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Straßenbahnen gibt’s hier nicht mehr:
Die Entdeckung der Panke-Insel (Teil 2)

14. September 2019
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Straße mit morbidem Charme

Wuss­tet ihr, dass es einst eine lang­ge­zo­ge­ne Pan­ke-Insel gab? Als ob der nörd­li­che Teil der ehe­ma­li­gen Insel nicht schon inter­es­sant genug wäre, bie­tet auch der Bereich süd­lich der Bad­stra­ße vie­le sehens­wer­te Beson­der­hei­ten. Auch hier kann man auf eine span­nen­de Ent­de­ckungs­rei­se gehen. 

Moderner Tanz statt BVG-Werkstatt

Historische Gebäude

Auf der süd­li­chen Hälf­te der Insel hat­te die Pfer­de-Eisen­bahn-AG bereits 1873 einen Betriebs­hof ein­ge­rich­tet, um die ers­te Pfer­de­bahn­li­nie Ber­lins zum Rosen­tha­ler Platz zu betrei­ben. Auch die ers­te elek­tri­sche Stra­ßen­bahn Ber­lins begann hier; sie fuhr 1895 nach Pan­kow. Da die Pank­ein­sel bald zu klein war, erwarb das Ver­kehrs­un­ter­neh­men 1890 eine Par­zel­le an der Ufer­stra­ße, die spä­ter um wei­te­re Grund­stü­cke erwei­tert wurde.

Ankündigungstafel und Gelände der Uferstudios

Begin­nen wir an der Bad­stra­ße 41A. Der Süd­teil der ehe­ma­li­gen Pank­ein­sel wur­de 1926–31 mit Stra­ßen­bahn­werk­stät­ten bebaut (Schlie­ßung 1961). Eine Mau­er begrenzt den vor­ge­la­ger­ten Hof. Hier kann man das Are­al betre­ten. Heu­te wird das Gelän­de völ­lig anders genutzt: Impul­sen aus der frei­en Tanz­sze­ne fol­gend, ent­stand ein Stand­ort für zeit­ge­nös­si­schen Tanz. 2008 mie­te­te die Ufer­stu­di­os GmbH die Gebäu­de für 25 Jah­re an. Nach zwei­jäh­ri­ger Zwi­schen­nut­zung folg­te 2010 der Umbau. Im Jahr 2012 erwarb die GmbH das Gelän­de der Ufer­stra­ße 23 in Erb­pacht mit einer Lauf­zeit von 196 Jah­ren. Archi­tek­to­nisch wer­den hier For­men der Neu­en Sach­lich­keit mit expres­si­ven Moti­ven ver­bun­den. Der inne­re Hof wird von einem Gebäu­de begrenzt, das in eine zwei­te Werk­statt­hal­le über­geht. Den spitz zulau­fen­den Gelän­de­strei­fen im Süd­wes­ten, ursprüng­lich das Ende der Insel, nutz­te der Archi­tekt Jean Krä­mer aus, indem er dort das Kraft­werk bau­te. Das auf­ra­gen­de Kes­sel­haus geht in eine nied­ri­ge Umfor­mer­sta­ti­on über, die mit einem run­den Turm die Insel abschließt.

Ganz anders genutzt: die Uferhallen

Ein begrünte Terrasse
Fabrik- und Verwaltungsgebäude

Auf der ande­ren Sei­te der Ufer­stra­ße, jen­seits der frü­he­ren Pan­ke-Insel, gibt es  auch viel zu ent­de­cken. Der west­li­che Teil des frü­he­ren Betriebs­hofs bis zur Gott­sched­stra­ße ist durch die Ufer­stra­ße, die über dem zuge­schüt­te­ten nörd­li­chen Arm der Pan­ke ver­läuft, von den Werk­stät­ten auf der ehe­ma­li­gen Pank­ein­sel getrennt und gehört heu­te der Ufer­hal­len AG. 1898 ent­stand die gro­ße, mit Shed­dä­chern belich­te­te beein­dru­cken­de Stra­ßen­bahn­hal­le. Dar­in fan­den in der ers­ten Zeit nach dem Aus­zug der BVG Aus­stel­lun­gen statt, der­zeit wird es aber als Indoor-Fuß­ball­feld “The Base” genutzt.

