Mastodon

Ein verschwundenes Dorf:
Wie alt ist der Wedding?

20. Oktober 2020
Weddingstraße Schild: Wie alt ist der Wedding?

Der Wed­ding kommt nicht – das war auch schon im Mit­tel­al­ter so. Erst als es das Dorf Wed­ding schon nicht mehr gab, wur­de der Name 1251 erst­mals erwähnt. Ein rich­ti­ges Bau­ern­dorf wur­de dann aus dem Wed­ding auch spä­ter nicht mehr, aber lest selbst.

Die erste Erwähnung des ‘Wedding’

1253 ver­kauf­te der Besit­zer Rit­ter von Kare “eine Müh­le im Gebiet des Dor­fes, wel­ches Wed­din­ge hieß, am Flus­se Namens Pan­kow erbaut,“ für 21 Pfund Sil­ber an das Bene­dik­ti­ne­rin­nen-Klos­ter Span­dau. Also scheint das schon vor­her besie­del­te Dorf Wed­ding zu die­ser Zeit wie­der „wüst“ gewor­den zu sein. Woher kam der Name Wed­ding? Er deu­tet auf sei­nen Grün­der hin. Die Benen­nung eines neu gegrün­de­ten Dor­fes nach einem Lehns­mann des Mark­gra­fen war in die­ser Zeit üblich, so auch in Karow (de Kare) und Ste­glitz. In unse­rem Fal­le han­del­te es sich wohl um einen Dienst­mann der aska­ni­schen Mark­gra­fen namens Rudolp­hus de Wed­din­ge, der aus der Gegend west­lich von Mag­de­burg stamm­te und wo es noch wei­te­re Dör­fer namens Wed­din­gen gibt. 1197 wur­de Rudolfs Name in Span­dau erwähnt. Also dürf­te das nach ihm benann­te Dorf irgend­wann um 1200 ent­stan­den sein. 1289, da war das Dorf ver­schwun­den, über­ließ Mark­graf Otto IV. einen Guts­hof “Up den Wed­ding*” mit der dazu gehö­ren­den Feld­mark der Stadt Berlin.

Ein bisschen Landwirtschaft

Schmales Handtuch, Müllerstraße, Wedding, historisch
An der Mül­lerstra­ße, 1891

1289 wur­de „das wirk­li­che Lehens­gut“ Wed­ding also den Bür­gern Ber­lins über­las­sen. Aus die­sem unge­woll­ten Geschenk mach­ten die Ber­li­ner aber nichts und lie­ßen das san­di­ge Gebiet schnell zuwu­chern. Dafür konn­ten sie sich in die­ser “Ber­li­ner Stadt­hei­de” gut mit Brenn­holz ver­sor­gen. In Tei­chen soll es Fisch­zucht gege­ben haben, auch wur­den wohl Bie­nen und Schwei­ne gehal­ten. Übri­gens wur­den bis heu­te kei­ne archäo­lo­gi­schen Fun­de von Dorf, Müh­le und Gut Wed­ding nach­wei­sen – man weiß also nicht, wo sich der Wed­ding genau befand, ver­mu­tet es aber an der Wed­ding­stra­ße. Nur man­che Wege, die mit­ten­durch ver­lie­fen, kennt man bis heu­te: die Heer­stra­ße nach Rup­pin (die heu­ti­ge Mül­lerstra­ße), die Bad­stra­ße und der Weg nach Pan­kow (heu­te in etwa die Pankstraße/Prinzenallee).

Das Vorwerk Wedding

Erst Jahr­hun­der­te spä­ter gab es einen wei­te­ren Ver­such, das unfrucht­ba­re Gebiet land­wirt­schaft­lich zu nut­zen. 1601 erwarb Graf Schlick von Pas­sau und Weiß­kir­chen fünf­zig Acker­stü­cke und Wie­sen nörd­lich von Ber­lin und bau­te zwi­schen dem heu­ti­gen Net­tel­beck­platz und der Wed­ding­stra­ße eine inten­si­ve Vieh­wirt­schaft sowie eine Schä­fe­rei auf. Kurz dar­auf über­nahm Kur­fürst Joa­chim Fried­rich das Gut und wan­del­te es in das Vor­werk Wed­ding um – damit blieb der alt­her­ge­brach­te Name für die Gegend, Wed­ding, erhal­ten. 1648 kam es dann unter kur­fürst­li­che Ver­wal­tung, der Wed­ding gehör­te damit nicht mehr zur Ber­li­ner Feld­mark. 1722 gab König Fried­rich Wil­helm I. die direk­te Bewirt­schaf­tung des Gutes auf, es gelang­te wie­der in bür­ger­li­chen Besitz. Das Vor­werk bestand aus einer vier­flü­ge­li­gen Anla­ge und ver­schwand end­gül­tig erst um 1900 wegen zuneh­men­der Bodenspekulation.

Was übrig blieb

Was erin­nert noch an den Wed­ding von vor 1861, als der Vor­ort nach Ber­lin ein­ge­mein­det wur­de? Die Pan­ke hat ihr Gesicht erheb­lich ver­än­dert, aber sie fließt noch immer – wie seit Men­schen­ge­den­ken. Der Wed­ding­platz (zuvor: Kirch­platz) und die Wed­ding­stra­ße tra­gen ihre Namen seit der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts. Die Wed­ding­stra­ße wur­de auf Ver­an­las­sung des Ber­li­ner Magis­trats 1817 zwi­schen dem Vor­werks­ge­höft und dem Gar­ten des Vor­werks angelegt.

Das Wap­pen des 1920 gebil­de­ten Bezirks griff auf die Dorf­ge­schich­te zurück, denn es bezog sich auf das Fami­li­en­wap­pen derer ‘von Wed­din­ge’. Bei der Bezirks­re­form von 2001 wur­de der Bezirk Wed­ding in den Bezirk Mit­te ein­ge­glie­dert und ent­lang der Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße in zwei Orts­tei­le auf­ge­teilt. Abso­lut will­kür­lich wur­de das Herz des Wed­ding zer­ris­sen. Denn es wur­de aus­ge­rech­net der Orts­teil, der voll­stän­dig außer­halb (west­lich) der ver­mu­te­ten Lage des Dor­fes Wed­ding und des Vor­werks Wed­ding lag, “Wed­ding” genannt. Das Gebiet von Dorf und Vor­werk Wed­ding hin­ge­gen liegt heu­te im Orts­teil Gesund­brun­nen – eine völ­lig unhis­to­ri­sche Orts­teil­auf­tei­lung, die jedem ech­ten Wed­din­ger noch immer in der See­le wehtut.

Der Wed­ding ist so alt wie Ber­lin, auch wenn er gleich am Anfang um ein Haar ganz ver­schwun­den wäre und man den Namen nur noch in einer Urkun­de aus dem Jahr 1251 fin­den würde.

*und daher kommt auch der Aus­druck “Auf dem Wed­ding”, den man so heu­te noch kennt.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?