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“Spurensuche Kolonialer Sprengelkiez” – deutscher Kolonialismus in Samoa und China

26. Juni 2020
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Spren­gel-/Sa­mo­a­stra­ße

War­um gibt es im Wed­ding eine Samo­a­stra­ße und einen Pekin­ger Platz? Aktu­ell wird in den Medi­en viel über deut­schen Kolo­nia­lis­mus und Ras­sis­mus debat­tiert. Daher lud das Inter­kul­tu­rel­le Gemein­we­sen­zen­trum „Spr­en­gel­haus“ in der Spren­gelstra­ße 15 am 17. Juni zur Füh­rung “Spu­ren­su­che Kolo­nia­ler Spren­gel­kiez” ein. Unse­re Autorin war mit von der Partie.

Kaiserreich wollte mit Kolonialmächten gleichziehen

Kolonialer Straßenname Kiautschoustraße
Kiautschou­stra­ße

Etwa ein Dut­zend Per­so­nen waren gekom­men, um sich beim His­to­ri­ker Ste­fan Zoll­hau­ser über die loka­le Erin­ne­rungs­kul­tur zum deut­schen Kolo­nia­lis­mus in der Pazi­fik­re­gi­on zu infor­mie­ren. Die ers­te Sta­ti­on war die Stra­ßen­kreu­zung Samoastraße/Kiautschoustraße. Die Akti­vi­tä­ten des Deut­schen Rei­ches auf der Süd­see­insel­grup­pe Samoa und in Ost­asi­en sei­en, so Zoll­hau­ser, noch längst nicht so bekannt wie die in Afri­ka und wür­den daher kaum the­ma­ti­siert. „Deutsch-Samoa“ war zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts eine deut­sche Kolo­nie im west­li­chen Teil der Samoa­in­seln. Die Insel­grup­pe liegt mit­ten im Pazi­fik zwi­schen Aus­tra­li­en und dem ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent. Die deut­schen Kolo­ni­al­ak­ti­vi­tä­ten hat­ten wirt­schaft­li­che Grün­de. Denn die deut­sche Regie­rung hoff­te (letzt­lich ver­geb­lich), arme aus­wan­de­rungs­wil­li­ge Deut­sche dazu zu bewe­gen, im kli­ma­tisch ange­neh­men Samoa zu sie­deln, statt in die USA zu emi­grie­ren. Auch Pres­ti­ge und Macht­po­li­tik spiel­ten eine Rol­le. Das deut­sche Kai­ser­reich woll­te als Kolo­ni­al­macht mit ande­ren euro­päi­schen Staa­ten gleich­zie­hen. Deut­sche Kolo­ni­al­be­am­te, Kauf­leu­te und Mis­sio­na­re woll­ten die ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rung vor allem zur pro­fit­ori­en­tier­ten Arbeits­kul­tur – auch gegen deren Wil­len – „erzie­hen“, um den Anbau land­wirt­schaft­li­cher Pro­duk­te wie Bana­nen, Kaf­fee oder Tabak sicher­zu­stel­len. Die Bezie­hung zwi­schen Deut­schen und Samo­an­ern war durch Ras­sis­mus geprägt. Die Euro­pä­er fühl­ten sich den Insel­be­woh­nern in jeder Hin­sicht über­le­gen. Ihr Ras­sis­mus zeig­te sich bei­spiels­wei­se dar­in, dass „Ein­ge­bo­re­ne“ nach Deutsch­land gebracht und in soge­nann­ten „Völ­ker­schau­en“ vor­ge­führt wur­den. In der Kolo­nie „Kiautschou“ an der chi­ne­si­schen Ost­küs­te rich­te­te das deut­sche Kai­ser­reich Ende des 19. Jahr­hun­derts einen Flot­ten­stütz­punkt für die kai­ser­li­che Mari­ne ein. Im Süden des Gebie­tes wur­de eine gan­ze Stadt mit Namen Tsingtau neu erbaut – der euro­päi­sche Stadt­teil erhielt Gebäu­de in einem monu­men­ta­len, soge­nann­ten wil­hel­mi­ni­schen Bau­stil. Das Tsingtao-Bier erin­nert noch heu­te an die Stadt.

