Sie sind nicht schön, aber praktisch. Sie sind grau, klobig und immer ein wenig gruselig, aber wer gerade einen Parkplatz sucht, ist froh, wenn er eins findet. An Parkhäusern hat es rund um die Müllerstraße keinen Mangel. Doch immer mehr stehen leer. Es wird Zeit, sich etwas dafür einfallen zu lassen.
Wie hat man jemals so etwas bauen können? Das frage ich mich, als ich die mehr als hundert Meter lange Waschbetonfassade des P2 entlang der Luxemburger Straße entlanggehe. Ein Koloss aus Betonplatten, für den der Bezeichnung „Plattenbau“ eine Schmeichelei wäre. Es ist eine Trutzburg mit Schießscharten, mehr Hochbunker als Parkhaus, mehr Mordor als Moderne. Vor 50 Jahren war dieser Schreckensort der Inbegriff von Wohlstand und Fortschritt. Jeder Student sollte für sein Auto einen Parkplatz finden. Sogar eine Fußgängerbrücke über die Luxemburger Straße zum Campus der damaligen Fachhochschule sollte es geben. Vom Auto in den Hörsaal war das Versprechen. Jetzt verirren sich nur wenige in den dreistöckigen Flachbau, der sich tief in die umliegenden Grünanlagen duckt. Und obwohl das Parkhaus weiter von der Berliner Hochschule für Technik (BHT) betrieben wird, und der Stellplatz für Studierende nur 2 Euro am Tag kostet, ist es schon jetzt eine Ruine, in der Autowracks verstauben und Taubenmist auf dem Boden klebt; ein lebender Toter, nachts notdürftig von flackernden Neonlampen in ein milchiges Dämmerlicht getaucht. Ein „Lost Place“ mitten im Wedding. Und es ist nicht das einzige Parkhaus, das entlang der Müllerstraße, der Magistrale des alten Stadtteils Wedding, leersteht.
Parkhäuser haben eine seltsame Eigenschaft: Obwohl sie riesig sind und manchmal einen ganzen Häuserblock einnehmen, sieht man sie nicht, wenn man nicht gezielt danach sucht. Zum einen, weil sie in Ihrer Ursprungsform so aussehen, als seien es Rohbauten von Häusern, bei denen man die Fenster vergessen hat. Zum anderen, weil sie meist so hässlich sind, dass das Auge sie gnädig ausblendet, einfach überspringt, und sich lieber auf Schöneres konzentriert. So ist wenigen bewusst, dass seit den 1960er-Jahren fast ein Dutzend öffentlich zugänglicher Parkhäuser, Parkdecks oder überbauter Parkplätze entlang der Müllerstraße fester Bestandteil unseres Stadtteils sind. Hinzu kommen die gestapelten Stellplätze von Firmen wie der Bayer AG für ihre Beschäftigten. Bezahltes Parken hat also eine große Tradition in dem Gebiet, in dem künftig durch die Parkraumbewirtschaftung auch für Parkplätze entlang der Straße gezahlt werden soll. Aber das Straßenbild prägend waren die Häuser, in denen man sein Auto auf Zeit unterbringen konnte, für den Wedding nie. Man bemerkt sie erst, wenn sie schon fast nicht mehr da sind.
