Mastodon

Ein neues Kino für den Wedding:
„Alles jenseits des aktuellen Mainstreams"

27. Januar 2025
3

Sie ist nicht geheim, aber bisher im Wedding fast unsichtbar – die
Arbeit des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. Das analoge Filmarchiv des Arsenal befindet sich schon seit 2015 im silent green Kulturquartier im Souterrain des ehemaligen Krematoriums. Ende Januar 2025 zieht das gesamte Arsenal mit seinen bis zu 50 Mitarbeitenden in die Gerichtstraße. Alle Arbeitsbereiche (Kino, Berlinale Forum / Forum Expanded, Archiv und Verleih) sind dann an einem Ort vereint.

Rendering: Kombinativ Architekten

Zur Berlinale 2026 soll auch das Kino Arsenal, das bisher sein anspruchsvolles internationales Filmprogramm am Potsdamer Platz zeigte, im Wedding neu starten. Dazu entsteht gerade in der denkmalgeschützten Westhalle des silent green ein Kinosaal mit knapp 175 Plätzen, der einen eigenen Eingang über die Plantagenstraße bekommen wird (gut für alle, die sich -wie ich- gruseln, nachts über das Gelände eines Krematoriums neben einem Friedhof zu gehen.). Aber welches Programm kann im Wedding erfolgreich sein? Was muss anders sein als am Potsdamer Platz? Die künstlerische Leiterin des Vereins, Stefanie Schulte Strathaus hat mit Umzügen viel Erfahrung und schon einige Ideen, wie man das Kino im Kiez verankern kann.

Stefanie Schulte Strathaus, künstlerische Leiterin des Vereins Arsenal e.V. Foto: Rolf Fischer



Nach 30 Jahren am Potsdamer Platz kommt das Kino Arsenal in den Wedding. Wird das Publikum mitkommen?

Es ist nicht der erste Umzug des Kinos. Angefangen hat der Verein, damals noch unter dem Namen „Freunde der deutschen Kinemathek", 1963 als Wanderkino. 1970 eröffnete er mit dem Arsenal seinen ersten eigenen Saal in Schöneberg. Ich bin seit 1991 dabei. Als wir im Jahr 2000 an den Potsdamer Platz gezogen sind, war ein großer Teil des alten Publikums zunächst dagegen, ist aber dann doch wiedergekommen. Durch die zentrale Lage konnten wir außerdem neues Publikum aus der ganzen Stadt hinzugewinnen. Inzwischen haben wir viel Stammpublikum, aber für jedes Programm auch nochmal eigenes Publikum.

Und das wird auch nach dem Umzug in den Wedding treu bleiben?

Natürlich gibt es auch jetzt Proteste: „Wedding, das ist so weit weg." Das kann ich verstehen, aber es kommt natürlich darauf an, wo man wohnt. Wir hatten auch am Potsdamer Platz schon Stammpublikum aus dem Wedding und unser Archiv hier wird häufig besucht. In den letzten Jahren haben wir auch schon Räume im silent green für Workshops und unsere Summer School genutzt, das hat gut funktoniert.
Sehr beliebt ist unser Analog-Workshop, bei dem wir zeigen, wie man mit einer analogen Handkamera einen 16mm-Film dreht, entwickelt und bearbeitet. Im neuen Kino werden wir auch wieder den „Offenen Vorführraum" anbieten, ein Format, das der Nachbarschaft die Möglichkeit bietet, die analoge und digitale Projektion im Kino kennenzulernen.

Wir haben auch schon Berlinale-Veranstaltungen im Wedding durchgeführt: Seit 1971 gestalten wir jedes Jahr die Sektionen „Forum“ und „Forum Expanded“. In der Betonhalle des silent green fand jahrelang unsere Filmausstellung statt. Im Februar 2024 haben wir dort erstmalig einen temporären Kinosaal mit 280 Plätzen untergebracht. All das lief sehr gut. Aber die Frage ist: Was kann ein Kino am jeweiligen Ort im täglichen Spielbetrieb umsetzen? Das müssen wir herausfinden.

