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Wirbel um Anpassung eines Leitfadens durch den Senat:
Noch mehr Spielstraßen - oder weniger?

14. Februar 2024

Die Nachricht beginnt ganz nüchtern: Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt überarbeitet gerade ihren Leitfaden für die temporären Spielstraßen. Diese unspektakulär klingende Meldung hat in den vergangenen Wochen für großen Wirbel und für Verunsicherung bei den ehrenamtlichen Initiativen gesorgt, die die Aktionen organisieren. Auch Weddinger Teams hatten die Befürchtung, dass der Senat ihnen mit der auf dem Tisch liegenden Anpassung sozusagen an die Spielstraße will. Es folgten E-Mail-Aktionen, Pressemitteilungen und ein Gespräch mit der zuständigen Senatsverwaltung. Hier sind das Problem, die Standpunkte und die Lösung zusammengefasst.

temporäre Spielstraße in der Glasgower Straße (C) Martina Özdemir
Temporäre Spielstraße in der Glasgower Straße. Foto: Martina Özdemir

Das Problem

Auf dem Tisch lag der Vorschlag, dass sich die Grundlage für die Genehmigung von temporären Spielstraßen ändern sollte. Das Bündnis Temporäre Spielstraßen teilte Ende Januar alarmiert mit: „Die Bezirke sollen sie (die temporären Spielstraßen) fortan nur noch genehmigen dürfen, wenn sie als Veranstaltung im Sinne eines Straßenfestes beantragt werden.“ Das sei „in der Praxis nicht machbar“. Das Bündnis verwies unter anderem auf einen höheren Aufwand für die ehrenamtlichen Spielstraßen-Teams, auf höhere Kosten und befürchtete sogar das Aus für diese Projekte. Gabi Jung vom Bündnis erläuterte: „Ein Straßenfest zu beantragen, war schon immer möglich, wird aber von privaten Nachbarschaftsinitiativen nie gemacht, da Aufwand, Kosten und Verantwortung viel zu hoch sind. Eine wöchentliche Regelmäßigkeit ist damit erst recht nicht denkbar. Doch vor allem ist der Grundgedanke eben ein anderer: Während bei einer Veranstaltung die Straße privatisiert wird, ist sie bei einer temporären Spielstraße nach wie vor öffentlicher Raum, wie ein Park oder ein Spielplatz.“

Zur Verdeutlichung stellte das Bündnis Temporäre Spielstraßen in einem Dokument die Unterschiede gegenüber, die sich aus der unterschiedlichen Genehmigungsgrundlagen ergeben: Unterschied Straßenfest/Spielstraße

Straßenschild temporäre Spielstraße in der Glasgower Straße (C) Martina Özdemir
Temporäre Spielstraße in der Glasgower Straße. Foto: Martina Özdemir

Der Standpunkt der Senatsverwaltung

Auf Anfrage des Weddingweisers bekräftigte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt gestern (13.2.), dass sie weiterhin temporäre Spielstraßen in Berlin unterstützt. „Es stehen hierfür in diesem und im kommenden Jahr die erforderlichen Mittel im Doppelhaushalt zur Verfügung. Damit sind regelmäßig stattfindende temporäre Spielstraßen über den Sommer gesichert“, heißt es aus der Senatsverwaltung.

Mit dem aktualisierten Leitfaden sollen demnach „temporäre Spielstraßen langfristig für Berlin gesichert werden. Im Zuge dessen stimmt sich die Senatsverwaltung mit Bezirken ab und beachtet wesentliche Hinweise“. So werde im Leitfaden künftig auch die Möglichkeit der Durchführung einer temporären Spielstraße als Veranstaltung betrachtet. Diese Option habe es bisher nicht gegeben. Die Senatsverwaltung schreibt, dass damit „eine weitere Variante hinzugefügt“ werde. „Eine Vorgabe, dass Spielstraßen nur als Veranstaltungen durchzuführen sind, besteht auch künftig nicht“, heißt es.

Das Bündnis Temporäre Spielstraßen reagierte auf die Erklärung mit Erleichterung. Diese zusätzliche Option werde zwar als Rückschritt gewertet, man sei „aber gleichzeitig erleichtert, dass das Projekt nun doch weitergeführt werden kann“ und werde alles dafür tun, „dass es auch in Zukunft viele fröhliche temporäre Spielstraßen in den Berliner Kiezen gibt!“

Spielstraße im Soldiner Kiez. Foto: QM Soldiner Straße

Der Standpunkt des Bezirks Mitte

Ob und wie temporäre Spielstraßen genehmigt werden, liegt demnach künftig in der Hand der Bezirke. Jene, die Spielstraßen offen gegenüber stehen, bleibt die bisherige Praxis einer vereinfachten Genehmigung. Jenen, die Spielstraßen-Projekte eher vermeiden möchten, kann die veränderte Richtlinie dabei helfen, solche Projekte abzuwehren.

