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Ü 60-Kolumne:
Eine Weddingerin bei der UNO

11. Juli 2024

Es tut sich etwas für die älte­ren Men­schen auf die­ser Welt! Seit dem Beginn der 2010er Jah­re gibt es Bestre­bun­gen bei der UNO (Ver­ein­te Natio­nen, United Nati­ons (UN)), die Rech­te der Alten in eine glo­bal gül­ti­ge UN-Alten­rechts­kon­ven­ti­on zu fas­sen. Dazu tag­te die Offe­ne Arbeits­grup­pe Alter (Open Ended Working Group Age, OEWG‑A) mehr­fach im ver­gan­ge­nen Jahrzehnt.

Nach mehr als 10 Jah­ren der inter­na­tio­na­len Aus­ein­an­der­set­zung zu die­sem the­ma­ti­schen Kom­plex bei der UN gibt es einen Mei­len­stein zu ver­zeich­nen, wie Elke Schil­ling, Wed­din­ge­rin und Grün­de­rin von Sil­ber­netz e.V., der Hot­line und dem Netz­werk gegen Ein­sam­keit in Deutsch­land, in einem Inter­view erzählt.

Elke Schil­ling (2. von links) in der 14. Sit­zung der OEWG der UN im Mai 24 – Foto: Hira Meta/Indien

Frau Schil­ling, Sie grün­de­ten Sil­ber­netz e.V. und haben mitt­ler­wei­le die Erfah­run­gen ein­ge­bracht in die gro­ßen Dis­kus­sio­nen unse­rer Zeit. Was ist das Resü­mee für Sie?

Elke Schil­ling Eine der ganz gro­ßen Errun­gen­schaf­ten des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts ist, dass mehr Men­schen als je zuvor die Chan­ce haben, weit­ge­hend gesund und aktiv ein hohes Alter zu errei­chen. Gese­hen wird die­se wun­der­ba­re Ent­wick­lung nahe­zu ein­zig als Kos­ten­pro­blem und „Alters­last“. Das ist höchst bedau­er­lich, wer­den doch damit viel­fäl­ti­ge Poten­zia­le einer sowohl die Viel­falt neu­er Ent­wick­lun­gen als auch den Schatz des Wis­sens und der leben­di­gen Erfah­run­gen vie­ler Jahr­zehn­te nut­zen­den Gesell­schaft vergeudet.

Sil­ber­netz e.V. wid­met sich in Ber­lin und Deutsch­land der Vor­beu­gung und Besei­ti­gung von Ein­sam­keit und der Unin­for­miert­heit bei älte­ren Men­schen. Was sind wich­ti­ge inter­na­tio­na­lem Erfah­run­gen dazu?

Elke Schil­ling Mit GILC – der Glo­bal Initia­ti­ve on Loneli­ne­ss and Con­nec­tion – ste­hen wir inter­na­tio­nal im Kon­takt mit Orga­ni­sa­tio­nen aus aller Welt, die sich dem Kampf gegen Ein­sam­keit und ihre Fol­gen wid­men. Andern­orts ist man bes­ser ver­netzt, hat schon seit lan­gem Stu­di­en und wirk­sa­me Aktio­nen in Gang gesetzt. Den­noch ist es ein ein­sa­mes The­ma und die Initia­ti­ven sind welt­weit inten­siv damit beschäf­tigt, Ein­sam­keit in allen Alters­klas­sen zu the­ma­ti­sie­ren und nach­hal­ti­ge Maß­nah­men zu entwickeln.

Lei­ten­des Schild zur Sit­zung des Work­shop der NGOs und NHRI der 14. Ses­si­on der OEWG14 zum The­ma Altern

Wie kam es zur Mit­wir­kung bei BAGSO und der Ein­la­dung nach New Yorck zu den Ver­ein­ten Natio­nen, um an den seit 2010 akti­ven Dis­kus­sio­nen zum Recht der älte­ren Men­schen teilzunehmen?

Elke Schil­ling Als deutsch­land­weit arbei­ten­de Orga­ni­sa­ti­on war es für Sil­ber­netz logisch, vor zwei Jah­ren den Mit­glieds­an­trag bei der Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft der Senio­ren­or­ga­ni­sa­tio­nen, also BAGSO, zu stel­len. Die jedoch ist schon seit lan­gem als Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on an die­sem UN-Pro­zess zur Ent­wick­lung einer Alten­rechts­kon­ven­ti­on betei­ligt und auch Mit­glied der GAROP, der Glo­bal Asso­cia­ti­on for the Rights of Older Per­sons. GAROP unter­stützt als inter­na­tio­na­les Netz­werk von Beginn an die­sen Pro­zess. Als die GAROP anfrag­te, ob sei­tens der BAGSO eine Senio­ren­or­ga­ni­sa­ti­on aus Deutsch­land in die­sem Jahr einen Kurz­bei­trag zur sozia­len Inklu­si­on Älte­rer in Deutsch­land leis­ten kön­ne, wur­de Sil­ber­netz ange­fragt. Ich habe sehr gern zuge­sagt, da wir und als Ohr und Stim­me der unsicht­ba­ren Älte­ren in unse­rem Land sehen.

