Mastodon

Zu Besuch in einem bulgarischen Tante-Emma-Laden

14. August 2019
1

„Die Bul­ga­ren pla­nen ihre Ein­käu­fe nicht lan­ge im Vor­aus und kau­fen lie­ber spon­tan ein“, erklärt mir Mar­tin. Der 34-jäh­ri­ge Bul­ga­re, der mit sei­ner Fami­lie im Afri­ka­ni­schen Vier­tel lebt, freut sich über das neue bul­ga­ri­sche Lebens­mit­tel­ge­schäft in der See­str. 105 – ide­al für klei­ne Ein­käu­fe der beson­de­ren Art. Und nicht zuletzt kann man hier die Ess­kul­tur die­ser weit­hin unbe­kann­ten, den­noch fünft­größ­ten Com­mu­ni­ty in Ber­lin entdecken. 

Viele Einflüsse kommen zusammen

Der “Mini Mar­ket Bul­ga­ria” ist ein typisch bul­ga­ri­scher Tan­te-Emma-Laden mit Fleisch- und Wurst­the­ke und Tief­kühl­tru­hen. An den Wän­den lau­fen rund­um die Rega­le vol­ler Glä­ser, Kon­ser­ven und Gebäck­schach­teln. „So sahen die Geschäf­te mei­ner Kind­heit auch immer aus“, erin­nert sich Mar­tin. Dank der Pro­duk­te im Laden fin­det er dort auch den Geschmack sei­ner Kind­heit wie­der, auch wenn damals viel von sei­ner Groß­mutter selbst ange­baut und zube­rei­tet wurde.

Hyu­sein Hyu­sein hat den Laden vor ein paar Mona­ten eröff­net und betreibt ihn gemein­sam mit sei­ner Fami­lie. Alle kom­men sie ursprüng­lich aus Ras­grad im Nord­os­ten Bul­ga­ri­ens, nahe der rumä­ni­schen Gren­ze. Alle paar Minu­ten kom­men Kun­den in den Laden, vie­le sind Stamm­kun­den. Sie freu­en sich über die gewohn­ten Pro­duk­te, den ver­trau­ten Geschmack der Lebens­mit­tel und natür­lich auch den Small-Talk mit dem 29-jäh­ri­gen Inhaber.

Die Ein­flüs­se vom Bal­kan, aus der Tür­kei und durch die medi­ter­ra­ne Küche erge­ben eine ein­zig­ar­ti­ge Mischung. Die meis­ten Ele­men­te der bul­ga­ri­schen Küche sind uns hier im Wed­ding auch aus den Nach­bar­län­dern Bul­ga­ri­ens bekannt. Die Grund­prä­gung Bul­ga­ri­ens ist aller­dings sla­wisch: Spra­che, kyril­li­sche Schrift und ortho­do­xes Chris­ten­tum. Doch die lan­ge Zuge­hö­rig­keit zum römi­schen Reich, fünf Jahr­hun­der­te osma­ni­scher Herr­schaft und der sowje­ti­sche Ein­fluss ab 1945 haben sich natür­lich auch auf die Ess­kul­tur aus­ge­wirkt. „Lei­der wis­sen vie­le Deut­sche gar nicht, was die bul­ga­ri­sche Küche eigent­lich so ein­ma­lig macht“, sagt Hyu­sein bedauernd.

Was man probieren sollte

Und da gibt es viel zu ent­de­cken, vor allem Def­ti­ges: Wurst und Fleisch, direkt impor­tiert, man­ches kennt man schon unter ähn­li­chem Namen wie Kebap­ce­ta (läng­li­che Cevap­ci­ci) oder Sud­schuk (Sucuk-Wurst). Tara­tor ist eine kal­te Gur­ken­sup­pe aus ver­dünn­tem Joghurt. Letz­te­rer wird in Bul­ga­ri­en zu nahe­zu allem gereicht. Kein Wun­der, ist doch der Lac­to­ba­cil­lus bul­ga­ri­cus eine der berühm­tes­ten Joghurt­kul­tu­ren weltweit.

