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Die Keimzelle des Gesundbrunnen:
Badstraßenkiez: Wo einst eine Quelle sprudelte

2. Oktober 2021
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Weder die moder­nen Gebäu­de des Fern- und Regio­nal­bahn­hofs Gesund­brun­nen noch die äuße­re Erschei­nung der umlie­gen­den Gebäu­de las­sen heu­te noch erah­nen, wo die Her­kunft des Namens Gesund­brun­nens zu suchen ist.

Tat­säch­lich war an der Stel­le, an der die heu­ti­ge Bad­stra­ße die Pan­ke kreuzt, für eini­ge Jah­re ein Kur­be­trieb ange­sie­delt, dem der gan­ze Orts­teil sei­nen Namen ver­dankt. Spä­tes­tens seit 1702 ist die Pan­ke­brü­cke erwähnt, und kurz dar­auf ent­stand an die­ser Stel­le eine Walk­müh­le. Deren Nach­fol­ge­ge­bäu­de von 1844 mit auf­ge­mal­tem Mühl­rad kann man heu­te noch dort finden.

Wellness-Paradies vor 200 Jahren

Doch zurück zum Kur­ort. Gegen­über der Müh­le, hin­ter den Häu­sern an der heu­ti­gen Bad­stra­ße Nr. 35–39, wur­de 1748 erst­mals eine Quel­le erwähnt, deren Was­ser nach einer Unter­su­chung als hei­lend galt. Ab 1757 errich­te­te Hof­apo­the­ker Behm mit könig­li­cher Finanz­hil­fe aus­ge­dehn­te Kur­ein­rich­tun­gen, zu Ehren König Fried­rich II. namens “Fried­richs-Gesund­brun­nen”: ein sechs­ecki­ges Bade­haus, Behand­lungs­häu­ser und eine Gast­wirt­schaft. Doch der Boom als Heil­bad hielt nur weni­ge Jah­re an, das zwi­schen­zeit­lich ver­fal­le­ne Kur­bad wur­de vom neu­en Besit­zer ab 1809 in Lui­sen­bad umbe­nannt. Die Namens­ge­be­rin war natür­lich die damals sehr belieb­te Köni­gin Lui­se, die selbst Gast des Kur­bads gewe­sen sein soll.

Die Quelle versiegte

Das Luisenhaus erinnert an das Heilbad
Das Lui­sen­haus

Auch bau­lich fan­den vor 200 Jah­ren Ver­än­de­run­gen am “Lui­sen­bad” statt. Der Brun­nen wur­de in ein neu­es acht­ecki­ges Gebäu­de mit der Auf­schrift “In fon­te salvs” ein­ge­fasst. Die Allee nach Ber­lin nann­te man Brun­nen- bzw. Bad­stra­ße. Die Ver­schmut­zung der Pan­ke, maß­geb­lich durch die fluss­auf­wärts lie­gen­den Ger­be­rei­en ver­ur­sacht, hat den bal­di­gen Nie­der­gang des Lui­sen­bads als Kur­ort beschleu­nigt. Am Rand der stark wach­sen­den Haupt­stadt gele­gen, wur­de der Gesund­brun­nen mehr und mehr zu einer Ver­gnü­gungs­mei­le mit Aus­flugs­lo­ka­len, was er bis in die 1960er Jah­re auch blieb. Und die Quel­le? 1869 bei Bau­ar­bei­ten lädiert, ver­sieg­te sie spä­ter bei der voll­stän­di­gen Bebau­ung des Are­als mit Miet­häu­sern. An einer Haus­wand an der Bad­stra­ße Ecke Tra­ve­mün­der Stra­ße lebt sie aber noch wei­ter, als Reli­ef­dar­stel­lung des Brun­nen­hau­ses von 1809.

