Meinung “Ich gehe davon aus, dass die meisten Schülerinnen und Schüler einen Platz an ihrer Wunschschule erhalten werden”, sagt Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse. Eltern hatten bis Ende Februar Zeit, ihren Erst‑, Zweit- und Drittwunsch für den Wechsel ihrer Kinder auf Gymnasium oder Oberschule (ISS) anzukreuzen. Doch was für eine Wahl hatten Eltern? Ein Blick auf den Wedding zeigt – wer nicht zwischen Senatsschule und Senatsschule wählen will, der kann nur auf zwei Alternativen ausweichen. Hier ein Aufruf für mehr Vielfalt in der Schulbildung. Und gleichzeitig eine Bitte um eine Diskussion jenseits von sozial gerechte öffentliche Schule versus private Reichenschule.
1. Bezirksschule als Eigenbetrieb – Fehlanzeige
Die Bezirke können Eigenbetriebe gründen. Mitte tut das zum Beispiel mit der Kindergärten City GmbH. (Weil das Land Berlin vorgibt, dass ein Eigenbetrieb stets von mehreren Bezirken besessen werden muss, arbeiten Friedrichshain und Mitte an dieser Stelle zusammen.) Und bei den Schulen? Nicht einmal eine eigene Grundschule, geschweige denn eine eigene Oberschule traut sich der Bezirk zu gründen. Den Vorteil, vor Ort entscheiden zu können, lässt Mitte liegen. Selbst Bildungsreformer wie Margret Rasfeld hoffen auf Hilfe von oben – von der Bundesregierung. Dabei könnte Innovation auch von unten wachsen. Zudem wäre eine unabhängige Bezirksschule eine kostenlose Alternative zur Senatsschule.
2. Bürgerschule als Genossenschaft
Zu erleben ist aktuell, dass Menschen anpacken. Sie helfen Geflüchteten, gründen Einkaufsläden als Genossenschaft, betätigen sich als Stadtgärtner, engagieren sich in ihrer Freizeit für die Verkehrswende. Und wie sieht es bei der Bildung ihrer Kinder aus? Fakt ist, es gibt Elterninitiativkitas im Wedding, aber keine Elternschulen. Dabei gibt es vermutlich eine handvoll Enthusiasten, die sich zutrauen, Bildung solidarisch und nachhaltig zu organisieren. Vorschlag: Der Senat überträgt die am wenigstens nachgefragte Schule an die Eltern dieser Schule, wenn diese zuvor eine Genossenschaft gegründet haben. Klappt die Sache nicht, ist bei einer unattraktiven Schule nichts verloren. Geht es gut aus, haben Schüler und Eltern viel gewonnen.
3. Stifter und Spender tragen ungewöhnliche Schulen
Glückstreffer im Wedding. Die Quinoa-Schule im Soldiner Kiez ist als private und gleichzeitig sozial orientierte Schule berlinweit eine Ausnahme. “Das Ziel von Quinoa Bildung ist es, dass alle Jugendlichen ungeachtet ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die Chance auf einen Schulabschluss bekommen.” Spender ermöglichen, dass an der gemeinnützigen Schule das berühmte Schulgeld niedrig bleibt. “Über 75% der Familien der Schüler*innen erhalten Transferleistungen und bezahlen somit kein Schulgeld”, heißt es in einem Faktenblatt der Schule. Quinoa treibt Bildungsreformen voran. Es gibt das Tutorenmodell und Fächer wie Zukunft. Hier geht es in die Details des innovativen Schulkonzeptes. Was tut der Bezirk, damit es mehr solcher Schulen gibt? Könnte er nicht eine Schul-Stiftung gründen? Oder Unterstützer dafür sammeln? Damit solche Schulen im Wedding nicht Glücksfälle sind?
4. Kommerzielle Oberschulen
Wer der Senatsschule entkommen will, muss zahlen – und zahlen können. Hier kann der Bezirk wenig tun. Das Schulgesetz ändern, damit unter den grundgesetzlich geforderten Alternativschulen die kommerziellen Schulen nicht länger bevorteilt werden, das kann nur der Senat. Darauf sollten die Menschen im Wedding allerdings nicht ihre Hoffnungen setzen.
5. Die Senatsschulen
Alle staatlichen Schulen im Wedding sind Senatsschulen. Von der Ernst-Schering-Schule bis zum Lessing-Gymnasium. Bei allen hat der Berliner Senat hat das Sagen, der Bezirk darf das Dach reparieren. Der Senat gründet und schließt Schulen, bremst von Schulgremien erarbeitete Konzepte, hat die Hoheit übers Geld, lenkt so gut wie alles. Manchen Schulen kämpfen, so gut es geht, um ihre Eigenzuständigkeit. So schaffte es die Diesterweg-Schule vor einem Jahr, drittes Gymnasium im Wedding zu werden. Aber Vorsicht, sagt der Senat, bitte nur als “Schulversuch”.
Und die Eltern?
Bei der Wahl der weiterführenden Schule finden sich die Eltern in einem seltsamen Backshop wieder, der ausschließlich Brötchen anbietet. Zur Wahl stehen aus Versehen etwas dunkler oder heller geratene Brötchen. Es ist Zeit, dass der Bezirk Mitte anfängt zu handeln. Damit die Schullandschaft einem Bäcker gleicht, der Sesam- Mohn- und Dinkelbrötchen in der Auslage hat. Es ist an der Zeit, sich von der Illusion zu verabschieden, die gleiche Art Schule sei für alle die beste. So wie sich der Gedanke durchgesetzt hat, dass Frontalunterricht, nicht für alle Schüler gleich gut ist. So sollte Verständnis dafür wachsen, dass es niemals den einen perfekten Schultyp geben kann. Bis Anfang Juni müssen die Eltern gerade warten, bis sie erfahren, ob ihr Erst‑, Zweit- oder Drittwunsch erhört wird. Genug Zeit, um darüber zu diskutieren, ob wählen statt wünschen nicht besser wäre.