt auf­zu­neh­men. Nur wei­ter oben im Afri­ka­ni­schen Vier­tel konn­ten Räum­lich­kei­ten für die “Müh­len­stu­be” ange­mie­tet wer­den. Der Dro­gen­kon­sum­raum liegt aber zu weit vom Leo­pold­platz ent­fernt, um dort als Kiez-Ange­bot wahr­ge­nom­men zu werden.

Autor: Chris­tof Schaffelder

Die­ser Bei­trag erschien zuerst in der Zeit­schrift “Ecke Müllerstraße”

Gastautor

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11 Comments

  1. Das ein­zig Schö­ne am Leo­pold­platz ist der Wed­ding­markt. Kaum vor­stell­bar, daß ich vor ? Jah­ren mit dem Eis in der Hand auf dem Heim­weg mich auf die Stu­fen der Naza­reth­kir­che setz­te, um die letz­ten Son­nen­strah­len zu genie­ßen. Die sozi­al­päd­ago­gi­schen Ansät­ze ver­sa­gen seit mehr als einem Jahr­zehnt auf der gan­zen Linie. Die Con­tai­ner­la­dun­gen an Alko­hol und Ton­nen an har­ten Dro­gen, die uns jedes Jahr errei­chen, müs­sen ja irgend­wo bleiben.
    Die Bezirks­ver­wal­tung scheint sich als Kata­ly­sa­tor betä­ti­gen zu wol­len: Vom Leo in die Mül­lerstra­ße mitt­ler­wei­le bis in unse­re gro­ßen Park­an­la­gen. Ich habe den Ein­druck, die Ver­wal­tung kennt sich nicht aus mit gesell­schaft­li­chen Pro­ble­men. Statt­des­sen wird die meis­te Arbeit an päd­ago­gi­sche Fir­men ver­teilt und man ruft auf, lus­ti­ge Bil­der vom Hai im Plöt­zen­see ein­zu­sen­den. Was für ein Kindergarten-Getue.

    • Hier­mit unter­zeich­net doch die „Mit­te-Regie­rung“ unter Feder­füh­rung der Bezirks­bür­ger­meis­te­rin ihren Offenbarungseid!
      „ Bezirks­bür­ger­meis­te­rin Ste­fa­nie Rem­lin­ger (Grü­ne) muss sich den Vor­wurf anhö­ren, zu lan­ge vor der Ent­wick­lung „gepennt“ zu haben. …. Gera­de hat sie einen wei­te­ren Brief an den Regie­ren­den Bür­ger­meis­ter Kai Weg­ner (CDU) geschrie­ben und um Unter­stüt­zung gebe­ten, um die Lage in den Griff zu bekommen.“
      Jah­re­lang haben es die Grü­nen nicht geschafft und nun soll es die ver­hass­te CDU richten!
      Ganz mein Humor!

      • Kön­nen wir uns bit­te dar­auf ver­stän­di­gen, einen Gang run­ter­zu­schal­ten? Wer hier wen hasst und ob über­haupt ist wirk­lich viel Spe­ku­la­ti­on und eigent­lich auch irrele­vant. Ich fin­de, hier auf unse­rem Blog muss das nicht sein. Wir sind als Wed­ding­wei­ser ja vor allem für die schö­nen Sei­ten des Wed­ding ange­tre­ten und wün­schen uns zumin­dest, dass die gan­ze schlech­te Lau­ne der sozia­len Medi­en auch bit­te da bleibt – oder halt im Kachel-Eck. Zu einem Bier passt das dann viel­leicht besser.

        • Zu den „schö­nen Sei­ten“ vom Wed­ding paßt das The­ma Leo­pold­platz nun gar nicht. Die bis­si­gen Kom­men­ta­re müß­te man dann schon aus­hal­ten, wenn die­ses gemei­ne The­ma auf­ge­grif­fen wird. Und wird hier ein gan­zes Stadt­quar­tier gestohlen.

          • Gegen Kri­tik habe ich gar nichts, auch nicht gegen Streit. Ich wün­sche mir trotz­dem einen anstän­di­gen Umgangs­ton. Das lässt sich ja vereinbaren.

  2. Hal­lo
    na jetzt nimmt der Arti­kel doch noch etwas Fahrt auf, hat­te mich schon gewun­dert das sich kaum jemand zum The­ma äußert….
    Wenn ich den Kom­men­tar von @mfalbe lese , erin­nert es mich an mei­nen Kom­men­tar https://weddingweiser.de/muehlenstube-experiment-mit-unsicherem-ausgang/
    Hat­te damals die Befürch­tung geäu­ßert die jetzt hier von unse­rem Lesern geschil­dert wer­den, nun soll es eine bes­se­re Beleuch­tung im „Gör­li“ rich­ten bzw sol­len 10 Mil­lio­nen dafür zur Hand genom­men wer­den (Ber­li­ner Zei­tung zum The­ma Gör­lit­zer Park Dro­gen u Vergewaltigung)
    Der „Leo“ ist zwar nicht der „Gör­li“ aber hier wie dort wer­den seit lan­ger Zeit die Pro­ble­me nie wirk­lich gelöst von sei­ten der Poli­tik…. War­um ist das nur so !!??
    Aus­ser das Herr Saleh es als beschä­mend empfindet
    in die­sem Sinne

