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Schweigeminute und stiller Feiertag

15. November 2015
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Grab von Danti dem Hund im Humboldthain
Geden­ken an Hund Dan­ti im Humboldthain.

Den Opfern der Anschlä­ge in Paris vom Novem­ber (und auch im Janu­ar) wird in offi­zi­el­len Schwei­ge­mi­nu­ten gedacht wer­den. Heu­te oder in der nächs­ten Woche. Gleich­zei­tig ist die­ser Sonn­tag und auch der fol­gen­de ein so genann­ter stil­ler Fei­er­tag. Volks­trau­er­tag und Toten­sonn­tag ste­hen im Kalen­der. Doch die Wenigs­ten wis­sen, was Volks­trau­er­tag und Toten­sonn­tag bedeu­ten sol­len, außer dass Oma davon rede­te, dass man auf den Fried­hof müs­se. Und voll­kom­men unklar dürf­te vie­len sein, war­um an die­sen Tagen kei­ne Floh­märk­te erlaubt sind. 

Her­kunft der Trau­er im November

Vor dem erschüt­tern­den Frei­tag von Paris, war für die­sen Arti­kel der Satz geplant: Ech­te Trau­er emp­fin­den etli­che Leu­te viel­leicht für den im Hum­boldt­hain erschos­se­nen Hund Dan­ti. Der Satz soll­te aus­ge­drü­cken, wie sehr die Hin­ter­grün­de der bei­den stil­len Fei­er­ta­ge am Ende des Kir­chen­jah­res in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind.

Der Volks­trau­er­tag wur­de in der Wei­ma­rer Repu­blik erfun­den und soll­te an die Gefal­le­nen des Ers­ten Welt­krie­ges erin­nern. Kriegs­op­fer waren in dama­li­ger Per­spek­ti­ve vor allem Sol­da­ten und Pathos wur­de groß­ge­schrie­ben. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten wer­te­ten den Volks­trau­er­tag zum Hel­den­ge­denk­tag und zum gesetz­li­chen Fei­er­tag auf. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­de der Volks­trau­er­tag vom Febru­ar ans Ende des Kir­chen­jah­res und damit in den Novem­ber gelegt. Gedacht wird den Toten zwei­er Krie­ge und aus­drück­lich Sol­da­ten und Zivilopfern.

Der Toten­sonn­tag wur­de in Preu­ßen erfun­den. 1816 erst bestimm­te Fried­rich Wil­helm III. die­sen evan­ge­li­schen Fei­er­tag. Erst seit die­sem Jahr hat auch die evan­ge­li­sche Kir­che ein Pen­dant zum Aller­see­len. Gedacht wird allen Verstorben.

Geset­ze in Berlin

Volks­trau­er­tag und Toten­sonn­tag sind stil­le Fei­er­ta­ge. Para­graph 3 des Ber­li­ner “Geset­zes über die Sonn- und Fei­er­ta­ge” sagt schlicht: “(1) Der vor­letz­te Sonn­tag vor dem 1. Advent ist Volks­trau­er­tag. (2) Der letz­te Sonn­tag vor dem 1. Advent ist Toten­sonn­tag.” Die Ber­li­ner “Ver­ord­nung über den Schutz der Sonn- und Fei­er­ta­ge (Fei­er­tags­schutz- Ver­ord­nung – FSchVO)” ver­bie­tet neben Tanz und Dis­co pau­schal alle Ver­an­stal­tun­gen, durch die die beson­de­re Fei­er­tags­ru­he unmit­tel­bar gestört wird. Des­halb kein Floh­markt.

Krieg und Friedensforschung

Volks­trau­er­tag und Toten­sonn­tag sind immer­hin zu einem klei­nen Rest noch Momen­te des Pau­sie­rens. Wäh­rend die Bou­le­vard­pres­se und der Papst auf­grund der aktu­el­len Bil­der aus Paris vom Krieg spre­chen, könn­ten küh­le­re Köp­fe die par­ty­frei­en (oder zumin­dest floh­markt­frei­en) Sonn­ta­ge nut­zen, um nach dem Abklin­gen des Erschre­ckens dar­über nach­zu­den­ken, wie beson­ne­ne Reak­tio­nen aus­sä­hen. Sieht man in den Anschlä­gen eine Kriegs­er­klä­rung, dann wäre jetzt die Stun­de der Frie­den­for­scher und ihrer Ant­wor­ten. Sieht man in den Anschlä­gen eine wei­te­re Ter­ror­ak­ti­on wie sie in Euro­pa seit 1945 zum All­tag gehört (Nord­ir­land-Kon­flikt, Bas­ken­land, Locker­bie), dann wäre jetzt die Stun­de der Geschichts­leh­rer; sie gäben Ant­wor­ten auf die Fra­ge, wie frü­her in ver­gleich­ba­ren Situa­tio­nen reagiert wurde.

Sicher ist, dass über­stürz­te und gefühls­ge­lei­te­te Erwi­de­run­gen nur mit einer Chan­ce von einem 1% die rich­ti­gen sind. War­um nicht zusam­men mit Oma bei der Grab­pfle­ge in Ruhe nach­den­ken. Auf dem Fried­hof las­sen sich viel­leicht die wei­ses­ten Ant­wor­ten für das Leben finden.

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Text und Foto: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

2 Comments Leave a Reply

  1. Ja, ich fän­de es auch sehr wich­tig, dass sich die Frie­dens­for­scher zu Wort mel­den. Viel­leicht wäre es auch Zeit für einen Frie­dens­mi­nis­ter in jeder Regie­rung. Soweit ich als Geschicht­selh­re­rin es beur­tei­len kann, wer­den und wur­den Krie­ge immer um Res­sour­cen geführt, es geht also immer um Besitz, Macht, Pres­ti­ge usw. Man muss also den Schluss zie­hen, dass die Men­schen noch nicht fähig sind, sich als Gemein­schaft zu begrei­fen, die gegen­sei­tig für sich sorgt. Da jeder ein­zel­ne ja immer nur rela­tiv kurz lebt, ist eine lang­fris­ti­ge Sicht nötig, damit nicht jeder des ande­ren Wolf sein muss. (Ist aber bestimmt nicht einfach)

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