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Abriss Tegeler Straße:
Alle reden von der Fledermaus, die Mieter nicht

29. Januar 2022
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Vor­erst ist der Abriss von Wohn­häu­sern in der Tege­ler Stra­ße 3 bis 5 ver­tagt. Die Bay­er AG muss zunächst eine unter­las­se­ne Suche nach Fle­der­mäu­sen nach­ho­len. Die Mie­ter wol­len, dass nicht bloß über Tie­re im Win­ter­schlaf gespro­chen wird. Ihnen geht es um Stadt­ent­wick­lungs­po­li­tik. Sie kri­ti­sie­ren Bay­er, wer­fen dem Unter­neh­men Lügen vor. 

Häuser Tegeler Straße
Tege­ler Stra­ße Ecke Fenn­stra­ße. Hier will die Bay­er AG Gewer­be statt Woh­nen. Foto: Weddingweiser.

“Alle Zei­tun­gen schrei­ben jetzt von den Fle­der­mäu­sen, von taz bis BZ. Aber uns geht es um den städ­te­bau­li­chen Wahn­sinn, der hier zu beob­ach­ten ist”, sagt ein Mie­ter, mit dem der Wed­ding­wei­ser spre­chen konn­te. “Abrei­ßen ist von ges­tern”, das sage sogar die Senats­bau­di­rek­to­rin Petra Kahl­feldt, “ein Skan­dal, dass der Bebau­ungs­plan nicht geän­dert wird”, so der Mie­ter. Bedroht sei ein sozi­al intak­ter Kiez mit 220 Men­schen, einer Kita und zahl­rei­chen Handwerksbetrieben.

Vorwurf: Lüge

“Bay­er lügt”, sagt der Mie­ter. Die Aus­sa­gen stim­men nicht, die der Bay­er-Stand­ort­lei­ter Ste­fan Klatt am Mitt­woch in der Aus­schuss-Sit­zung der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung gemacht habe. Kei­nem Mie­ter habe die Bay­er AB Ange­bo­te für Ersatz­woh­nun­gen gemacht. Auch auf den Weg­zug von Mie­tern in Num­mer 3, auf die der Mana­ger expli­zit hin­wies, sei­en ohne Hil­fe des Kon­zerns aus­ge­zo­gen. “Gera­de­zu zynisch”, kom­men­tiert der Mie­ter. Tat­säch­lich sei­en die­se Mie­ter psy­chisch krank gewe­sen und hät­ten dem Druck nicht stand­ge­hal­ten. In den Kün­di­gungs­schrei­ben ste­he ledig­lich der Satz, dass die Bay­er AG an einer güt­li­chen Eini­gung inter­es­siert sei. “Das ist aber in kei­ner Wei­se kon­kre­ti­siert wor­den”. Vie­le Mie­ter haben eine Kün­di­gung zum 28. Febru­ar erhal­ten. Ande­ren ist bereits im ver­gan­ge­nen Jahr gekün­digt worden.

Falsch sei auch die Aus­sa­ge, dass in dem leer­ste­hen­den Sei­ten­flü­gel Tege­ler Stra­ße 2 nur Büros gewe­sen sei­en. “Ich weiß von neun Woh­nun­gen, die pri­vat ange­mie­tet waren”, sagt der Mie­ter dem Wed­ding­wei­ser. Auch die Remi­sen sei­en von Bewoh­nern genutzt wor­den, zum Bei­spiel als Fitnessraum.

Zweifel an der Notwendigkeit eines Abrisses

Unver­ständ­lich sei, war­um Bay­er unbe­dingt eine Bau­stel­len­zu­fahrt von der Tege­ler Stra­ße benö­ti­ge. Auch von der Fenn­stra­ße sei eine Zufahrt pro­blem­los mög­lich. Dort stün­den auch kei­ne Wohn­häu­ser im Weg. 

Der Mie­ter bezwei­felt, dass der Abriss über­haupt nötig ist. “Wo die von Bay­er abge­ris­se­nen Häu­ser Fenn­stra­ße Ecke Nord­ha­fen stan­den, ist heu­te ein Park”. 

