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Das Jüdische Altersheim in der Iranischen Straße

20. September 2020
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Das Jüdische Altersheim
Ber­lin-Wed­ding, Syn­ago­ge Jüdi­sches Alters­heim, Ira­ni­schen Stra­ße 3, Foto: Abra­ham Pis­arek, 1930er Jah­re (vor 1939), COPYRIGHT: Bild­ar­chiv Pis­arek/akg-images

Was heu­te als Ira­ni­sche Stra­ße bekannt ist, hieß bis 1934 Exer­zier­stra­ße. Um 1900 befand sich auf einer Stra­ßen­sei­te die Reu­ter-Stif­tung und zur ande­ren die Lau­ben­ko­lo­nie Nord­kap. Es war eine beschau­li­che und ruhi­ge Gegend. Inner­halb von weni­gen Jah­ren soll­te sich das Stadt­bild durch das Jüdi­sche Alters­heim und das Jüdi­sche Kran­ken­haus ver­wan­deln. Mit die­sem Bei­trag soll die ers­te gro­ße Jüdi­sche Für­sor­ge­ein­rich­tung und bedeu­ten­de Syn­ago­ge im Wed­ding erin­nert werden.

Mil­lio­nä­rin, Grün­de­rin und Wohl­tä­te­rin: Erna Pak­scher (*1836, +1909) finan­ziert eine Insel im Grünen

Es war üblich, dass die Jüdi­sche Gemein­de ihre sozia­len Ein­rich­tun­gen selbst finan­zier­te. Ein Netz aus enga­gier­ten Ein­zel­per­so­nen, Wohl­tä­tern und Inter­es­sen­grup­pen wid­me­te sich spe­zi­el­len Anlie­gen, um das Zusam­men­le­ben zu ver­bes­sern. Seit jeher ist ein Grund­zug des jüdi­schen Wesens die Wert­schät­zung des Alters.

Somit lag auch die Ver­sor­gung von bedürf­ti­gen Senio­ren in den Hän­den der Gemein­de. Am Ende der 1890er Jah­re war klar, dass die bei­den vor­han­de­nen Alten­hei­me in der Gro­ßen Ham­bur­ger Stra­ße 26 (gegrün­det 1829) und der Schön­hau­ser Allee 22 (eröff­net 1883) den zukünf­ti­gen Bedarf nicht abde­cken kön­nen. Daher soll­te eine drit­te Ein­rich­tung im Wed­ding entstehen.

Eine der wich­tigs­ten Per­so­nen für das drit­te Jüdi­sche Alters­heim in Ber­lin war die Mäze­nin Erna Pak­scher. „Wenn sie in die Anstalt kam, hät­te nie­mand in der Frau im ein­fa­chen schwar­zen Kleid eine Mil­lio­nä­rin ver­mu­tet, die bei­na­he ohne Ende zu geben bereit war“, so beschrieb Etty Hirsch­feld die Wohl­tä­te­rin. Erna Pak­scher finan­zier­te den Neu­bau mit 200.000 Mark sowie einen Teil des Erwei­te­rungs­baus, spen­de­te 120.000 Mark im Jahr 1904 und hin­ter­ließ für die Ein­rich­tung 520.000 Mark. Hin­zu kom­men meh­re­re Son­der­stif­tun­gen und vie­le Stun­den des per­sön­li­chen Ein­sat­zes, die in Zah­len nicht auf­zu­rech­nen sind.

Bereits zu Leb­zei­ten, zu ihrem 70. Geburts­tag, lie­ßen die Heim­be­woh­ner im Gar­ten ein Denk­mal für Erna Pak­scher errich­ten. Erna Pak­scher starb am 2. Dezem­ber 1909 im Alter von 74 Jah­ren. Der Vor­stand der Jüdi­schen Gemein­de ver­fass­te einen Nach­ruf (Abdruck in der All­ge­mei­nen Zei­tung des Judenth­ums, 10.12.1909):