So ging es mir mit dem Klotz aus Rost und nacktem Beton direkt am Erika Heß-Eisstadion. Der fiel mir erst auf, als ein Zaun darum gezogen wurde. Vor 60 Jahren im Schatten der Berliner Mauer gebaut, fügte sich das Parkhaus des ehemaligen Kaufhauses Hertie gut in seine graue Umgebung ein. Das Kaufhaus ist weg, die Mauer ist weg; der kompakte Klotz ist geblieben. Ein Bollwerk gegen die Vergänglichkeit sozusagen. Das hat auch was Tröstliches. „Dich will ich loben, Hässliches, du hast so was Verlässliches“, reimte der Satiriker Robert Gernhard. Und wenn man wohlmeinend auf das hässliche Entlein schauen will, dann hat die vom Rostwasser braun gefärbte rückwärtige Fassade tatsächlich so etwas wie Patina angesetzt – und passt damit übrigens sehr gut zu dem neuen Betonklotz gleich nebenan, der 48. (Nordhafen-) Grundschule in Mitte. Doch die Stunden des Überlebenskünstlers scheinen gezählt. Seit Anfang des Jahres ist das Gelände abgesperrt und rundherum werkeln die Bagger. Die Bayer AG, der jetzige Besitzer, möchte über die Zukunft des Geländes nichts sagen. Aber es sieht wohl nicht gut aus. Vielleicht braucht Bayer das Haus nicht mehr, weil die AG in der Müllerstraße, gleich am S‑Bahnhof Wedding, ihren Beschäftigten ein Parkhaus von der Größe eines Ozeanriesen – sogar mit Bullaugenfenstern – zur Verfügung stellen kann. Wenn es die ganze Nacht hell erleuchtet strahlt, erinnert es ein wenig an die Titanic – bevor sie mit dem Eisberg kollidierte. Zu hoffen ist nur, dass man, bevor hier die Lichter irgendwann einmal ausgehen, die Frauen und Kinder aus dem Betriebskindergarten, der auf dem Dach des Hauses untergebracht ist, als erste evakuiert.
Wie eine luftige Käfighaltung für Kraftfahrzeuge mutet das Parkhaus des „CittiPoint“ an der Ecke Müller-Brüsseler Straße an. Das Haus setzt klare Prioritäten für das Automobil: Während das dazugehörige Einkaufszentrum überwiegend ins Untergeschoss verrutscht ist, thronen in vergitterten Parketagen die Autos obendrauf, drei Stockwerke hoch bis auf’s Dach. Immerhin: Die erste Stunde ist für Kunden frei und man wird bei der Ausfahrt nett verabschiedet.
Gezählt sind sicher die Stunden des versteckt von der Schulstraße aus zugänglichen Parkhauses auf dem Dach von Karstadt am Leopoldplatz. Am Turm seines im Stil des Brutalismus (heißt wirklich so und ist eine Architekturrichtung aus den 1960ern, die gerade wieder entdeckt wird) errichteten Kaufhausbaus wirbt ein verwitterndes Plakat „Nicht mehr als 2,50 Euro am Tag“ für die 400 Stellplätze, die bei weitem nicht alle genutzt werden. Die Bestandsgarantie für Karstadt läuft 2024 aus. Aber vielleicht wiederholt sich ja auch das Schicksal von Hertie in der Müllerstraße: Das Kaufhaus geht – das Parkhaus bleibt.
„real“ im Schillerparkcenter hat die Schließung schon hinter sich. Und das mit 900 Stellplätzen immer schon zu große Parkhaus neben dem Urnenfriedhof an der Ungarnstraße steht schon zwei Jahren leer. Der Wind pfeift durch den imposanten Doppelturm, in dem sich zwei stählerne Wendelrampen zu den Parkdecks winden. Der neue Besitzer, ein Luxemburger Investor, hat sich bis jetzt nicht zu einer Wiederbelebung entscheiden können. Kein Wunder, denn gleich schräg gegenüber ist nach dem Abriss der alten Müllerhalle ein neues Parkhaus für das Kaufland-Einkaufszentrum entstanden, das wie der schwarze Kubus der Kaaba im Wedding gelandet zu sein scheint. Mit etwas mehr als 100 Stellplätzen ist der Parkraum übersichtlich und vermittelt so ein Gefühl der Sicherheit. Er ist ebenerdig gelegen und mit zwei Elektro-Ladestationen auf den Bedarf der neuen Zeit eingerichtet.
Was also tun mit den Dinosauriern des Benzinzeitalters, die keiner mehr zu brauchen scheint? Die trotz Frauenparkplätzen und Videoüberwachung nie ganz den leichten Horror verloren haben, der einen befällt, wenn man auf dem einsamen Parkdeck hallende Schritte hört. Was tun mit der vielen „grauen Energie“, die im Beton entlang der Müllerstraße gebunden ist?
