Wir leben zwar auf engem Raum zusammen, aber zu vielen Themen gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. An dieser Stelle geben wir zwei Sichtweisen auf ein kontroverses Thema Raum. Am Ende könnt ihr selbst entscheiden, ob und welche Position ihr teilt. Diesmal befassen wir uns mit der Frage, ob es ein guter Weg ist, die Anzahl der Parkplätze am Straßenrand zu reduzieren.
JA 👍
Autos am Straßenrand belegen öffentlichen Raum. Raum, der für Fußgänger, Radfahrer, Grünflächen, Begegnungsflächen dann nicht mehr zur Verfügung steht. Anwohnerparken ist so billig, dass dieser Raum fast verschenkt wird. Noch dazu an eine verschwindend kleine Minderheit: Im Wedding gibt es Kieze, in denen nur 12,7 Prozent der Bewohner ein Auto besitzen. Und bewegt wird ein Auto laut der Studie „Mobilität in Deutschland 2017“ nur 45 Minuten am Tag. Für die anderen 23 Stunden muss es irgendwo in Wohnortnähe stehen, und daher wird diese Debatte so emotional geführt. Dafür sind viele Parkhäuser gar nicht ausgelastet – wäre es nicht schön, wenn mehr Platz auf der Straße wäre und die Autos nicht mehr die ganzen Straßenränder einnehmen?
Ja, die Verknappung des Parkraums wird wehtun, und sie muss auch nicht von heute auf morgen erfolgen. Langsam, wie sich Gewohnheiten ändern, könnte manch ein Auto durch andere Fortbewegungsmöglichkeiten ersetzt werden. Zum Beispiel wenn die Parkplatzsucherei so lange dauert wie der Weg zum U‑Bahnhof. In Berlin kann man nicht nur zu Fuß oder mit dem Rad einkaufen, sondern sich die Lebensmittel bequem bis an die Wohnungstür liefern lassen. Weniger Parkplätze sollten kein Angriff auf Menschen sein, sondern Anreize bieten, über die eigene Bequemlichkeit nachzudenken. Damit die, die es beruflich oder aus gesundheitlichen Gründen brauchen, auch weiterhin die Möglichkeit haben, mit dem Auto zu fahren.
Fotos: Brauseboys
NEIN 👎
Berlin wächst – und damit steigt auch die Zahl der angemeldeten Autos. 1,4 Millionen sind es, Tendenz steigend. Dazu kommen 200.000 Pendler aus Brandenburg, die wegen schlechter Anbindung an den Nahverkehr mit dem Auto in die Stadt fahren und dort einen Parkplatz suchen. Wird der Parkraum für die Bewohner der Innenstadt verknappt (2022 gab es Pläne, die Zahl der Parkplätze zu halbieren), wird der Parkplatzsuchverkehr für alle Autofahrenden länger. Wer kann im Altbaukiez des Wedding schon auf einen eigenen Stellplatz oder eine Garage zurückgreifen? Das neueste Projekt des Bezirks Mitte, 14.000 Stellplätze für Versickerungsflächen an Gullys zu streichen, wird das Problem weiter verschärfen. Weniger Parkplätze bedeuten auch: Es wird wild geparkt, was alle anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet. Und Handwerker brauchen auch einen Parkplatz, wenn sie mit Werkzeug und Baumaterial anrücken.
Was auch gerne vergessen wird: Für manche Menschen kommt die Benutzung von Fahrrad oder ÖPNV nicht in Frage, weil der Arbeitsweg, die Arbeitszeiten oder körperliche Einschränkungen dies nicht erlauben. Dazu kommt die chronische Unzuverlässigkeit der BVG. Dem aktuellen Infektionsgeschehen aus dem Weg gehen, geht im eigenen Auto am Besten. Ist es egoistisch, dass manche Menschen dann aus Bequemlichkeit oder Luxus auf das eigene Auto zurückgreifen?
Besser als die Verknappung des Parkraums ist vielleicht eher die Erhöhung der Kosten für den eigenen Komfort. Auch die Höhe der Gebühren für Anwohnerparkausweise und Parktickets sind ein Regulativ, das der Stadt zur Verfügung steht. Dies gilt nicht für die Spritpreise, denn die schwanken ohnehin, wenn auch manchnmal in ungeahnte Höhen. Wem das wirklich etwas wert ist, wird dafür wohl tiefer in die Tasche greifen.