„Die Ver­bli­che­ne hat vie­le Jah­re hin­durch in auf­op­fern­der Treue ihre gan­ze Kraft den Wohl­fahrts­wer­ten der hie­si­gen jüdi­schen Gemein­de gewid­met, als Vor­sit­zen­de der Ehren­da­men der III. Alters­ver­sor­gungs­an­stalt wie als Ehren­da­me der II. Alters­ver­sor­gungs­an­stalt, des Kran­ken­hau­ses und des Hos­pi­tals. Die III. Alters­ver­sor­gungs­an­stalt (an der Exer­zier­stra­ße) ist zum größ­ten Teil aus den hoch­her­zi­gen bedeu­ten­den Zuwen­dun­gen der Heim­ge­gan­ge­nen errich­tet. Das Andenken der edlen Frau wird dau­ernd geseg­net sein“.

Eine sehr emo­tio­na­le Trau­er­frei­er fand am 19.12.1909 in der Syn­ago­ge des Alten­heims statt. Erna Pak­scher wur­de auf dem Jüdi­schen Fried­hof Schön­hau­ser Allee bei ihrem Ehe­mann David Pak­scher (*1819, +1884) beerdigt.

Gemein­de-Archi­tekt Johann Hoe­ni­ger (*1851, +1913): Weni­ge Mit­tel, maxi­ma­le Wirkung

Für die Jüdi­sche Gemein­de war ab 1881 der Archi­tekt Johann Hoe­ni­ger als Gemein­de­bau­meis­ter in allen Ange­le­gen­hei­ten bezüg­lich der Gebäu­de zustän­dig. Sei­ne Auf­ga­ben reich­ten von der Neu­bau­pla­nung, dem Gebäu­de­er­halt bis zur Bau­be­glei­tung. Nicht alle Gebäu­de der Jüdi­schen Gemein­de stam­men aus sei­ner Feder, aber er war stets in die Aus­füh­rung eingebunden.

Seit dem 4.5.1899 stand fest, dass die Stadt Ber­lin der Jüdi­schen Gemein­de ein 6.419 Qua­drat­me­ter umfas­sen­des Grund­stück an der Exer­zier­stra­ße für die Errich­tung eines drit­ten Alten­heims über­las­sen wür­de. Dies war an Bedin­gun­gen gebun­den: 1. Bau­be­ginn im sel­ben Jahr und 2. das Grund­stück fällt zurück an die Stadt, sobald die Nut­zung geän­dert wird oder wegfällt.

Das jüdische Altersheim

Auf dem Grund­stück an der Exer­zier­stra­ße ent­stand von 1899 bis 1902 ein Rot­zie­gel­bau mit einem beton­ten Mit­tel­bau in neu­go­ti­scher For­men­spra­che und einem gro­ßen Vier­blatt­fens­ter in des­sen Mit­te sich ein David­stern befand – dahin­ter plat­zier­te der Archi­tekt die Syn­ago­ge. Im Sou­ter­rain des Gebäu­des waren die Küche und die Schlaf­stu­ben für das Per­so­nal unter­ge­bracht, im Par­terre Büro­räu­me und die Woh­nung des Inspek­tors. In den bei­den Eta­gen dar­über die Wohn­räu­me für die Bewoh­ner sowie pro Eta­ge zwei Veran­den. Für die 35 Bewoh­ner gab es im zwei­ten Ober­ge­schoss eine „ein­fa­che aber wür­dig aus­ge­stat­te­te Syn­ago­ge“, so die Beschrei­bung im Gemein­de­bo­ten vom 26.9.1902. Die nach Osten aus­ge­rich­te­te Syn­ago­ge lag zur Stra­ßen­sei­te. Ins­ge­samt ging sie über den gesam­ten Mit­tel­bau und erhielt viel Tages­licht. In dem hohen Raum zier­te die Decke ein geo­me­tri­sches Mus­ter, wäh­rend der Bereich für den Rab­bi­ner mit Säu­len betont wur­de. Zwei gro­ße Decken­leuch­ter schweb­ten über den Holz­bän­ken und Kamin­öfen sicher­ten die ganz­jäh­ri­ge Nut­zung der Syn­ago­ge. Es war die ers­te Syn­ago­ge im Wed­ding und bot deut­lich mehr Platz als in den ers­ten Jah­ren not­wen­dig gewe­sen wäre. Die spä­te­re Syn­ago­ge bzw. der Bet­saal im Jüdi­schen Kran­ken­haus war für weni­ger bzw. eine ähn­li­che Per­so­nen­zahl aus­ge­legt. Somit kommt der Syn­ago­ge im Jüdi­schen Alten­heim eine beson­de­re Bedeu­tung für die Gemein­de zu.