Warum plötzlich Fledermäuse?

“Bay­er hat ver­säumt, das Vor­han­den­sein von Gebäu­de­brü­tern im Vor­aus durch ein ent­spre­chen­des Gut­ach­ten aus­zu­schlie­ßen”, sagt ein Pres­se­spre­cher des Bezirks Mit­te. Des­halb hat die Natur­schutz­be­hör­de das Che­mie­un­ter­neh­men nun auf­ge­for­dert, die­se Unter­su­chung vor­zu­neh­men oder zu beauf­tra­gen. Ohne das Gut­ach­ten kann das Amt einen Abriss nicht geneh­mi­gen. Anlass für das Gut­ach­ten ist der Zustand der Gebäu­de: “Da alte Bau­sub­stanz durch Ris­se, Fugen, Löcher, undich­te Kel­ler, Dächer und ande­re Schä­den, gebäu­de­brü­ten­den Arten wie Fle­der­mäu­sen und Vögeln Lebens­raum bie­ten könn­te, ist die­se vor Abriss durch einen ent­spre­chend qua­li­fi­zier­ten Arten­schutz­gut­ach­ter zu unter­su­chen.” Der Mie­ter, der nicht nament­lich genannt wer­den möch­te, ist sich sicher, dass Fle­der­mäu­se vor­han­den sind. “Im Kiez ganz sicher, ver­mut­lich auch in den Häu­sern, die aktu­ell abge­ris­sen wer­den sol­len.” Er besä­ße einen Detek­tor und habe im Som­mer lai­en­haft Fle­der­maus­ru­fe gemessen. 

Akut geht es um Abriss­plä­ne für einen Sei­ten­flü­gel in der Tege­ler Stra­ße 2 und um zwei­stö­cki­ge Remi­sen. Die Wohn­häu­ser der Num­mern 3 bis 5 will Bay­er spä­ter abreißen.

Soll­te das Gut­ach­ten tat­säch­lich Fle­der­mäu­se im Win­ter­schlaf nach­wei­sen, bedeu­tet dies nicht das Aus für die Abriss­plä­ne. Der Spre­cher des Bezirks­am­tes erklärt, es gehe in die­sem Fall “um den Schutz oder die Ver­la­ge­rung der Niststättenangebote.”

Frühere Beiträge zu Bayer

Am Mon­tag (24.1.) ver­öf­fent­lich­te die­ser Blog einen Arti­kel zum glei­chen The­ma: “Ent­schul­di­gung, ich rei­ße ihr Haus ab”.

2015 schrieb die­ser Blog: “Neh­me Stra­ße, schen­ke Park”.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

1 Comment

  1. Hal­lo

    es ist schon eine selt­sa­me zeit in der wir leben.… bei einer vor­über­ge­hen­den U‑Bahn-Bau­mass­nah­me spru­deln nur so doe Kom­men­ta­re her­ein… oh welch Unbe­quem­lich für die­sen und jenem… Hur­ra schreit der , der ein Auto hat

    Wenn in einem Kiez sich an einem Tag sage und schrei­be 1500 Autos einen Schleich­weg neh­men… nein das geht zu weit – da muss sich sofort eine Grup­pe von Dau­er­em­pör­ten bil­den … ohh das muss unter­bun­den werden 

    Aber wenn 3 Miets­häu­ser platt gemacht wer­den… tja dann blei­ben die Kom­men­ta­re aus … hier ver­lie­ren auch nur ein paar Men­schen ihren bezahl­ba­ren Wohnraum 

    ja es sind selt­sa­me Zei­ten… mal sehen was pas­siert wenn doch noch in die­sem Win­ter mal die Hei­zung kalt bleibt , weil kein Gas gekauft wurde 

    Mal sehen ob die Men­schen dann immer noch Autos zäh­len oder sich über Bus­er­satz­ver­kehr beschweren 

    in die­sen Sinne

    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/abriss-von-bezahlbaren-wohnungen-ist-inakzeptabel-li.209246

    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/bayer-darf-im-mettmann-kiez-wohnungen-abreissen-um-werk-zu-modernisieren-li.209208

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