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Kein billiges Essen mehr:
Ansichtssache: Döner war früher schöner

26. März 2024
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Neulich ist mir bewusst geworden, dass ich schon lange keinen Döner mehr gegessen habe. Das Essen, was man im Wedding meistens in guter Qualität, für wenig Geld, nahezu an jeder Ecke erstehen konnte, gilt inzwischen als Exportschlager der Stadt, wenn nicht sogar des ganzen Landes. Jeder Dönerladen in der Provinz, der etwas auf sich hält, trägt das Attribut Berlin.

Der hohe Konkurrenzdruck, das Fehlen des Mindestlohns, kurze Lieferketten innerhalb der Stadt – man könnte viele Gründe finden, warum es bis vor wenigen Jahren in Berlin ein sehr preiswertes Vergnügen war, den in Scheiben geschnittenen Fleischspieß mit allerlei Gemüse und garniert mit einer Sauce zu genießen. Auch das in Viertel geschnittene Fladenbrot gehört für die meisten Döner-Käufer einfach dazu und macht vor allen Dingen satt.

Döner Kebab

Doch seit etwa vier Jahren kennen die Preise nur eine Richtung, nämlich nach oben. Der Döner, der in Berlin immer billiger war als anderswo, hat sich monetär an Preise in Hamburg, München oder Köln angeglichen. Die Gründe liegen in einer Verkettung von verschiedenen Umständen – die Zutaten, die Energie, das Personal – alles ist teurer geworden. Auch wenn die Inflation langsam zurückgeht, einmal erreichte Preisschwellen werden normalerweise nicht einfach wieder aufgegeben.

Das habe ich zum Anlass genommen, einfach mal andere Produkte im Dönerimbiss auszuprobieren. Am besten hat mir das Halloumi-Sandwich mit gegrilltem Gemüse geschmeckt, das auch weiterhin nur fünf Euro kostet. Dass es vegetarisch ist, spricht für mich ebenfalls eher für dieses Sandwich als dagegen. Immer öfter wechsele ich aber den Laden und freue mich über das gute Angebot an orientalischen Spezialitäten in meinem Kiez.

Geht es nur mir so? Ich frage mich, ob der Döner-Stern im Wedding insgesamt am Verblassen ist. 1989 hat Remzi Kaplan die erste Dönerproduktion Berlins im Soldiner Kiez gestartet. Die Firma belieferte bald Hunderte Imbisse in Berlin, der Firmengründer galt bald als erfolgreicher migrantischer Unternehmer, ja sogar als Döner-König. Inzwischen wird die Firmengruppe, zu der neben der Produktion von Dönerfleisch auch eine Bäckerei gehört, von einer Frau geleitet – Kaplans Tochter Belgin. Und nicht nur dass ein solches Döner-Unternehmen weiblicher geworden ist (allein 50 Frauen arbeiten in der Produktion), sondern auch die Verlegung des Firmensitzes von der Koloniestraße nach Reinickendorf zeigen: Der Döner als allgegenwärtiges Essen, das man für wenig Geld auf die Hand bekommt, ist möglicherweise inzwischen ein Auslaufmodell. Vielmehr könnte er zu einer Spezialität mit hoher Qualität werden, die man sich nicht mehr jeden Tag leistet. Fragwürdige Kampfpreise von 1 Euro gibt es dementsprechend auch nicht mehr. Und die Imbisslandschaft verarmt nicht, Falafel, Manakish, Bureg, Shawarma, Gözleme und anderes Street Food nehmen vermehrt den Platz des Döners ein.

Ist diese Entwicklung schlimm? Ich finde nein, denn es gibt tolle Alternativen und sorgt für eine größere Vielfalt in den Händen der Weddinger Konsumenten.

Umfrage:

Esst ihr genau so viel Döner wie früher?

Döner

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

2 Comments

  1. Wo hast du den Döner denn gegessen?
    Ist halt echt einfach eine Frechheit was die Dönerpreise betrifft. Das lässt sich auch in den meisten Fällen nicht mehr rechtfertigen. Pamfilya ausgenommen. Allgemein ist das Stadtbild mittlerweile Dönerladen, Wettbüro, Shisha, Späti. Das wechselt sich dann ab.

  2. In meiner "Döneria" in der Müllerstraße kostet der einfache Döner mittlerweile 7 Euro. Früher bin ich da gerne am Wochenende mit meinen Jungs hingegangen. Aber jetzt kostet so ein Familiensnack 40 Euro (mit Getränken). Das kann ich mir auch nicht mehr so oft leisten. Und ich habe auch den Eindruck, dass die Fleisch-Qualität nachgelassen hat. Meine Jungs sind jetzt umgestiegen auf Pommes und ich auf den veganen Döner mit Seitan-Fleisch. Der ist nicht schlecht, schmeckt ein bisschen wie Falaffel und ist einen Euro billiger.

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