Hoe­ni­ger voll­brach­te im Wed­ding ein klei­nes Wun­der, denn mit nur weni­gen finan­zi­el­len Mit­teln ent­stand ein ansehn­li­ches Gebäu­de. Es ähnelt der nahe­zu zeit­gleich in Wei­ßen­see ent­stan­de­nen Jüdi­schen Arbei­ter­ko­lo­nie und Asyl. Das neue Alten­heim trug die Inschrift: „Gestif­tet zum Andenken an David Pak­scher von Frau Erna Pak­scher“. Zu Hoe­ni­gers bekann­ten Bau­wer­ken gehö­ren die Kna­ben­schu­le in der Gro­ßen Ham­bur­ger Stra­ße, die Syn­ago­ge in der Ryke­stra­ße und die Syn­ago­ge Levet­zow­stra­ße. Trotz­dem wur­de im Nach­ruf auf den Archi­tek­ten in der All­ge­mei­ne Zei­tung des Judenth­ums vom 14.2.1913 das Alters­heim im Wed­ding erwähnt.

Die gro­ße Fei­er: Eröff­nung des Jüdi­schen Alten­heims am 21. Sep­tem­ber 1902

Zu den zen­tra­len Per­so­nen für die Ent­ste­hung des Jüdi­schen Alters­heims gehör­ten neben der Grün­de­rin Erna Pak­scher, dem Archi­tek­ten Johann Hoe­ni­ger auch der jüdi­sche Kauf­mann und Phil­an­throp Moritz Man­hei­mer (Foto mit sei­ner Frau Ber­tha Man­hei­mer). Man­hei­mer fädel­te den Grund­stücks­deal mit der Stadt Ber­lin ein. Am 21.9.1902 war es soweit, denn hoch­ran­gi­ge Poli­ti­ker und fast der gesam­te Vor­stand der hie­si­gen Jüdi­schen Gemein­de sowie zahl­rei­che Reprä­sen­tan­ten ver­sam­mel­ten sich in der geschmück­ten Syn­ago­ge des Neu­baus, so die All­ge­mei­ne Zei­tung des Judenth­ums (26.9.1902). Die Fei­er­lich­keit eröff­ne­te der Chor der Lin­den­stra­ßen­syn­ago­ge mit „Wie schön sind dei­ne Zel­te, Jakob“. Rab­bi­ner May­baum hielt die Festrede.

Bereits am 15. Juli 1902 hat­ten die ers­ten Senio­ren ihre Zim­mer bezo­gen. Im Sep­tem­ber 1902 wohn­ten 25 Men­schen in dem Haus. Es begann eine wech­sel­vol­le Geschich­te. In der Küche wur­de nach den ritu­el­len Vor­schrif­ten gekocht. Die Frei­tag­aben­de zu Ehren des Schab­bats und an den hohen Fei­er­ta­gen wur­den getreu der Tra­di­ti­on durch Got­tes­dienst und häus­li­ches Fest­essen began­gen. Es wur­den die Seder­aben­de an einer gro­ßen Tafel gefei­ert. Zu Cha­nuk­kah gab es auch im Alters­heim Geschen­ke. Und an Jom Kip­pur konn­ten die­je­ni­gen Fas­ten, die dazu in der gesund­heit­li­chen Ver­fas­sung waren. In den Som­mer­mo­na­ten lock­te der weit­läu­fi­ge Gar­ten die Bewoh­ner mit Rasen­flä­chen, den alten Bäu­men, Blu­men­bee­ten und Gemü­se-Anpflan­zun­gen in die Natur. Auch waren die gro­ßen Süd­bal­ko­ne belieb­te Treff­punk­te. Es ent­stand eine beson­de­re Gemeinschaft.