Café, Künstler, Konzerte…

Das Por­tier- und Wohn­ge­bäu­de hat sei­ne alte Gestalt behal­ten. Dar­in befin­det sich das Café Pfört­ner, wo man sogar in einem aus­ran­gier­ten Lini­en­bus Platz neh­men kann. Es hat aber auch einen schö­nen grü­nen Außenbereich.

An die Stra­ßen­bahn­hal­le schließt sich die 1901 in Betrieb genom­me­ne Repa­ra­tur­werk­statt an. Der Wagen­schup­pen an der west­li­chen Grund­stücks­gren­ze wur­de 1968 voll­kom­men über­formt. Der Archi­tekt Jean Krä­mer ergänz­te die älte­ren Werk­stät­ten 1927–28 um wei­te­re Bau­ten im Stil der Neu­en Sach­lich­keit. Das Kan­ti­nen- und Ver­wal­tungs­ge­bäu­de, das auf ein Wohn­haus von 1904 zurück­geht, erhielt einen mar­kan­ten Fas­sa­den­auf­bau, für den waa­ge­rech­te Strei­fen bestim­mend sind.

Fassade der Uferhallen

In den ehe­ma­li­gen Werk­stät­ten sind heu­te 80 Künst­ler mit ihren Ate­liers behei­ma­tet. Nach dem kürz­lich erfolg­ten Ver­kauf des Are­als befürch­ten sie, aus dem Gelän­de ver­drängt zu wer­den. Eine ganz beson­de­re Nut­zung bie­tet der Pia­no Salon Chris­to­pho­ri, wo Kon­zer­te auf­ge­führt wer­den ‑inmit­ten einer Konzertflügelsammlung.

Die Uferstudios an der Panke

Es lohnt sich, die Ufer­stra­ße noch etwas wei­ter pan­ke­ab­wärts zu schlen­dern (Ein­kehr­mög­lich­keit im Dujar­din), den Fluss auf der Schön­stedt­brü­cke zu über­que­ren und am Ufer ent­lang gegen­über den ehe­ma­li­gen Werk­stät­ten auf der Pan­ke-Insel zurück zur Bad­stra­ße zu gehen.

Teil 1 der Serie

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

3 Comments

  1. Vie­len Dank für die­se Sei­ten. Ich darf auf Feh­ler hin­wei­sen, die die Stra­ßen­bahn­ge­schich­te betref­fen. Die 1895 eröff­ne­te ers­te elek­tri­sche Stra­ßen­bahn war eine Linie der BESTAG (Toch­ter der Fa. Sie­mens & Hals­ke) und begann nicht auf der Pank­ein­sel, son­dern in der heu­ti­gen Prin­zen­al­lee und führ­te nach Pan­kow Kir­che, Der dort seit 1873 exis­ten­te Pfer­de­bahn­hof gehör­te der Gro­ßen Ber­li­ner Pfer­de-Eisen­bahn Gesell­schaft, die mit der BESTAG bis 1912 nichts tun tun hat­te. Erst dann erwarb Ber­lin einen Teil der Akti­en der BESTAG im Vor­griff auf den 1. 10. 1920. Ab ca. 1900/1901 wur­de das ver­ei­nig­te Gelän­de auf der frü­he­ren Pank­ein­sel und an der Ufer­stra­ße zur Haupt­werk­statt der Gro­ßen Ber­li­ner Stra­ßen­bahn, als das Depot in der Pan­kower Allee eröff­net wer­den konn­te. Zwei schwe­re Bom­ben­an­grif­fe 1943 und 1945 zer­stör­ten fast alle Gebäu­de der Haupt­werk­statt. Der Wie­der­auf­bau ende­te 195051.
    Die Funk­ti­on der Haupt­werk­statt Stra­ßen­bahn (HwS) wur­de 1951 erwei­tert auf den Auto­bus­be­trieb. Grund: Durch die Spal­tung der BVG 1949 war die Haupt­werk­statt Auto­bus in Trep­tow und damit im Ost­sek­tor, so dass Ersatz geschaf­fen wer­den muss­te. Die Haupt­werk­statt für die Stra­ßen­bahn stell­te den Betrieb am 30.6.1965 ein, der Auto­bus­be­trieb lief wei­ter bis 2005.

    • Lie­ber Herr Arf, vie­len Dank! Ihre Aus­füh­run­gen ver­die­nen eigent­lich einen eige­nen Arti­kel zu dem The­ma – wir wür­den uns sehr freu­en! Gern wei­sen wir dann auch auf die Ver­kehrs­ge­schicht­li­chen Blät­ter hin.

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