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Wie alles anfing:
Die Geschichte des Wedding (1)

Der Wedding entstand aus mehreren Siedlungskernen. In diesem Artikel erfahrt ihr, wie aus einzelnen Häusern ein ganzer Stadtteil wurde.
21. Juli 2021
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Wie unser Stadt­teil wur­de, was er ist. Von sei­nen Ursprün­gen als Feld­mark und Hei­de bis zu einem der dicht­be­sie­delts­ten Orte Deutsch­lands – der Wed­ding hat eine beweg­te Geschich­te.

Eine Chaussee, eine Heilquelle und ein wüstes Dorf

Ansied­lun­gen, die einer Stadtgründung vor­aus­ge­hen, ent­stan­den oft an Flüssen oder an aus­ge­bau­ten Wegen. So ver­hielt es sich auch beim Wed­ding: Um 1780 ließ König Fried­rich Wil­helm III vom Ora­ni­en­bur­ger Tor bis zum Land­gut Tegel eine befes­tig­te Chaus­see anle­gen, die heu­ti­ge Chaus­see- bzw. Müllerstraße. Mit dem stei­gen­den Zuzug neu­er Ein­woh­ner wur­den in der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts die Acker- und Hei­de­flä­chen an der Chaus­see par­zel­liert und im Lau­fe der Zeit mit Sied­ler­häu­sern bebaut. 1828 bestand der „Wed­ding“ aus 226 Wohn­häu­sern mit 2.217 Men­schen, dazu kamen 17 Fabri­ken und Mühlen – fast aus­schließ­lich an der Chaus­see gelegen.

Schmales Handtuch, Müllerstraße, Wedding, historisch
An der Mül­lerstra­ße, 1891

Ganz anders ent­wi­ckel­te es sich am Gesund­brun­nen, denn der Wed­ding ent­stand aus meh­re­ren Sied­lungs­ker­nen. Hier wur­de im 18. Jahr­hun­dert eine Spring­quel­le ent­deckt. Der dama­li­ge Hof­apo­the­ker Hein­rich Wil­helm Behm bau­te sie 1758 zu einem Heil­bad aus (Abb.2/ Gesund­brun­nen, 1770). Wohl­ha­ben­de Bürger aus Ber­lin reis­ten an, um sich für einen oder meh­re­re Tage zu erho­len. 1809 wur­de das Heil­bad mit Geneh­mi­gung der gleich­na­mi­gen Köni­gin in Lui­sen­bad umbe­nannt und 1845 zunächst als Bade­haus, dann als Aus­flugs­lo­kal genutzt.

Der Namens­ur­sprung vom Wed­ding geht wie­der­um zurück auf das Rit­ter­gut von Rudolp­hus de Wed­din­ge und dem dazu­ge­hö­ri­gen Dorf, das urkund­lich erst­mals 1251 erwähnt wur­de und ver­mut­lich auf der Höhe des heu­ti­gen Amts­ge­richts stand. Aller­dings wur­de es kurz dar­auf wie­der auf­ge­ge­ben, was früher als „wüst“ bezeich­net wur­de. Ein wei­te­rer Sied­lungs­kern ent­stand dann erst zu Beginn des 17. Jahr­hun­derts mit dem könig­li­chen Vor­werk Wed­ding. Die­ser land­wirt­schaft­li­che Guts­hof lag nörd­lich des heu­ti­gen Net­tel­beck­plat­zes, direkt an der Pan­ke, die Fried­rich I als Ver­kehrs­weg zwi­schen Schloss Schön­hau­sen und Char­lot­ten­burg 1705 auf­stau­en ließ. 1817 kauf­te die Stadt Ber­lin das Gut, par­zel­lier­te das Land und sie­del­te dort Fami­li­en an.

Friedrich der Große und seine Kolonien

Das ältes­te Haus im Wed­ding in der Koloniestraße

Doch bis die­se drei Sied­lungs­ker­ne auf dem Wed­ding und am Gesund­brun­nen zu einem (Orts-)teil zusam­men­wach­sen soll­ten, ver­ging noch viel Zeit. Einen wesent­li­chen Bei­trag dazu leis­te­te Fried­rich der Gro­ße mit sei­ner Ansied­lungs­po­li­tik. Wegen der hohen Bevöl­ke­rungs­ver­lus­te im Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg hol­te der preu­ßi­sche König im gro­ßen Stil Sied­ler von weit her in sein Land. Dadurch ent­stan­den bis 1806 – sage und schrei­be: 25.000 Bau­ern­stel­len und cir­ca 400 neue Ort­schaf­ten, vor allem in Schle­si­en. Nun war dem König auch dar­an gele­gen, das dünn besie­del­te Land nörd­lich von Ber­lin urbar zu machen. Des­halb wur­de 1752 der ers­te Grund­stein für eine fri­de­ri­zia­ni­sche Kolo­nie zwi­schen dem Rosen­tha­ler und dem Ham­bur­ger Tor gelegt. Zim­me­rer und Mau­rer aus dem säch­si­schen Voigt­land bezo­gen dort mit ihren Fami­li­en die 30 Dop­pel­häu­ser. Was dem könig­li­chen Hof jedoch haupt­säch­lich fehl­te, waren Gärt­ner, so dass Fried­rich II auf eige­ne Kos­ten wei­te­re Sied­lungs­ko­lo­nien an der Gar­ten­stra­ße und in der Gegend um die heu­ti­ge Gott­sched­stra­ße bau­en ließ, selbst­ver­ständ­lich mit der Ver­pflich­tung an die Kolo­nis­ten, das dazu­ge­hö­ri­ge Land ertrag­reich zu bewirt­schaf­ten. Die letz­te fri­de­ri­zia­ni­sche Kolo­nie ent­stand hin­ter dem Gesund­brun­nen, zu bei­den Sei­ten der Kolo­nie­stra­ße. Eines der Kolo­nis­ten­häu­ser steht heu­te noch in der Kolo­nie­stra­ße 57 und wird von dem Wohn­pro­jekt Pin­ke­Pan­ke genutzt.