Das 3‑Mi­nu­ten-State­ment (Eng­lisch) von Elke Schil­ling auf der 14. OEWG

Die Arbeits­grup­pe OEWG‑A wur­de im Jahr 2012 von der UN durch Res 67139 beauf­tragt, ein recht­lich ver­bind­li­ches Doku­ment über Rech­te der Älte­ren zu erstel­len. Inwie­weit hat Deutsch­land dar­an mit­ge­wirkt? Was waren die kul­tu­rel­len Unter­schie­de und natio­nen­ty­pi­schen For­de­run­gen, die dabei in den Vor­der­grund rück­ten? A

Elke Schil­ling Auf Regie­rungs­ebe­ne hat Deutsch­land die­sen Pro­zess beob­ach­tend beglei­tet. Es besteht ja durch­aus die Hal­tung auf offi­zi­el­ler poli­ti­scher Sei­te, dass in Deutsch­land mit unse­rem Grund­ge­setz die Men­schen­rech­te für alle umge­setzt sind. Alter kommt jedoch im Arti­kel 3 nicht expli­zit als Benach­tei­li­gungs­ver­bot vor. Schon dies lässt dar­auf schlie­ßen, dass dort Lücken und Grau­zo­nen existieren.

Ich geste­he, dass ich zu kurz dabei bin, um Genau­es zu den natio­na­len Unter­schie­den und Schwer­punk­ten bei Dis­kri­mi­nie­run­gen auf­grund des Lebens­al­ters zu benen­nen. Jedoch war schon bei die­ser einen Bera­tung durch­aus sicht­bar, dass sol­che welt­weit und in sehr unter­schied­li­cher Art vor­kom­men, was nach einer sol­chen Kon­ven­ti­on ver­langt. Auch um poli­ti­sches Han­deln dar­an zu ori­en­tie­ren, wie es ja inzwi­schen z.B. mit der CEDAW-Kon­ven­ti­on für die Men­schen­rech­te von Frau­en fest­ge­schrie­ben ist.

Frau Schil­ling, vom 20. bis 24. Mai tag­te die OEWG‑A bei den UN an der East Side New Yorcks. Sie haben vor­ge­tra­gen. Was war Ihr Anlie­gen? Wie ord­ne­te sich dies ein in die Vor­trä­ge der ande­ren drei deut­schen Dele­gier­ten­grup­pen? Und gab es eine EU-euro­päi­sche Abspra­che zu die­ser Aufgabe?

Elke Schil­ling Ich hat­te ein Drei­mi­nu­ten-State­ment zur sozia­len Inklu­si­on Älte­rer abzu­ge­ben. Er ist nun Teil des offi­zi­el­len Pro­to­kolls der Sit­zung die­ser UN-Arbeits­grup­pe. Abge­stimmt war das in der GAROP-Grup­pe, der auch die indi­sche Kol­le­gin aus Mum­bai und die afri­ka­ni­sche Kol­le­gin aus Nige­ria ange­hör­ten, die eben­falls State­ments zu der Situa­ti­on Älte­rer in ihrem Land abgaben.

Ein­gang zu den UN in New York – Foto Elke Schilling

Wie und war­um kam es dann zur Abstim­mung und zur Annah­me des Antrags auf eine inter­na­tio­na­le Alten­rechts­kon­ven­ti­on bei der UN?

Elke Schil­ling Das war für uns alle über­ra­schend, die­ser Ent­schluss in der Mit­tags­pau­se, der da am Nach­mit­tag ver­kün­det wur­de! Nie­mand von den zu GAROP gehö­ren­den Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NGOs) hat­te damit gerech­net und auch unse­re deut­sche Grup­pe war erfreut und über­rascht. Aller­dings – die Emp­feh­lung an die Gene­ral­ver­samm­lung, eine Kon­ven­ti­on zu den Men­schen­rech­ten der Älte­ren zu ver­ab­schie­den – , war nur eine von ins­ge­samt acht Emp­feh­lun­gen, die ver­ab­schie­det wur­den. Die ande­ren blie­ben hin­ter die­ser For­de­rung zurück, und es bleibt abzu­war­ten wofür die Gene­ral­ver­samm­lung sich ent­schei­den wird.