  3. Ent­ge­gen den Beteue­run­gen, dass die Müh­len­stu­be kei­ne Pro­ble­me ins umlie­gen­de Wohn­vier­tel brin­gen wird, häu­fen sich hier die Pro­ble­me: Dea­ler wer­den ange­zo­gen, die Kon­su­men­ten kau­fen den Stoff ja nicht in Frie­den­au.…, offen­sicht­lich schwerst Abhän­gi­ge tigern in unein­schätz­ba­ren Bewusst­seins­zu­stän­den in der unmit­tel­ba­ren Umge­bung her­um, gera­ten in hand­greif­li­che Streits, Poli­zei­ein­sät­ze häu­fen sich. Das Schlimms­te in mei­nen Augen aber, ist, dass, wenn sie in der Müh­len­stu­be Per­so­nal­man­gel haben, sie nur das sau­be­re Spritz­be­steck aus­hän­di­gen, dann wer­den die umlie­gen­den Trep­pen­häu­ser halt als Fixer­stu­be benutzt mit even­tu­el­len Not­fäl­len,. die dann ab und zu nicht aus­blei­ben. Das stört mich unter dem Aspekt, dass Grund­schü­ler auf dem Schul­weg, den sie sinn­vol­ler­wei­se allei­ne gehen sol­len, mit­ten in die­sen Gescheh­nis­sen sind. Auch für ängst­li­che Per­so­nen ist die Lage durch­aus bedroh­lich. Ich fin­de, dass der Staat/der Senat hier der Bevöl­ke­rung eine Auf­ga­be über­stülpt ohne sich um die Kon­se­quen­zen zu küm­mern. Auf dem Papier sieht ja alles gut aus.

  4. Das Pro­blem an Dro­gen­kon­sum­räu­men ist, dass sie die Dro­gen­sze­ne um sich her­um ver­stär­ken und immer mehr Dro­gen­kran­ke und Dea­ler anzie­hen. Um den Dro­gen­kon­sum­raum “Müh­len­stu­be” her­um hat sich eine nie dage­we­se­ne Dro­gen­sze­ne ent­wi­ckelt. Zunächst kamen die Dro­gen­kran­ken über die Mül­lerstra­ße oder mit der U‑6 ange­reist, dann ver­teil­ten sie sich in Rich­tung Schil­ler­park. Seit die­sem Som­mer bewegt sich die Sze­ne größ­ten­teils über die Ota­wi­st­ra­ße, aber teil­wei­se auch über die Trans­vaal­stra­ße in den Park Reh­ber­ge. Beson­ders vie­le Kon­su­men­ten fin­det man am Ein­gang Afri­ka­ni­sche Stra­ße Ecke Ota­wi­st­ra­ße. Dort wer­den vom Dea­ler die Dro­gen hin­ter­legt und die Süch­ti­gen holen sie ab und kon­su­mie­ren sie vor Ort am See oder auf der neu gebau­ten öffent­li­chen Toi­let­te am Ein­gang. Aber auch der angren­zen­de Bereich an der Afri­ka­ni­schen Stra­ße ist häu­fig fre­quen­tiert. Beson­ders schlimm ist es, wenn der Kon­sum­raum der Müh­len­stu­be geschlos­sen ist, aber trotz­dem das Spritz­be­steck aus­ge­ge­ben wird. Das pas­siert lei­der ziem­lich häu­fig. Dann wird der Ein­gangs­be­reich im Minu­ten­takt von Dro­gen­süch­ti­gen besucht. Allein in der Trans­vaal­stra­ße haben wir 4 Kitas und diver­se Spiel­plät­ze. Ich fin­de es unfass­bar, dass der Bezirk hier so eine Ent­wick­lung fördert.

  5. Der Arti­kel “https://www.morgenpost.de/bezirke/mitte/article239093443/leopoldplatz-wedding-berlin-drogen-polizei.html” beschreibt diepre­kä­re Lage doch sehr anschaulich!

  6. Lei­der ver­mehrt sich nach mei­nem Gefühl die Anzahl von Dea­lern + Kon­su­men­ten am Ein­gang zur Reh­ber­ge (Afri­ka­ni­sche Stra­ße Ecke Ota­wi­st­ra­ße) in letz­ter Zeit. Auf jeden Fall här­te­re Drogen 😦

  7. „Aber nicht unbe­dingt von rus­si­schen oder ukrai­ni­schen Staats­bür­gern, son­dern von Rus­sisch­spra­chi­gen aus Geor­gi­en oder Kasach­stan und auch von Tschetschenen”.
    Die­se Men­schen haben ja wohl kaum ein län­ge­res EU-Visum? Soll­ten sie denn nicht zurückgeschickt/abgeschoben wer­den? Ins­be­son­de­re, wenn Sie sich hier straf­fäl­lig verhalten?

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