Bei der Eröff­nung des Hau­ses stand fest, dass es zu jeder Sei­te eine Erwei­te­rung geben wird. Fünf Jah­re spä­ter, am 15.4.1907, wur­de der Erwei­te­rungs­bau mit Chor­ge­sang und einer Wei­he durch Rab­bi­ner May­baum fei­er­lich der Nut­zung über­ge­ben. Die Stif­te­rin­nen waren Mat­hil­de Pries­ter und Erna Pak­scher. Eine Beson­der­heit bestand dar­in, das auf­ge­nom­me­nen Ehe­paa­ren zwei Zim­mer zur Ver­fü­gung stan­den. Für den Arzt gab es ein eige­nes Unter­su­chungs­zim­mer. „Wir leben hier auf einer glück­li­chen Insel“, sag­te eine Bewoh­ne­rin 1935 gegen­über Hirsch­feld. Zu die­sem Zeit­punkt gab es sogar eine Biblio­thek im Haus.

Das Alters­heim wur­de allein durch wohl­tä­ti­ge Zuwen­dun­gen geführt. Es gab soge­nann­te „Zim­mer­stif­tun­gen“ was bedeu­te­te, dass dem Haus ein bestimm­ter Betrag gestif­tet wur­de, damit ein Zim­mer ver­ge­ben wer­den konn­te. Ins­ge­samt beher­berg­te das Heim 190708 cir­ca 60 Per­so­nen (Gro­ße Ham­bur­ger Stra­ße 112 Per­so­nen, Schön­hau­ser Allee 88 Per­so­nen), wäh­rend es 1910 immer­hin 98 Senio­ren und in den 1930er Jah­ren sogar 175 Per­so­nen waren. Hier wohn­ten alte Men­schen, deren Ange­hö­ri­ge sich nicht um sie küm­mern konn­ten oder die finan­zi­ell nicht in der Lage waren, einen eige­nen Haus­halt zu finan­zie­ren. Die dama­li­ge finan­zi­el­le Situa­ti­on der Alten, da es kei­ne Ren­te nach heu­ti­gen Richt­li­ni­en gab, ist mit spä­te­ren Bedin­gun­gen nicht ver­gleich­bar. Daher auch die gro­ße Dank­bar­keit der Bewoh­ner gegen­über der Mäze­nin Erna Pak­scher und den vie­len enga­gier­ten Mitarbeitern.

Sui­zi­de und Depor­ta­ti­on: Schreck­li­ches Ende nach 40 Jahren

Im Jüdi­schen Adress­buch von Ber­lin 1931 sind 42 Per­so­nen mit einer Anschrift im Alten­heim ver­zeich­net. Im Jahr 193435 wohn­ten aber rund 175 Per­so­nen in dem Heim. 1934 wur­de die Exer­zier­stra­ße zwi­schen See- und Schul­stra­ße in Per­si­sche Stra­ße umbe­nannt. Am 27. Sep­tem­ber 1935 erfolg­te eine wei­te­re Umbe­nen­nung in Ira­ni­sche Straße.

Vom 1. Janu­ar 1941 bis Ende April 1943 wur­den cir­ca 57.930 jüdi­sche Bür­ger aus Ber­lin depor­tiert, so die Sta­tis­tik des Holo­cauts. Im Früh­jahr 1943 wur­de Ber­lin als „juden­rein“ dekla­riert, sie­he DER SPIEGEL 401988. Aus den Unter­la­gen des Bun­des­ar­chivs konn­te ermit­telt wer­den, dass allein im Zeit­raum Juni und Juli 1942 aus dem Jüdi­schen Alten­heim im Wed­ding ins­ge­samt 28 Bewoh­ner nach The­re­si­en­stadt depor­tiert wur­den. Eini­ge von ihnen star­ben nach weni­gen Wochen im Ghet­to The­re­si­en­stadt, ande­re wur­den im Sep­tem­ber 1942 ins Ver­nich­tungs­la­ger Treb­linka gebracht.

