Einfach unterirdisch: viele Berliner kennen den Wedding nur aus der Kellerperspektive. Für seinen Untergrund ist der Stadtteil jedoch nicht erst in neuester Zeit bekannt, denn schon vor neunzig Jahren erreichte die erste U‑Bahn den Wedding.
Die erste U‑Bahn-Linie Berlins (die heutige U 1) wurde noch überwiegend als Hochbahn ausgeführt, so sehr misstraute man angesichts der technischen Möglichkeiten um 1900 dem sandigen Berliner Untergrund. Die Stadt Berlin hatte den Bau und Betrieb anfangs einem privaten Bauherrn (Siemens und Halske) überlassen. Beim Bau der Nord-Süd-Bahn Wedding-Tempelhof /Neukölln war sie jedoch selbst als Bauherr tätig. Noch vor dem Ersten Weltkrieg begannen die Bauarbeiten, wurden aber bald eingestellt. Es dauerte noch bis Januar 1923, bis die städtische Nord-Süd-Bahn zwischen Hallesches Tor und dem heutigen Bahnhof Naturkundemuseum eröffnet wurde. Im März des gleichen Jahres ging die Verlängerung über Reinickendorfer Straße, Bahnhof Wedding, Leopoldplatz bis zur Seestraße in Betrieb, wodurch auch der Wedding über einen U‑Bahn-Anschluss verfügte.
Zwei Systeme: Klein- und Großprofil
Ob minimalistischer Zeitgeist oder Geldmangel: die Bahnhöfe der Inflationszeit sind bis heute nur Sparversionen mit ihren schlichten, weiß verputzten Seitenwänden. Die unmittelbar unter der Straße liegenden Stationen, die man über die Straßenmitte unter Benutzung nur einer Treppe erreichen konnte, unterscheiden sich fast ausschließlich durch die Farbe der genieteten Stahlträger und Schilderumrahmungen. Die Bahnsteige waren anfangs auch nur 80 Meter lang, so dass lediglich kurze Züge mit vier Wagen eingesetzt werden konnten. Um trotzdem viele Fahrgäste transportieren zu können, wurden die Wagen – statt wie bis dahin 2,3 Meter breit– in einer Breite von 2,65 Meter gebaut. So kommt es, dass die Berliner U‑Bahn bis heute zwei verschiedene technisch nicht miteinander kompatible Wagentypen besitzt, das Kleinprofil (U 1 – U 4) und das Großprofil (U 5 – U 9). Allerdings wurden die Bahnsteige der Nord-Süd-Bahn ab den 1960er Jahren verlängert. Erst nach der Wiedervereinigung war dies auch auf allen bisher nicht zugänglichen Stationen möglich, und seit 1996 verfügt die gesamte heutige U 6 über 110 Meter lange Bahnsteige. Für das Großprofil baute man an in einem Straßenblock zwischen Müllerstraße, Ungarnstraße, Türkenstraße und Edinburger Straße eine Hauptwerkstatt, die bis heute unter dem Namen „Seestraße“ in Betrieb ist. 1956 wurde die heutige U 6 bis zum Kurt-Schumacher-Platz in Reinickendorf (neue Stationen Rehberge und Afrikanische Straße) und 1958 bis Tegel verlängert.
Neue Linie Gesundbrunnen-Neukölln
Bereits 1912 begann die AEG mit dem Bau einer zweiten Nord-Süd-Linie, die Gesundbrunnen mit Neukölln („GN-Bahn“) verbinden sollte. 1919 wurden die Arbeiten aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Nachdem die Stadt Berlin die Tunnelanlagen übernommen hatte, begann 1926 der Weiterbau und 1927 wurde der erste Abschnitt in Neukölln eingeweiht. 1930 wurde dann der Endpunkt am Bahnhof Gesundbrunnen erreicht. Erst in den 70er Jahren plante man eine Verlängerung der Strecke als Linie 8 (heute U 8) bis ins Märkische Viertel.
1977 wurde der vorläufige Endpunkt Osloer Straße erreicht, wo kurz vorher auch die Endstation der neuen Linie 9 eröffnet worden war. Später wurde die U 8 über die Osloer Straße hinaus bis Wittenau verlängert.