Frau Schil­ling, was ist der Vor­teil einer Alten­rechts­kon­ven­ti­on? Sind Rech­te der Alten nun einklagbar?Wenn ja, wie, inwie­weit und wo?

Elke Schil­ling Hof­fent­lich wird sich die Gene­ral­ver­samm­lung für eine Kon­ven­ti­on ent­schei­den, denn nur eine sol­che hat eine inter­na­tio­nal ver­bind­li­che Ver­ein­ba­rung zur Fol­ge, die letzt­lich auch ein­klag­bar wäre. Selbst das blie­be ein noch lan­ge andau­ern­der Pro­zess, der durch NGOs unter­stützt und ein­ge­for­dert wer­den muss. Und vor­her­ge­gan­gen Kon­ven­tio­nen, wie CEDAW und Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on zei­gen ja, wie lan­ge es dau­ern kann, eine sol­che Kon­ven­ti­on in natio­na­les Recht um- und durchzusetzen.

Man­hat­tan, ein Spa­zier­gang – Foto: Elke Schilling

Wenn man in eine solch pul­sie­ren­de Mil­lio­nen­stadt wie New Yorck reist, muss man eine Stadt­rund­fahrt machen, wenigs­tens eine. Man muss sich die Stadt anschau­en. Wie hat Ihnen Man­hat­tan gefallen?

Frau Schil­ling So rich­tig Zeit blieb nicht für Stadt­rund­fahr­ten – jeder Tag war gefüllt, ent­we­der direkt im UN-Haupt­quar­tier mit Anhö­ren der natio­na­len Mit­glie­der der OEWG‑A, der natio­na­len Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und der NGOs, die ihre Stand­punk­te und natio­na­len Sich­ten dar­leg­ten. Dar­über hin­aus gab es Side-Events, orga­ni­siert von unter­schied­li­chen Grup­pie­run­gen zu Ein­zel­the­men im Rah­men die­ser Men­schen­rechts­de­bat­te, Tref­fen der Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen, einen Besuch und Gespräch bei der deut­schen Ver­tre­tung bei der UN, Zwi­schen­aus­wer­tun­gen, kurz jeder Tag war voll.

Ich habe eine Stadt­rund­fahrt nach Down­town Man­hat­tan und einen Spa­zier­gang zum Cen­tral Park schaf­fen kön­nen. Das war’s, über­wäl­ti­gend und ziem­lich anstren­gend. Stra­ßen­schluch­ten und Plät­ze, von denen ich schon mal gehört hat­te, ohne ein Bild davon zu haben. Sehr anders als Ber­lin, für das man ja auch viel Zeit braucht, um einen run­den Ein­druck zu erhalten.

Wie wer­den Sie die Ergeb­nis­se und die­sen gro­ßen Erfolg für alle – natür­li­cher­wei­se altern­den Men­schen die­ser Welt – bei uns im Wed­ding, Ihrer heu­ti­gen Wohn- und Lebens­welt, und in unse­rer Haupt­stadt kommunizieren?

Frau Schil­ling Ein­fach mal reden, bei jeder mög­li­chen Gele­gen­heit, das ist ja unser Mot­to, über das Erleb­te, über das, was inter­na­tio­nal geschieht und wor­über hier­zu­lan­de eher wenig gespro­chen wird.

https://silbernetz.org

https://de.wikipedia.org/wiki/Elke_Schilling

https://www.bagso.de/themen/internationale-altenpolitik/rechte-aelterer/menschenrechte-sichern/14-oewg-a-sitzung-2024

https://social.un.org/ageing-working-group/fourteenthsession.shtml

https://www.decadeofhealthyageing.org

https://www.who.int/initiatives/decade-of-healthy-ageing

Renate Straetling

Ich lebe seit dem Jahr 2007 in Berlin-Wedding, genauer gesagt im Brüsseler Kiez - und ich bin begeistert davon. Wir haben es bunt ohne Überspanntheit.
Jg. 1955, aufgewachsen in Hessen. Seit dem Jahr 1973 zum Studium an der FU Berlin bin ich in dieser damals noch grauen und zerschossenen Stadt. Mittlerweile: Sozialforschung, Projekte. Seit 2011 auch Selfpublisherin bei www.epubli.de mit etwa 55 Titeln. Ich verfasse Anthologien, Haiku, Lesegschichten, Kindersachbücher und neuerdings einen ökologisch orientierten Jugend-SciFi (für Kids 11+) "2236 - ein road trip in einer etwas entfernteren Zukunft" (Verlagshaus Schlosser, 28.11.22).-
Ich habe noch viel vor!
www.renatestraetling.wordpress.com

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