Unter ihnen war der ältes­te depor­tier­te Bewoh­ner 92 Jah­re alt: Max Engel, Jahr­gang 1850, wur­de am 19.06.1942 nach The­re­si­en­stadt depor­tiert und starb am 12.07.1942 im Ghet­to The­re­si­en­stadt. Die ältes­te depor­tier­te Bewoh­ne­rin war 94 Jah­re alt: Nata­lie Hirsch­feld, Jahr­gang 1848, depor­tiert am 6.7.1942, ver­stor­ben am 28.9.1942 im Ghet­to The­re­si­en­stadt. Zwei Heim­be­woh­ner nah­men sich vor der Depor­ta­ti­on das Leben im Alten­heim. Aus dem Alten­heim müs­sen im Zwei­ten Welt­krieg min­des­tens 179 Men­schen depor­tiert wor­den sein, so die Infor­ma­ti­on von Tra­cing the Past e.V. (Stand 26.2.2021). Unbe­kannt ist, wie lan­ge die alten Men­schen im Heim wohn­haft waren. Damit zählt das Alten­heim mit zu den Orten im Wed­ding, von dem die meis­ten jüdi­schen Men­schen depor­tiert wurden.

Ber­lin-Wed­ding, Jüdi­sches Alters­heim, Ira­ni­schen Stra­ße 3, Foto: Heinz Peter Wit­ting, Ber­lin 1955; Jüdi­sches Muse­um Ber­lin, Inv.-Nr. 2003÷109÷28, Schen­kung von Heinz Peter Witting.

Das Geis­ter­haus in der Ira­ni­schen Straße

Am Ende des Zwei­ten Welt­kriegs war das Dach des Alten­heims teil­wei­se zer­stört, Fens­ter fehl­ten und die eins­ti­gen Bewoh­ner depor­tiert. Trotz­dem begann für das Haus eine neue Zeit. Es wur­de her­ge­rich­tet und wie­der als Jüdi­sches Alten­heim genutzt. Im Jahr 1980 wur­de das Haus auf­ge­ge­ben. Die reli­giö­sen Gegen­stän­de der Syn­ago­ge zogen in eine Jüdi­sche Ein­rich­tung in Char­lot­ten­burg. Das Umwelt­amt Wed­ding nutz­te ab 1980 die Räu­me in der Ira­ni­schen Stra­ße 3. Das Gebäu­de wur­de in den nächs­ten Jah­ren als Ver­wal­tungs­ge­bäu­de genutzt.

Im Haus erin­ner­te vor dem Zwei­ten Welt­krieg eine Tafel an die Grund­stücks­über­tra­gung durch die Stadt und eine an die Mäze­nin Erna Pak­scher. Im Okto­ber 2001 wur­de ent­schie­den, dass am Gebäu­de eine Gedenk­ta­fel mit der Inschrift ange­bracht wird: „Aus die­sem Gebäu­de wur­den zwi­schen 1941 und 1943 jüdi­sche Mit­bür­ger zur Ermor­dung in die Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger der Nazi-Dik­ta­tur depor­tiert“. Am 27. Janu­ar 2003 wur­de die Bron­ze­ta­fel ent­hüllt. Sie ist seit der Gebäu­de­sa­nie­rung 2015/2016 verschwunden.

Gebäude jüdischen Lebens: Jüdisches Krankenhaus
Ehe­ma­li­ges Jüdi­sches Alters­heim, heu­te Ira­ni­sche Stra­ße 3.

Sozia­ler Brenn­punkt im Kiez

Nach der Gebäu­de­sa­nie­rung gibt es heu­te ca. 60 Woh­nun­gen. Zu den Mie­tern gehö­ren in ers­ter Linie Fami­li­en aus Rumä­ni­en, aber auch Fami­li­en mit ande­rer Her­kunft. “Die rumä­ni­schen Fami­li­en stam­men alle aus der­sel­ben Regi­on und gehö­ren einer Pfingst­ge­mein­de an und sind alle­samt kin­der­reich”, so die Beschrei­bung in: „Gut leben in der Ira­ni­schen Stra­ße“. Zur Situa­ti­on heißt es: „Die Fami­li­en sind bedroht durch Kün­di­gun­gen wegen Über­be­le­gung der Woh­nun­gen. Sie sind ein­ge­schüch­tert vom Sicher­heits­per­so­nal der Haus­ver­wal­tung“. Trä­ger des Pro­jekts ist Kul­tu­ren im Kiez e.V. Unter­stüt­zung kommt vom Inte­gra­ti­ons­bü­ro des BA Mitte.