Virchow sammelte auch Schädel

Pekin­ger Platz

An der Stra­ßen­kreu­zung „Samoastraße/Kiautschoustraße“ liegt die klei­ne Grün­an­la­ge „Pekin­ger Platz“. Weder hier noch bei den bei­den Stra­ßen­schil­dern gibt es Erklä­run­gen, bei­spiels­wei­se auf Tafeln, zur kolo­nia­len Ver­gan­gen­heit Deutsch­lands im Pazi­fik und in Chi­na. Das Schild vor dem „Pekin­ger Platz“ behan­delt die im Park nis­ten­den Vogel­ar­ten. Der Name des Plat­zes, so Zoll­hau­ser, soll an die Nie­der­schla­gung des soge­nann­ten „Boxer­auf­stan­des“ erin­nern. Gemeint ist der Krieg zwi­schen Chi­na und den Kolo­ni­al­mäch­ten, dar­un­ter Deutsch­land, in den Jah­ren 1900/1901. Anläss­lich der Aus­schif­fung deut­scher Trup­pen nach Ost­asi­en gab Kai­ser Wil­helm II. die berüch­tig­te Anwei­sung „Par­don wird nicht gege­ben! Gefan­ge­ne wer­den nicht gemacht!“.

Robert-Koch-Insti­tut

Am Nord­ufer ent­lang ging es zur nächs­ten Sta­ti­on, dem Robert-Koch-Insti­tut. Der Medi­zi­ner und Nobel­preis­trä­ger Koch (1843−1910) hat nicht nur den Tuber­ku­lo­se­er­re­ger ent­deckt und die Mikro­bio­lo­gie mit­be­grün­det. Er hat auch in „Deutsch-Ost­afri­ka“ an Ein­hei­mi­schen, die an der Schlaf­krank­heit lit­ten, Medi­ka­men­te getes­tet, obwohl ihm die schäd­li­chen Neben­wir­kun­gen des ver­ab­reich­ten Mit­tels bekannt waren. Für die Kolo­nia­lis­ten stand jedoch die Auf­recht­erhal­tung der Arbeits­kraft der afri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung in der Land­wirt­schaft im Vor­der­grund. Über die Föh­rer Stra­ße ging es zur Amru­mer Stra­ße. Wir erreich­ten hier die letz­te Sta­ti­on der Füh­rung: das Virch­ow-Kli­ni­kum der Cha­ri­té. Rudolf Virch­ow (1821−1902) mach­te nicht allein Bak­te­ri­en für Krank­hei­ten ver­ant­wort­lich, son­dern zeig­te auch sozia­le Ursa­chen von Krank­hei­ten auf, bei­spiels­wei­se unhy­gie­ni­sche, beeng­te Wohn­ver­hält­nis­se und die Gesund­heit beein­träch­ti­gen­de Arbeits­be­din­gun­gen. Der Arzt war ein begeis­ter­ter Samm­ler von mensch­li­chen Schä­deln und Ske­let­ten aus den Kolo­ni­al­ge­bie­ten. An den mensch­li­chen Über­res­ten woll­te er die Ent­wick­lung vom „Natur­men­schen“ zum „Kul­tur­men­schen“ erfor­schen. Ethi­sche Fra­gen stell­ten sich ihm nicht – auch wenn er erfuhr, dass Schä­del heim­lich aus Grä­bern ent­wen­det wor­den waren. Die Aus­füh­run­gen des Refe­ren­ten mach­ten ein­dring­lich klar, wie wich­tig ist es, sich mit deut­schem Kolo­nia­lis­mus und Ras­sis­mus auseinanderzusetzen.

Quel­len: Ste­fan Zoll­hau­ser, https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Samoa https://de.wikipedia.org/wiki/Kiautschou https://de.wikipedia.org/wiki/Boxeraufstand  https://de.wikipedia.org/wiki/Tsingtao_(Brauerei)  https://www.welt.de/geschichte/article207078959/Seuchen-Robert-Koch-nahm-schwerste-Nebenwirkungen-hin.html  https://www.deutschlandfunk.de/koloniale-skelettsammlungen-leichen-im-keller.740.de.html?dram:article_id=315706  https://www.planet-wissen.de/geschichte/nationalsozialismus/nationalsozialistische_rassenlehre/pwierudolfvirchowmedizineranthropologeethnologe100.html

 

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2 Comments Leave a Reply

  1. Das wäre ja schön gewe­sen, wenn man auf irgend­ei­ne Art und Wei­se von die­ser Füh­rung erfah­ren, und die Mög­lich­keit zur Teil­nah­me bei die­sem inter­es­san­ten The­ma bestan­den hätte.

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