Die Eigentümerin des ehemaligen Karstadt-Warenhauses am Leopoldplatz soll möglichen Zwischennutzungen in dem Gebäude aufgeschlossen gegenüberstehen. Das vermeldete u.a. der Tagesspiegel Ende Juni. Dabei war von einem rund zweijährigen Leerstand vor Baubeginn die Rede. Es gibt aber auch gute Gründe, die für eine längere Phase sprechen.
Das Warenhaus soll grundlegend umgebaut und aufgestockt werden. Darin sind vor allem zusätzliche Büroflächen geplant, aber auch Wohnungen und Flächen für den Gemeinbedarf. Der Anteil der Flächen für den Einzelhandel wird zwar reduziert, ist aber immer noch erheblich: nach aktuellem Stand wären das etwa 15.000 Quadratmeter. Zum Vergleich: Das Gesundbrunnen-Center verfügt über etwa 25.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche und “Der Clou” am Kurt-Schumacher-Platz über etwa 19.000.
Überkapazitäten nicht nur im Einzelhandel
Eigentümerin des Grundstücks am Leopoldplatz ist jetzt wieder zu hundert Prozent die Versicherungskammer Bayern, die zwischenzeitlich den nun insolventen Immobilieninvestor René Benko beteiligt hatte. Das städtebauliche Entwicklungsverfahren, das beide zusammen mit dem Bezirk in Gang gesetzt hatten, wird von der Versicherungskammer fortgesetzt. Die Anstalt des öffentlichen Rechts investiert das Geld ihrer Versicherten und ist daher nicht von Finanzinstituten abhängig wie andere Investoren in der Immobilienbranche. Jedoch kann auch sie die Marktbewegungen nicht ignorieren. Und die sind auf dem Berliner Immobilienmarkt derzeit besonders extrem. Sowohl der Markt für klassische Einzelhandelsflächen als auch der für Büroimmobilien stecken in der Krise. In beiden gibt es große Überkapazitäten. Am Kurt-Schumacher-Platz zum Beispiel wird intensiv über den Abriss von “Der Clou” zugunsten neuer Hochhäuser diskutiert. Allerdings stellt der aktuelle Trend auf dem Büroflächenmarkt die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte in Frage.
1,5 Mio. qm Bürofläche stehen leer – und es werden immer mehr
Der hat vor wenigen Jahren noch geboomt und ist nach der Corona-Pandemie zusammengebrochen. Die Wirtschaftsflaute und vor allem der Trend zu immer mehr Homeoffice hat die Nachfrage nach Büroflächen auch in Berlin spürbar reduziert. So ging der Flächenumsatz bei den Neuvermietungen in den letzten zwölf Monaten um 6 % zurück, wie der internationale Immobilienmakler Colliers jüngst vermeldete. Zwischen 2023 und 2024 kamen darüber hinaus aber enorm viele neu gebaute Büroflächen auf den Markt: Der Leerstand von Büros in Berlin stieg in diesem kurzen Zeitraum um enorme 70 % auf inzwischen etwa 1,5 Mio.Quadratmeter. Die Leerstandsquote bei den Berliner Büroflächen betrug Ende Juni stolze 6,8 %. Und auch im kommenden Jahr drängen weitere große neue Bürohaus-Projekte auf den Markt. Für die Entwicklung der Karstadt-Immobilie am Leopoldplatz sind das natürlich keine guten Vorzeichen. Nach den alten, sehr ehrgeizigen Vorstellungen sollten die ersten Flächen eigentlich schon im Jahr 2027 vermarktet werden. Bis dahin wird aber die Überkapazität auf dem Berliner Büroflächenmarkt noch mehr wachsen. Eine enorme Nachfrage besteht auf der anderen Seite aber nach Wohnungen. Aus wirtschaftlichen Gründen wären also Umplanungen ratsam. Aber die kosten Zeit.
Mehr als zwei Jahre Zwischennutzung?
Ein mehrjähriger Leerstand des Hauses würde jedoch an einem sozialen Brennpunkt wie dem Leopoldplatz enorme Kosten allein für die Sicherung des Gebäudes verursachen. Schon deshalb wäre für die Eigentümerin eine Zwischennutzung interessant, die weiter Leben in das Gebäude bringt. Es gibt bereits Interessenten, aber solange die Rahmenbedingungen einer solchen zeitlich begrenzten Nutzung nicht geklärt sind, können diese keine konkreten Angebote machen. Auch Initiativen aus dem kulturellen Bereich müssen Kosten kalkulieren, bevor sie Fördermittel beantragen können. Ausreichend Platz gäbe es auch für gewerbliche Zwischennutzungen, etwa von Pop-Up-Shops, von Direktimporteuren oder von lokalen Gastronomen und Handwerkern. Im ehemaligen Karstadt könnte vorübergehend ein quirliger Wedding-Basar entstehen, wenn man die richtigen Leute zusammen bekommt. Aber auch die müssten die Rahmenbedingungen kennen und bräuchten eine gewisse Anlaufzeit.
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Artikel ist zuerst in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße erschienen.
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Am Kurt-Schumacher-Platz zum Beispiel WURDE VOR 3 JAHREN intensiv über den Abriss von “Der Clou” zugunsten neuer Hochhäuser diskutiert.