Der “Dorfplatz” hat einen Treffpunkt
Als ich recht früh am Morgen vor dem imposanten Turm der Stephanuskirche im Soldiner Kiez ankomme, ist Mario Freiherr schon umtriebig in der „Speisekammer“ am Werkeln. „Ich habe noch einiges bis heute Abend vorzubereiten“, denn am Abend steigt ist eine Wahlveranstaltung vor der Kirche. Mario hat sich bereit erklärt, für das leibliche Wohl zu sorgen. Bevor wir uns im kleinen Garten, der direkt an und hinter den Wagen angrenzt, setzen, macht uns Mario noch schnell zwei Milchkaffee, den es auch mit Hafermilch gibt.
Eröffnet hat Mario die „Speisekammer“ im April 2019. Viele Jahre galt der kleine Vorplatz, der von den Kiezbewohner*innen auch liebevoll Dorfplatz genannt wird, als einer der konfliktträchtigsten und dreckigsten Ecken im Gesundbrunnen. Als illegaler Müllabladeplatz (das Müllmuseum hat nicht zufällig seine Räumlichkeiten im Seitentrakt der Kirche aufgeschlagen), als Autoabstellplatz, gar als „öffentliche Toilette“ wurde der Platz vor der Kirche genutzt. In den vergangenen Jahren gab es immer mal wieder Versuche seitens des QMs Soldiner Kiez sowie durch Anwohner:innen-Initiativen, das zu ändern. So richtig Erfolg zeigten diese Bemühungen bis dato aber nicht. Umso erstaunlicher, dass es Mario trotz der lärmenden Prinzenallee in wenigen Monaten gelungen ist, den Vorplatz in eine kleine Oase zu verwandeln, die zum Verweilen einlädt. Auch für Mario ist es „hier ein bisschen wie auf dem Dorf“, schließlich kämen hier alle doch irgendwann mal vorbei und damit meint Mario, wie er deutlich betont: „Alle!“. Denn der Discounter Penny, der Zeitungs-und Tabakwarenladen, die Kiezapotheke „Heinrich Zille“ und die Bushaltestelle der legendären Wedding-Linie M 27 liegen in Marios täglichem Blickfeld.
Auch die Nachbarschaft hat sich verändert. So sei es in den vergangenen Jahren doch bemerkbar „Prenzelberg-stylischer“ geworden, meint Mario. Erfreut zeigt er sich aber vor allem darüber, dass auch deutlich zunehmend die alteingesessene Nachbarschaft sich gerne mal ein Eis vor Ort gönne. Die Menschen erlebe er hier als sehr offen und freundlich, aber natürlich würde es auch immer ein paar Spielverderber geben, sagt Mario und schaut vielsagend. Im November 2019 war das etwa die Denkmalschutzbehörde des Bezirkes. Diese war der Meinung, dass die Speisekammer die Sicht auf den fast 80 Meter hohen Kirchturm massiv beeinträchtige. Nach öffentlichen Protesten und einem offenen Appell des Quartiersrates an den bezirklichen Denkmalschutz hat das Amt „Gnade vor Baudenkmal“ walten lassen. In den kommenden Jahren steht sowieso erst einmal die seit langem überfällige Sanierung der Kirche an. Solange hat die Speisekammer vorläufig Ruhe. „Danach“, so Mario, „müsse man weiter schauen“. Auch die ehemalige Pfarrerin, Veronika Krötke, unterstütze die Speisekammer öffentlich und befand, dass Platz durch die Speisekammer deutlich gewönne.
Im Sommer Eis, im Winter Waffeln
Nicht selten landet man etwa Freitag nachmittags mit seinem Eis vor der „Speisekammer“, kommt dort mit den Leuten auf dem Platz ins Gespräch und wirft auch mal einen Blick in das Kircheninnere mit seiner neogotischen Backsteinarchitektur. Überhaupt klappe die Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde “An der Panke” recht gut, etwa bei der Nutzung des Gartens für Veranstaltungen hinter der Kirche oder etwa bei der Veranstaltung „Orgel mit Biss“. Auf Grund von Corona gibt es jetzt eben Eis zur Orgelmusik“. Denn Eis spielt eine ganz zentrale Rolle für die Speisekammer: Das Eis wird tagesfrisch in der Eismaschine hergestellt. Neben klassischem Milcheis gibt es zahlreiche Sorbet-Sorten. Die Zutaten bezieht Mario überwiegend von regionalen Biolandwirten. Wer einmal das seltene Glück hatte, die Sorte „Landgurke“ schlecken zu dürfen, der merkt sofort, dass Marios Eis prima ohne Kristallzucker, Geschmackverstärker, sämtlichen E‑oder ähnlichen Zusatzstoffen auskommt. Eisspezialitäten würde es wieder bis Weihnachten geben und das natürlich mit den superleckeren Weihnachtseissorten wie zum Beispiel Zimtspekulatius.
Zu Weihnachten wird die Speisekammer auch gerne von Mario festlich dekoriert. Während der kalten Jahreszeit bietet die Speisekammer Crêpes und belgische Waffeln an. Kaffeespezialitäten gibt es in der Speisekammer dagegen das ganze Jahr. Im Sommer natürlich auch einen perfekten Eiskaffee zur Abkühlung. Auch wer schnell einmal ein frisches Brot braucht, wird bei der Speisekammer fündig. Mario bietet jeden Tag verschiedene frisch gebackene Vollkornbiobrote der Berliner ufaFabrik an.
Wer also schon einmal an der Speisekammer vorbeigekommen ist – und das dürften zumindest im Soldiner Kiez alle gewesen sein – sollte auf jeden Fall einen Zwischenstopp einlegen und einen kleinen Plausch mit Mario führen. Denn dafür ist, solange die Schlange nicht allzu lang ist, bei Mario immer Zeit.
Text/Fotos: Michael Stamm
Prinzenallee 39⁄40,13359 Berlin (Auf dem Vorplatz vor der Stephanuskirche)
Mo/Di, Do-Sa. 14 – 20 Uhr, So. 14.00 – 18.00 Uhr
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