Rendering: Kombinativ Architekten

Und wie?

Wir wollen nicht wie ein UFO dort landen. Wir werden mit unseren Mitarbeiter*innen Ausflüge zu anderen kulturellen Projekten und Institutionen in der Nachbarschaft machen und uns vorstellen, sofern wir sie nicht durch vergangene Kooperationen bereits kennen, wie die Kolleg*innen von Sinema Transtopia in der Lindower Straße. Und natürlich versuchen, viele Menschen anzusprechen.

Die Westhalle hat einen eigenen kleinen Innenhof, den wir für Empfänge, oder auch mal eine Outdoor-Filmvorführung nutzen können. Ein gutes Restaurant haben wir ja mit dem „Mars" gleich nebenan. Wir freuen uns, dass wir wieder in eine Wohngegend ziehen, mit Nachbar*innen und Kultur drumherum. Das ermöglicht eine andere Atmosphäre und einen anderen Austausch als am Potsdamer Platz, wo alles auf Tourismus ausgelegt ist. Diese Möglichkeiten wollen wir nutzen.

Rendering: Kombinativ Architekten

Was wird anders werden im neuen Kino?

Bis wir in das neue Kino einziehen, sind wir mit Kooperationsveranstaltungen das ganze Jahr 2025 auf Tour – in Berlin, bundesweit und international. Das Projekt heißt Arsenal on Location. Dabei haben wir Gelegenheit, regionales Kino in der heutigen Zeit an vielen verschiedenen Orten kennenzulernen und sicherlich davon lernen. Aber natürlich werden wir mit unserem Programm breit und auch international aufgestellt bleiben. Wir zeigen Historisches und Zeitgenössisches, Wissenschaftliches und Populäres, Experiment – eigentlich alles außerhalb des aktuellen Mainstreams. Aber auch der kann unter bestimmten Fragestellungen bei uns auftauchen. Für all das haben wir künftig ein sehr gut ausgestattetes Kino zu Verfügung, aber auch andere Räumlichkeiten, die wir für Diskurs- oder sonstige Formate nutzen können. Vor allem die Aufenthaltsqualität wird sich verbessern.


Und jetzt die "Berliner Frage": Wird der Umbau rechtzeitig fertig werden?

Daran habe ich keine Zweifel, obwohl natürlich immer Unvorhergesehenes passieren kann. Die verantwortlichen Eigentümer*innen Jörg Heitmann und Bettina Ellerkamp haben ja schon mit dem Umbau des Krematoriums zum silent green gezeigt, dass sie gut planen und dabei übrigens auch sehr verantwortungsvoll mit dem Denkmalschutz umgehen können. Sie sind beide Filmemacher*innen und freuen sich sehr auf das Kino. Wir haben einen Mietvertrag für 20 Jahre mit einer sehr fairen Miete. Das gibt uns eine langfristige Perspektive, was heutzutage viel wert ist.

Rendering: Kombinativ Architekten

Das Gespräch führte Rolf Fischer.

Fotos: Rolf Fischer und Arsenal e.V.

Rolf Fischer

Ich lebe gerne im Wedding und schreibe über das, was mir gefällt. Manchmal gehe ich auch durch die Türen, die in diesem Teil der Stadt meistens offen stehen.

3 Comments Leave a Reply

  1. Ja, ich kenne das Arsenal auch noch aus Schöneberg und finde es toll, dass so ein Kino in den Wedding kommt. Es sollten Filme für alle Bevölkerungsschichten gezeigt werden, denn Kultur braucht jede-r.

  2. Freut mich sehr! Kenne das Arsenal noch aus Schöneberg. Potsdamer Platz, war nie so mein Ding! Lustig jetzt wo ich im Wedding Wohne, ist das Arsenal wider in der Nähe!

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?