U 9: schnell hin und weg
Die U 9 ist die schnellste und modernste Linie der Berliner U‑Bahn, die den Wedding mit Steglitz verbindet. Sie ist die einzige Linie, die vollständig nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Wenige Tage nach dem Mauerbau 1961 wurde der erste Abschnitt zwischen Leopoldplatz und Spichernstraße über Amrumer Straße und Bahnhof Zoologischer Garten eröffnet. Der bestehende Bahnhof Leopoldplatz der Nord-Süd-Bahn musste als Kreuzungsbahnhof umgebaut werden – bis dahin hatte er wie die meisten anderen Stationen der heutigen U 6 einen Mittelbahnsteig.
Ab 1976 war der „Leo“ nicht mehr die Endstation der Linie 9, die über Nauener Platz bis zum heutigen Endpunkt Osloer Straße verlängert wurde.
Gestaltung der Stationen
Die Bahnhöfe Rehberge und Afrikanische Straße waren die ersten U‑Bahnhöfe nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie ähneln sich in ihrer ungewöhnlichen Deckenform und in der einfarbigen Gestaltung der Wände mit Fliesen, die auch bei der jüngsten Sanierung beibehalten wurde. Beide Stationen besitzen Zwischengeschosse mit Fußgängerunterführungen.
An der Amrumer Straße sollte einmal eine Autobahn, die Westtangente, entlangführen. Dies wurde beim Bau des Bahnhofs 1961 bereits berücksichtigt. So kommt es, dass der dem Virchow-Klinikum zugewandte Teil der Station eine erdrückend-niedrige flache Decke und massive, rechteckige Stützen besitzt. Zum Bau der Westtangente, die den Volkspark Rehberge, die Afrikanische Straße und auch die Torfstraße zerschnitten hätte, ist es später aufgrund veränderter Autobahnplanungen nicht mehr gekommen.
Der Bahnhof Nauener Platz, der 1976 eröffnet wurde, zeigt sich mit seinen klobigen Formen und Rundungen ganz im Zeitgeschmack der 70er. Die dominierenden Farben blau, weiß, rot beziehen sich auf das Nauener Stadtwappen, aber auch auf die Trikolore Frankreichs – der Wedding lag damals schließlich im französischen Sektor.
An der Osloer Straße treffen gleich zwei Linien im rechten Winkel direkt übereinander. Beide Ebenen sind ähnlich gestaltet: nebeneinander angeordnete, riesige norwegische Flaggen springen dem Fahrgast von den Seitenwänden ins Auge. Nur die Farbe der Mittelsäulen unterscheiden sich auf beiden Ebenen.
So interessant die U‑Bahn-Geschichte des Wedding seit 90 Jahren ist: es lohnt sich, auch einmal auszusteigen und den Stadtteil über dem Tunnel zu erkunden.
Artikelserie über die Architektur der U‑Bahn-Stationen im Wedding
Leopoldplatz (U6, U9): Ausgangspunkt für eine Entdeckung der Kieze rund um die Malplaquetstraße und die Osramhöfe, den Brüsseler Kiez, den Sprengelkiez und den Antonkiez.
Amrumer Straße (U9): Ausgangspunkt für den Brüsseler Kiez und den Sprengelkiez.
Wedding (S‑Bahn, U6): Ausgangspunkt für den Sprengelkiez und den Antonkiez.
Seestraße (U6): Ausgangspunkt für eine Entdeckung der Kieze rund um die Malplaquetstraße und die Osramhöfe, den Brüsseler Kiez, das Afrikanische Viertel und das Englische Viertel.
Rehberge oder Afrikanische Straße (U6): Ausgangspunkt für das Afrikanische Viertel und das Englische Viertel.
Nauener Platz (U9): Ausgangspunkt für die Kieze rund um die Malplaquetstraße und die Osramhöfe und den Antonkiez.
[…] https://weddingweiser.de/2013/01/11/wedding-von-unten-seit-90-jahren-per-u-bahn/ […]
[…] U‑Bahnhof der 1923 unter dem Namen Nordsüd-Bahn eröffneten Strecke sollte eigentlich Ringbahn heißen. Für die benachbarte Station “Reinickendorfer […]
[…] Werkstatt wurde 1923 eröffnet, weil man für das so genannte „Großprofil“ eine neue Werkstatt benötigte. Über […]
[…] und mit den nackten Stahlstützen (heute grün gestrichen) erinnert er daran, dass diese in der Inflationszeit gebaute Linie nur eine Spar-Version war. Positiv ausgedrückt: der älteste und am besten in seiner […]