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Von Beton bis Pop:
Bauten der Siebzigerjahre im Wedding

Von schön bis schaurig: Häuser aus einer Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs
26. Dezember 2023
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Jedes Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat in unserem Stadtteil seine architektonischen Spuren hinterlassen. Ganz besonders bunt, poppig, brutalistisch und klobig kamen natürlich die 1970er-Jahre daher. Auf die historische Baukunst wurde im Wedding wenig Rücksicht genommen. In diesen Jahren des gesellschaftlichen Aufbruchs, in denen aber auch die Grenzen des Wachstums, die Ölkrise und der Terrorismus das Land prägten, ist der im Schatten der Berliner Mauer gelegene Wedding vor allem autogerecht (siehe Autobahnplanungen) ausgebaut worden. Auch eine neue U-Bahn-Strecke (U8, U9) ist entstanden, und sogar ein Einkaufstempel. Das ist vorbei: Viele damals moderne Gebäude werden inzwischen anders genutzt, stehen leer oder sind vom Abriss bedroht.

  • Schering-Verwaltungshochhaus (1970-78): Das 16-stöckige für Schering gebaute Verwaltungshochhaus mit der silbrig-glänzenden Metallfassade ist vom Abriss bedroht, wenn die BAYER AG ihre Pläne für einen Pharmacampus am Nordhafen umsetzt.
  • Ranke - (später Diesterweg-)Gymnasium: Als Oberstufenzentrum Wedding war es geplant, wurde dann aber eine futuristische Schule, die ab 1977 vom Ranke-Gymnasium genutzt wurde. Im Erdgeschoss war auch eine außerschulische Nutzung vorgesehen. Inzwischen steht das Gebäude leer - ein Jammer. Mehr dazu in diesem Artikel.
  • Dankeskirche: Bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befand sich mitten auf dem Weddingplatz eine pompöse Kirche aus der Kaiserzeit. 1972 wurde an ihrer Stelle ein Neubau von Fritz Bornemann errichtet, wie damals modern, als Kombination von Kirchenraum und Gemeindehaus. Versetzt angeordnete Wandscheiben aus Beton, dazwischen senkrechte Fensterbänder, und ein offenes Geläut im Giebel kennzeichnen diesen Bau, der - zwischen Pharma-Industrie und Betonwohnbauten - auf dem verkehrsumtosten Weddingplatz beinahe untergeht. Die evangelische Kirchengemeinde hat das Gebäude längst verkauft.
  • Die heutige Berliner Hochschule für Technik wollte mit dem zwölfstöckigen "Haus Grashof" hoch hinaus: 1968-72 wurde es von Dieter Hundertmark und Horst Grünberg in Sichtbeton ausgeführt, daneben befindet sich das graue "Haus Bauwesen" mit der Mensa (1973-76) nach einem Entwurf von Dietrich von Beulwitz, Josef Bonn und Helge Pitz.
  • U-Bahnhof Nauener Platz: Dieser Pop-Art-Bahnhof von 1976, mit seinen weißen Wänden, roten Werbetafeln und blauen Bahnhofsschildern soll sich gestalterisch an den französischen Nationalfarben orientiert haben. Mit klobigen Formen (man beachte die röhrenartigen Wandlampen auf dem Bahnsteig) fällt der Bahnhof bis heute aus dem Rahmen. Aus der gleichen Zeit stammen auch die Bahnhöfe Osloer Straße und Pankstraße.
  • Haus 4 (Laborgebäude) des Robert-Koch-Instituts an der Föhrer Straße: Hier befinden sich die seinerzeit modernsten Hochsicherheitslabore. 1978 wurde das mit dunklem Metall verkleidete Gebäude eingeweiht - seine undurchdringliche Fassade sollte der Angst von Anwohnern vor austretenden Viren entgegentreten.
  • Karstadt Müllerstraße: Zuvor hatte sich ein Hertie-Kaufhaus an der Chausseestraße befunden, das aber aufgrund seiner Lage an der Mauer schließen musste. An dem seit 1961 als U-Bahn-Kreuzungsbahnhof ausgebauten Leopoldplatz entstand das "neue Herz" des Wedding. Der ganze Norden Berlins kaufte ab 1978 im neuen Warenhaus von Karstadt ein, einem rötlich schimmernden Betonklotz mit einem braunen Dachaufsatz (der das dahinterliegende Parkdeck verbirgt). Direkt nach dem Mauerfall galt die Filiale zeitweise als umsatzstärkste des Konzerns, doch inzwischen steht dem Kaufhaus die Schließung bevor.

Welche Gebäude der 1970er fallen euch noch ein? Welche sind besonders prägnant? Welche besonders hässlich?

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

4 Comments Leave a Reply

  1. Das ehemalige Rotaprint Gebäude. Bauhausstil. Hier wurden Offsetdruckmaschinen gebaut. Hier machte ich meine Ausbildung 1972 bis 1975 und arbeitete dort bis 1984.

  2. Mir fallen sofort ein: die Wohnblöcke in der Afrikanischen Straße gegenüber den Mies-van-der-Rohe-Bauten. Herrliche Kombination aus schwarzen Fensterrahmen, orangen und weißen Fliesen. Zum Teil schon verschwunden: Fassadendämmung. Das Orange der Fliesen im U-Bahnhof Wedding passt gut in die Reihe.

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