Neulich stand in der Zeitung, dass die Zeit der Einhörner vorbei sei. Andere Wesen und Figuren würden die Herzen der Kinder heute höherschlagen lassen. Angesagt seien Flamingos, Meerjungfrauen und sogar das gute alte Monchhichi. Sie sind die Gewinner nach dem großen Einhorn-Sterben in den Kinderherzen. Ob das stimmt oder ausgedacht ist, ist eigentlich egal. Nur: Mir schoss beim Lesen des bunten Tralalas ein Gedanke durch den Kopf: Oh mein Gott, Anna! Über eine Weddinger Autorin und ihr neuestes Kinderbuch.
Anna Böhm wohnt mit ihren zwei Töchtern im Wedding. Nicht, dass jetzt einer was Falsches denkt: Die beiden sind für Einhörner zu groß. Die Mama ist Expertin für Fabelwesen. Anna schreibt Hörspiele und Geschichten für Kinder. In ihrem neuesten Buch ist sie im Reich der Drachen, Feen und Einhörner unterwegs. Der Buchumschlag ist rosa, zwischen den Buchdeckeln wimmelt es von fabelhaften Wesen. An der Hand von Emmi zuckelt die junge Leserin durch die Geschichte. Und jetzt das! Wenn die Einhörner out sind, wer liest dann Annas Buch?
Die Autorin bleibt gelassen. Das von ihr erdichtete Einhorn im Buch ist gar kein richtiges Einhorn. Ihr Einhorn ist rosa und dick, pupst viel und ist mehr so ein Moppel. Vielleicht ist es ein typisches Weddinger Einhorn? Das Rosa auf dem Einband ist kein pfui Mädchenrosa, sondern ein geschlechtsneutrales Schweinchenrosa. Für die Hauptfigur ist aber genau das ein Problem. Sie ist geschockt als sie an ihrem Fabeltag, ihrem zehnten Geburtstag, ein Einschwein bekommt, obwohl unbedingt ein Einhorn haben wollte. Aber Fabeltiere, die einem so zulaufen, kann man sich eben nicht aussuchen. Es hilft auch nichts, das Moppel zu verkleiden, damit es bei den zickigen Mitschülerinnen besser ankommt. Und was hilft gegen Einhorn-Mobbing? Keine Tricks. Mut und Freundschaft aber schon. Am Ende muss Emmi lernen, die Wahrheit über ihr Einschwein zu akzeptieren und zu ihrem neuen Freund zu stehen. Sie muss einiges lernen, bis sie sagen kann: Wer braucht schon ein Einhorn?!
„Emmi & Einschwein: Einhorn kann jeder!“ ist ein gut geschriebenes Kinderbuch, dessen 200 Seiten sich 1‑fix‑3 weglesen. Ich habe es meinem Sohn vorgelesen. Unter Protest haben wir begonnen – ein rosa Buch, auf dem das Wort Einhorn steht, ist für Jungs so um acht oder neun schon eine kleine Mutprobe. Doch dann haben wir voller Begeisterung und mit Vorfreude auf den zweiten Band die letzte Seite umgeblättert. Der nächste Teil, das verrät Anna Böhm schon, hat dann keinen rosa Einband. Denn sie findet auch, dass durchaus auch Jungs ihr Buch lesen dürfen – oder sollen. Im August wird das nächste Abenteuer von Emmi und Einschwein veröffentlicht. Und ich verfüge bereits über sehr geheime Informationen den Inhalt betreffend, die ich – selbst meinem Sohn – nicht verrate. Aber ich weiß: es wird wieder witzig und überhaupt allerbeste Unterhaltung (auch für mich als Vorleserin). Und wenn erst der dritte Teil fertig ist …
Anna Böhm ist übrigens in Berlin geboren. Sie war am Theater tätig und hat Drehbuch studiert. Sie schreibt Kinderhörspiele für Deutschlandradio Kultur, aber auch andere Texte. Mit „Emmi & Einschwein: Einhorn kann jeder!“ ist der Weddingerin ein zauberhafter Auftakt zu einer schönen Reihe über ein pummeliges Einhorn gelungen. Mag die Art ausgestorben und out sein oder nicht. Lesen darf – kann – soll man trotzdem von diesem einen!
Anna Böhm: „Emmi & Einschein: Einhorn kann jeder!“, Verlag Friedrich Oetinger 2018
Dominique Hensel hatte ein wenig Angst vor dem rosa Einband des Buches und Einhörner waren noch nie ihr Ding. Beim Vorlesen der Geschichte über Emmi und Einschwein amüsierte sie sich aber doch ziemlich.