Die BHT würde das Parkhaus in der Luxemburger Straße am liebsten bald abreißen und auf den Platz neue Labor- und Lehrgebäude bauen. Die Hochschule expandiert und die Bauarbeiten am neuen Standort auf dem ehemaligen Flughafen Tegel haben noch nicht begonnen. Und auch wenn Tegel einmal fertig ist, wird es nicht reichen. Die BHT braucht schon jetzt weitere Flächen im Wedding. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür liegen bereits vor. Die Fläche, auf dem das Parkhaus steht wurde in der im März 2022 erstellten Hochschulentwicklungsplanung als „strategische bauliche Entwicklungsreserve“ identifiziert. Die Planung für den „Rückbau“ ist aber noch nicht konkret und muss noch erstellt werden. Vom Tisch sind damit aber die Pläne, das Grundstück für Wohnungen oder Wohnheimbau zu verwenden.
Aber muss es immer gleich Abriss sein? Gibt es keine anderen Ideen, mit der bestehenden Substanz umzugehen?
Für das Parkdeck von Karstadt am Leopoldplatz gibt es solche Umnutzungsideen schon seit ein paar Jahren. Hier könnte eine Dachbegrünung eine landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen.
Ein weiteres Beispiel, was man mit einem alten Parkhaus machen kann, können die Kant-Garagen in Charlottenburg bieten. Es ist eines der ältesten Parkhäuser Europas und steht unter Denkmalschutz. Nach langem Umbau wird hier dieses Jahr das „Stilwerk“ einziehen – ein Einrichtungsladen im höheren Preissegment. Das muss keine 1 zu 1‑Lösung für den Wedding sein, aber für den Bezirk wäre es Zeit, sich Gedanken zu machen, was man mit dem Erbe aus den besseren Zeiten der Müllerstraße in Zukunft machen kann. In ihrem jetzigen Zustand können sie noch nicht einmal die, für die Verkehrswende bald entfallenden, Parkplätze in den Haupt- und Nebenstraßen des Wedding ersetzen.
Ich frage mich, warum nicht z.B. die ganzen Parkplätze an der Müllerstraße zugunsten der Parkhäuser verschwinden könnten. Auch das Real-Parkhaus könnte soviele Autos aufnehmen, die dann die zugeparkten Hauptstraßen und Viertel entlasten könnten. Finde das auch am Beispiel des Parkhauses der citipoint mall gut zu sehen, dass das potenzial der parkhäuser nicht ausreichend genutzt wird, um ander flächen von parkenden autos zu befreien…
Ich kann mich Gordon nur anschließen – die Allgemeinheit subventioniert den AutofahrerInnen den Parkplatz an der Straße (übrigens auch in Zeiten von Parkraumbewirtschaftung). Im südlichen Wedding haben nur etwa 15% aller Personen ein Auto, aber überall stehen Autos in 2.Reihe und auf Radwegen. Und gleichzeitig stehen Parkhäuser, die quasi in allen Kiezen fußläufig vorhanden sind, leer? Statt die Parkhäuser abzuschaffen, sollten die Straßen wieder als öffentliche Räume genutzt werden!
Kaum schreibt man was, schon verändert sich was. Das Bayer-Parkhaus am Erika-Hess-Stadion wird renoviert und nach Mitteilung der Bayer AG auch weiter betrieben. Gerade werden die ersten Baugerüste aufgebaut.
ich finde das Thema spannend. Ich glaube eher an der Umwandlung Parkhäuser in Wohnungsbau. Ich habe die Baugerüste auch gesehen aber ich habe das Gefühl da wird nichts gemacht. Besitzt Bayer das Parkaus? gibt es überhaupt bedarf? wird Wohnungsbau nicht eher benötigt?
Leer stehende Parkhäuser in Berlin, Sachen gibt’s, klingt fast utopisch für mich aus dem dicht beparkten Ruhrgebiet
Ich bin ja dafür, dass unsere grüne Lieblingsmanufaktur aus dem Wedding zumindest eines der Parkhäuser komplett mit ihren Hydrotowern zupflastert. Regionale Lebensmittelproduktion in der Stadt wäre super und sehr sinnvoll. Im Himmelbeet gab es das in klein/wird es das wieder geben: https://weddingweiser.de/weltraumsalat-aus-dem-wedding/
Ich finde, eine Hydrofarm würde ganz besonders gut zum Parkhaus in der Luxemburger passen, weil die Uni gegenüber genau daran forscht.