So sehen das unsere Leser:innen
Die Leser:innen unseres Newsletters am Donnerstagmorgen können abstimmen. Hier das Ergebnis vom 12.1.2024:
Ich habe vor Jahren schon mein Auto abgeschafft. Ich brauche nicht mehr lange nach einen Parkplatz suchen.
Es wäre natürlich auch für mich angenehmer wenn die öffentlichen zuverlässigen und flächendeckend fahren würden. Langfristig ist in großen Städten nicht genug Platz für immer mehr Autos. Wir müssen gemeinsam Langfristig eine Lösung für dieses Problem finden.
Gruß Siemen
Berlin und die Ganzen voller und Fahrradstraßen überall oder die Poller, die ganze Kieze zu machen wie hinter dem gesundbrunnencenter den ganzen Bellermannkiez. Unzugänglich für lieferdienste, Krankenwagen, Taxis usw. Dafür aber eine absolut verstopfte prinzenallee. Die Müllerstr hat keinenparkplätze mehr, die Supermärkte und ihre Lieferanten bekommen eine Krise von den Anwohnern möchte ich mir die Wut gar nicht vorstellen. Extrem viele Menschen sind auf ihr Auto angewiesen und von oben zu bestimmen, dass es ja aber nicht gut ist und man die Innenstadt im Grunde wie Paris gestalten will, ist nicht der Wille der Bürger. Und das sollte die Politik tun, nicht wahr, ihre Bürger repräsentieren!
Wenn man mal einen Blick auf die Wahlergebnisse in den einzelnen Bezirken wirft stellt man schnell fest, dass im Bezirk Mitte (also auch Wedding) die Mehrheit der Menschen Grün wählt. Und die Grünen setzen sich eben für Nachhaltige und gerechte Verkehrsplanung ein die auch Fahrräder beinhaltet. Die verstopften Straßen zeigen nur, dass in Städten Autos nur funktionieren wenn alle anderen Verkehrsmittel zurückstecken müssen und das haben die Anwohner halt satt. Hier entscheidet keiner über den Willen der Bürger.
Demokratie ist halt auch dass nicht jeder seinen Willen kriegt.
@Jupp was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Natürlich nix – ist nur mein Humor…
So, als ob ein eingefleischter 🙂 Vegetarier für Jägerschnitzel wirbt…
Aktuell ist die Verteilung des öffentlichen Raums schon extrem ungerecht zugunsten von Menschen die ein Auto nutzen. Die Zahlen dazu sind relativ leicht zu finden.
Das Problem ist halt dass Menschen Ihre Privilegien relativ schnell als Selbstverständlichkeit ansehen. Egal in welchem Bereich: Werden Privilegien abgebaut entsteht schnell ein starkes Gefühl von Unterdrückung bei Privilegierten.
Man hatte es ja jetzt gesehen, als es geschneit hatte. 2 Drittel der Autos standen zugeschneit herum, wurden also nicht gebraucht. Ich bin für Parkraumbewirtschaftung. Auch gerne am Schwimmbad Seestr. Da kommt man nämlich sehr gut mit der Tram hin. Menschen, die ihr Auto wirklich brauchen, um zur Arbeit zu kommen, finden, wenn sie wieder zurückkommen, keinen Parkplatz.
Irgendwie auch schon wieder lustig, dass der “Weddingweiser”, der anerkanntermaßen eine Anti-PKW-Strategie fährt, als Aufmacherfoto für die Anmeldung zum Newsletter das Bild eines BMW i8 zeigt, der in der Luxusklasse über 100.000 € angesiedelt ist…
Und was haltet ihr von günstigeren Transportmittel? Ich brauche mein Auto für die Arbeit, es ist immer voll geladen. Es heißt ich zahle schon Steuern, Versicherung usw, dann brauche ich mal nichts zu transportieren und könnte mit den öffentlichen Verkehrsmittel fahren, aber das kostet 6 Euro hin und zurück, wenn ich vileicht noch wo anders auf dem Weg möchte, noch mehr. Sorry das ist mir zu viel.