Auch der Schafs­kä­se in Salz­la­ke, den man in gro­ßen Men­gen im Laden fin­det, ist eine wich­ti­ge Grund­la­ge für vie­le kal­te Sala­te, wie den Schops­ka-Salat, bei dem auch Toma­ten, Papri­ka und Gur­ken eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Wei­ße Boh­nen, Lin­sen, Auber­gi­nen und Sau­cen wie Lju­te­ni­za ste­hen auch häu­fig auf dem Spei­se­plan und wer­den im Laden in Glä­sern ver­kauft. Man kann die dicke Toma­ten­sauce mit Papri­ka­stü­cken auch ein­fach aufs Weiß­brot schmieren.

Was soll­te man sonst noch unbe­dingt pro­bie­ren? Hyu­sein emp­fiehlt die unver­gleich­lich aus­se­hen­den rosa Fleisch­to­ma­ten, rohe Sur­ova-Nade­n­i­za-Wurst, Schafs­kä­se von Sito­vo oder Ele­na, süße Mirazsch-Waf­feln und eine Zitro­nen­li­mo­na­de. Selbst­ver­ständ­lich gibt es aber auch eine gro­ße Aus­wahl an Schnäp­sen und Wei­nen, für die Bul­ga­ri­en eben­falls bekannt ist.

Vol­ler appe­tit­an­re­gen­der Ein­drü­cke ver­las­sen wir das Geschäft. Unmit­tel­bar nach dem Besuch des bul­ga­ri­schen Ladens lädt mich Mar­tin zum Essen ein: Aus den mit­ge­brach­ten Zuta­ten hat er Tara­tor-Sup­pe und Schops­ka-Salat zube­rei­tet. Dazu wird ein Schin­ken mit Gewürz­man­tel gereicht. Schnaps und Wein gibt es wäh­rend des Essens. Es wird reich­lich Brot geges­sen, mit ver­schie­de­nen Auf­stri­chen, und Börek-ähn­li­chen Blät­ter­teig (Bani­za). Oli­ven ste­hen eben­falls auf dem Tisch. Eine reich­hal­ti­ge Küche, die das Bes­te vie­ler Wel­ten ver­eint, aus einem Land, das bei uns allen­falls für sei­ne Schwarz­meer­strän­de bekannt ist. Zumin­dest den Geschmack Bul­ga­ri­ens kann man dank der bul­ga­ri­schen Geschäf­te auch im Wed­ding entdecken.

Bul­ga­ri­sche Lebens­mit­tel, See­str. 105 Ecke Togostr., 13351 Berlin

Mo-Sa 9- 20 Uhr

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

1 Comment

  1. Dan­ke für den Bei­trag. Ich bin als Deut­scher regel­mä­ßig im Läd­chen, weil ich/wir das Land seit 30 Jah­ren lie­ben. Im Som­mer fah­ren wir an den Strand in unse­re eige­ne Woh­nung (wo ich auch ver­mie­te), im Win­ter, bald ist es wie­der so weit, geht es zum Ski­fah­ren in das Rila-Gebir­ge. Zwi­schen­zeit­lich habe ich Bul­ga­risch gelernt (wie ein vier­jäh­ri­ges Kind 🙂 ) und koche selbst bul­ga­risch. Wer gern mal etwas Neu­es ent­deckt, soll­te sich vom Image Bul­ga­ri­ens nicht abschre­cken las­sen und das Land besu­chen. Hier gibt es nicht nur viel für´s Geld, hier fin­det man noch mensch­li­che Wär­me und ech­te Gastfreundschaft.
    PS: Bul­ga­ri­sche Küche erlebt Ihr auf mei­ner facebookseite

Schreibe einen Kommentar zu Roland Reppin Antworten abbrechen

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?