Wie sieht das im Bezirk Mitte aus? Auf Anfrage des Weddingweisers erklärt das Bezirksamt: „Eine offizielle Bestätigung für die Rücknahme des Leitfadens kennen wir noch nicht. Der Bezirk teilt aber die Sorge des Bündnisses Temporäre Spielstraßen. Das Bündnis hat hervorragende Arbeit geleistet und als Koordinierungsstelle und zentrale Ansprechperson bezirksübergreifend für mehr Spielstraßen und so mehr Sicherheit auf den Straßen Berlins beigetragen. Die temporären Spielstraßen konnten mit dieser Unterstützung durch private Initiative umgesetzt werden.“

Das Bezirksamt schreibt weiter: „Falls der (bisherige – Anm. d. Redaktion) Leitfaden tatsächlich zurückgezogen wird und Temporäre Spielstraßen nur noch als Veranstaltung genehmigt werden können, bräuchte jede Spielstraße einen antragstellenden Veranstalter. Das macht die Einrichtung von Spielstraßen nicht unmöglich, aber wesentlich schwieriger für die Initiativen vor Ort in den Kiezen und zudem teuer.“

temporäre Spielstraße in der Glasgower Straße (C) Martina Özdemir
Temporäre Spielstraße in der Glasgower Straße. Foto: Martina Özdemir

Bezirksstadträtin Dr. Almut Neumann (Grüne) erklärt dazu: „Das Straßen- und Grünflächenamt und ich als Stadträtin werden alles dafür tun, dass es in Mitte auch zukünftig Temporäre Spielstraßen geben wird. Gerade in unserem dicht besiedelten Bezirk ist jeder Platz zum Spielen willkommen.“ Temporäre Spielstraßen zeigten, wie man die Straße auch nutzen kann, „nämlich als Ort, wo Kinder sich gemeinsam ausprobieren können, wo Nachbarn ins Gespräch kommen und sich ein Kiezleben entfalten kann“. Weiter heißt es von Frau Dr. Neumann: „Ich wünsche mir, dass sich in noch mehr Straßen in Mitte Menschen finden, die eine temporäre Spielstraße ausprobieren möchten.“ Demnach ist also davon auszugehen, dass der Bezirk die bisherige Genehmigungspraxis auch trotz eines geänderten Leitfadens des Senats beibehalten wird.

Spielstraßen in Berlin

Bis 2018 gab es in Berlin keine einzige temporäre Spielstraße. Erst 2019 begannen Initiativen aus der Nachbarschaft in einem Kreuzberger Kiez, eine Straße an einem Tag für ein paar Stunden für den normalen Verkehr zu sperren und zum Spielen für Kinder freizugeben. Die ersten Spielstraßen im Wedding gab es 2020: auf Teilstücken der Antwerpener Straße und der Freienwalder Straße. Im vergangenen Jahr wurden berlinweit in 57 Straßen temporäre Spielstraßen eingerichtet. Der Wedding war mit zehn Straßenabschnitten dabei. Die Zahlen stammen vom Bündnis für Temporäre Spielstraßen. In der Zwischenbilanz für die Jahre 2019 bis 2023 kann die Vervielfältigung der Projekte nachvollzogen werden.

Eine Übersicht über die Spielstraßen in Berlin von 2019 bis 2023. Grafik: Bündnis Temporäre Spielstraßen
Eine Übersicht über die Spielstraßen in Berlin von 2019 bis 2023. Grafik: Bündnis Temporäre Spielstraßen

Spielstraßen im Wedding

Im Wedding gibt es verschiedene Spielstraßenprojekte, die sehr unterschiedlich zustande gekommen sind. Ein noch neues Projekt ist das Spielstraßenprojekt aus der Glasgower Straße. Hier wurde im vergangenen Jahr von Anwohnerinnen erstmals eine Spielstraße eingerichtet. Für dieses Jahr hat sich das Team vorgenommen, die Straße einmal im Monat zum Spielen umzunutzen. Mehr dazu steht im Beitrag Mehr Spielstraßen im Wedding voraus! vom 7. Januar. Darüber hinaus gibt es zwei Quartiersmanagement-Projekte, die regelmäßig Spielstraßen einrichten. Unter dem Titel „Temporäre Spiel- und Nachbarschaftsstraßen“ ist die stadt.menschen.berlin GmbH noch bis Ende 2025 im Antonkiez aktiv, bisher wurde die Plantagenstraße zeitweise zur Spielwiese. Gefördert wird das vom Quartiersmangement Pankstraße. Auch im Gebiet Soldiner Straße gibt es ein solches Projekt: „Reallabor Temporäre Spielstraße II“. Noch bis Ende 2025 funktioniert hier der Stiftung Freizeit e.V. verschiedene Straßen zur Spielstraße um, zum Beispiel die Kattegatstraße oder die Freienwalder Straße.

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