Volksvergnügen und Bücher

An der heu­ti­gen Biblio­thek am Lui­sen­bad in der Tra­ve­mün­der Stra­ße zeugt die Auf­schrift “Kafé-Küche” noch von der Epo­che des Ver­gnü­gungs­vier­tels. Nur ein klei­ner Teil des dama­li­gen Eta­blis­se­ments “Mari­en­bad”, das aus dem Lui­sen­bad her­vor­ging, ist noch erhal­ten. Neben dem Restau­rant mit Fest­saal, des­sen Ves­ti­bül als Ein­gangs­be­reich der Biblio­thek erhal­ten blieb, gab es auch noch ein Stadt­bad mit Wan­nen­bä­dern, Dampf­sauna und Außen­schwimm­be­cken. Am bekann­tes­ten dürf­te jedoch der Bier­gar­ten gewe­sen sein: “Hier kön­nen Fami­li­en Kaf­fee kochen” – die­ser Tra­di­ti­on folg­te man auch an die­sem Ort, wovon der aus Back­stei­nen in der Biblio­theks­fas­sa­de gebil­de­te Schrift­zug “Kafé Küche” noch heu­te Zeug­nis ablegt. Erst 1995 ent­stand der moder­ne, über­wie­gend unter­ir­disch ange­leg­te Neu­bau der Archi­tek­ten Chest­nut und Niess. Der Put­ten­saal im ers­ten Ober­ge­schoss ist eben­falls erhal­ten geblie­ben und dient als stil­vol­ler Ver­an­stal­tungs­saal für Gesundbrunnen.

Von Schinkel bis Hermes

In der gewun­de­nen, von der Pan­ke­brü­cke aus leicht anstei­gen­den Bad­stra­ße wim­melt es nur so von Bau­denk­mä­lern. Die St. Pauls­kir­che an der Ecke Pank­stra­ße stammt schon von 1835 und gehört in eine Rei­he mit der genau­so alten Naza­reth­kir­che – bei­de sind im römi­schen Stil von Karl Fried­rich Schin­kel errich­tet wor­den. Den abseits ste­hen­den Glo­cken­turm erhielt sie übri­gens erst 1890. Aus der glei­chen Zeit stammt auch die  his­to­ri­sche Was­ser­pum­pe an der Ecke Butt­mann­stra­ße. Das Eck­haus dahin­ter von 1889 ver­fügt über rei­che Ver­zie­run­gen. Über­haupt: wohl an kei­ner Stel­le im nörd­li­chen Ber­lins sind so vie­le reprä­sen­ta­ti­ve Gebäu­de aus der Kai­ser­zeit auf ein­mal ver­sam­melt wie im Nord­teil der Bad­stra­ße. Wer sich in der lau­ten, leben­di­gen und mul­ti­kul­tu­rel­len Bad­stra­ße genau­er umschaut, soll­te die Fas­sa­de des Jugend­stil­hau­ses Nr. 3536 unter­su­chen: im vier­ten Stock steht näm­lich eine Skulp­tur des Göt­ter­bo­ten Hermes.

Tanz statt Tram

Hin­ter der Pan­ke­brü­cke wan­delt sich das Gesicht der Bad­stra­ße noch ein­mal grund­le­gend. An der Kreu­zung von fünf Stra­ßen geht es lin­ker­hand zu den fabrik­ar­ti­gen Gebäu­den des ehe­ma­li­gen Stra­ßen­bahn­be­triebs­hofs, Aus­gangs­punkt der ers­ten städ­ti­schen elek­tri­schen Tram Ber­lins. In den 1931 errich­te­ten Back­stein­bau­ten, die sich die Pan­ke ent­lang­zie­hen, befin­den sich seit 2008 die Ufer­stu­di­os für zeit­ge­nös­si­schen Tanz. Die Prä­senz von Tanz­stu­den­ten und einem inter­na­tio­na­len Publi­kum ver­än­dert den bis­lang eher durch sozia­le Pro­ble­me und Migran­ten gepräg­ten Kiez in eine ganz neue Rich­tung. Kunst, Kul­tur, Aus­ge­hen und Wohl­füh­len – hier schließt sich der Kreis zum Kur­ort Gesund­brun­nen, des­sen unge­wöhn­li­che Geschich­te vor 250 Jah­ren begann.

Mehr über den Orts­teil Gesundbrunnen

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

7 Comments Leave a Reply

  1. Freue mich über die­sen Bei­trag. Habe vie­le Jah­re in der Grün­ta­ler Str. gewohnt. Lei­der gab es nicht vie­le Infor­ma­tio­nen damahls, so sind mir vie­le Sachen über Wed­ding nict bekannt. Blei­be dabei, bit­te wei­te­re inte­res­an­te Geschichten
    die Gegend! Dan­ke! Grüs­se aus Slo­we­ni­en Ljud­mi­la Crnkovic

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