Was vor 118 Jah­ren von einer wohl­tä­ti­gen Frau initi­iert und finan­ziert wur­de, ist heu­te ein sozia­ler Brenn­punkt. Rund um das Gebäu­de liegt Abfall auf den Stra­ßen und Geh­we­gen. Es braucht eine inten­si­ve Betreu­ung, um die Situa­ti­on zu ent­span­nen. Die Insel im Grü­nen ist eben­so ver­schwun­den wie die jüdi­schen Bewoh­ner, die die Qua­li­tät der Lage und die Ver­sor­gung zu schät­zen wussten.

Wir erin­nern an die im Juni und Juli 1942 depor­tier­ten Bewoh­ner: Rebec­ca Abra­ham, Hen­ri­et­te Bern­stein, Kurt Moritz Blu­men­thal, Fan­ny Cohn, Adolf Elkan, Max Engel, Johan­na Fei­busch, Jen­ny Fried­län­der, Rosa Gabri­el, Augus­te Gei­sen­berg, Szmul Gins­berg, Lina Graetz, Salo­mon Groh­nem, Nata­lie Hirsch­feld, Richard Hirsch­son, Carl Lef­e­ber, Marie Lef­e­ber, Abra­ham Less, Moritz Less, Fröm­ma Mar­cus, Sophie Pol­lack, Salo­mon Salo­mon­sohn, Jea­nette Salo­mon­sohn, Freu­da Flo­ra Schram, Lipp­mann Schwarz, Emma See­lig (02.06.1942 Frei­tod), Mar­ga­re­te Sil­ber­mann, Ida Slu­zew­ski, Mela­nie Pan, Moritz Zan­der (01.06.1942 Frei­tod) und die vie­len ande­ren Bewoh­ner des Jüdi­schen Alten­heims im Wedding.

Lite­ra­tur: Etty Hirsch­feld (1935): Die Alters­hei­me und das Hos­pi­tal der Jüdi­schen Gemein­de zu Berlin.

Hier lag das Jüdi­sche Alters­heim:
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Zum Autor: Cars­ten Schmidt (Dr. phil.), pro­mo­vier­te am Fried­rich-Meine­cke-Insti­tut der FU Ber­lin. Sein Inter­es­sens­schwer­punkt für Stadt­ge­schich­te ver­folgt einen inter­dis­zi­pli­nä­ren Ansatz zwi­schen Gesell­schaft- und Archi­tek­tur­ge­schich­te. Er ist Autor des Buchs: Man­hat­tan Modern, Archi­tek­tur als Gesell­schafts­auf­trag und Aus­hand­lungs­pro­zess, 1929–1969, und freut sich über Anre­gun­gen und Kritik.

Carsten Schmidt

Zum Autor: Carsten Schmidt (Dr. phil.), promovierte am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin. Sein Interessensschwerpunkt für Stadtgeschichte verfolgt einen interdisziplinären Ansatz zwischen Gesellschaft- und Architekturgeschichte. Er ist Autor des Buchs: Manhattan Modern. Im Juni 2023 erschien sein neues Buch Bittersweet - Jüdisches Leben im Roten Wedding, 1871–1933 Zu finden ist er auch auf Twitter.

2 Comments Leave a Reply

  1. Mei­ne Mut­ter Mar­ga­re­te Joa­chim hat im Jüdi­schen Kran­ken­haus Ber­lin wäh­rend des Krie­ges gear­bei­tet. Nach dem Krieg als Chef­arzt­se­kre­tä­rin von Herrn Dr. Reimann.
    Ich bin 1943 gebo­ren. Herr Galin­ski hat mich auf dem Arm gehalten.
    Das jüdi­sche Kran­ken­haus war für mich ein Zuhau­se. Es ist unver­ges­sen für mich.
    Ursu­la von Stumberg

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