Wedding, Berliner Vorstadt

Die Wohn­vier­tel in vor­städ­ti­scher Lage zogen damals vor allem ver­arm­te Hand­wer­ker, Tage­löh­ner und Manu­fak­tur­ar­bei­ter an. Auf engs­tem Raum leb­ten hier Men­schen, die in der Haupt­stadt arbei­ten woll­ten, sich aber die hohen Mie­ten nicht leis­ten konn­ten. Auf­grund der enor­men Bevöl­ke­rungs­zu­nah­me und des schnel­len Wachs­tums der Groß­stadt wur­den die Kolo­nis­ten­häu­ser schon bald durch beschei­de­ne zwei­stö­cki­ge Wohn­häu­ser ersetzt, die nun aber über das gan­ze Grundstück reich­ten und dadurch all­mäh­lich eine geschlos­se­ne Bebau­ung aus­bil­den soll­ten. Aus land­wirt­schaft­lich gepräg­ten Sied­lungs­ker­nen wur­de ein vor­städ­ti­sches Wohn- und Gewer­be­ge­biet. Grund genug für einen ers­ten Bebau­ungs­plan, der 1830 von Ober­bau­rat Schmidt vor­ge­legt wur­de. Auf dem Plan gin­gen meh­re­re Stra­ßen auf alte Ver­bin­dungs­stra­ßen und klei­ne Feld­we­ge zurück. Was in den zukünftigen Vor­städ­ten jedoch noch fehl­te, waren Kir­chen. Im Auf­trag des preu­ßi­schen Königs Fried­rich Wil­helm III ent­warf der bekann­te Ber­li­ner Bau­meis­ter Karl Fried­rich Schin­kel vier klas­si­zis­ti­sche Vor­stadt­kir­chen. Zwei von ihnen wur­den 1832–35 im Wed­ding rea­li­siert: die Naza­reth­kir­che am Leo­pold­platz und die St.-Pauls-Kirche in der Bad­stra­ße. Wobei man sich das heu­ti­ge Umfeld der Kir­chen weg­den­ken muss, denn der Leo­pold­platz nahm erst 50 Jah­re spä­ter sei­ne Gestalt an und in der Bad­stra­ße befan­den sich zu die­sem Zeit­punkt noch Kolo­nis­ten­häu­ser, die erst 1879 einer Stra­ßen­ver­brei­te­rung zum Opfer fielen.

weiße Kirche
St.-Paul-Kirche

Der Gesund­brun­nen brei­te­te sich zuse­hends nach Wes­ten aus, um dann unmit­tel­bar in den Wed­ding überzugehen. An der Bad­stra­ße wur­den 5‑geschossige Miets­häu­ser gebaut, denen unter ande­rem die Gast­wirt­schaft Lui­sen­bad wei­chen muss­te. Nichts des­to trotz galt der Gesund­brun­nen wei­ter­hin als belieb­ter Aus­flugs­ort. Allein in der Bad­stra­ße zähl­te man 1887 40 Gast­wirt­schaf­ten und Bier­gär­ten. Für volkstümliche Unter­hal­tung sorg­ten die Revue- und Varie­té­thea­ter, spä­ter die Kinos.

Text: Hol­ger Barth

Wie es wei­ter­geht, erfahrt ihr in Teil 2

Gastautor

Als offene Plattform veröffentlichen wir gerne auch Texte, die Gastautorinnen und -autoren für uns verfasst haben.

5 Comments

  1. hal­lo

    hat­te gedacht das vllt mal eine ant­wort dazu kommt … ob das mög­lich sei oder schon mal dar­über nach­ge­dacht wur­de oder oder…. 

    bes­te grüße

  2. hal­lo

    es sind doch jetzt schon eine gan­ze rei­he von ähn­li­chen arti­keln erschie­nen .… wie wäre es dar­aus ein buch zumachen 

    bes­te grüße

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