Unscheinbar, überbaut, keine Einbindung in die übrige Innenstadt – so lieblos zeigt sich der Lauf der Panke auf ihren letzten Metern. Aber nicht nur Weddings einzigem richtigen Fluss, sondern der ganzen Gegend ist durch Kriege und den Mauerbau übel mitgespielt worden. Die dichte Bebauung von einst ist zwar unwiederbringlich verloren, aber die vielen kleinen und großen Sehenswürdigkeiten lohnen trotzdem einen Spaziergang pankeaufwärts.
Anfang des 18. Jahrhunderts, als der preußische König Friedrich I. (1657 – 1713) eine schiffbare Verbindung zwischen seinen Schlössern Charlottenburg und Schönhausen verlangte, begann man in diesem Bereich mit dem Bau von Wasserstraßen. Der Weg zu Wasser war für den König bequemer als die Landstraße. Dazu ließ er von der Spree aus, auf Höhe des heutigen Hauptbahnhofs, den Schönhauser Graben anlegen. Nach etwa zwei Kilometern traf der Graben auf Höhe der Schönwalder Straße im Wedding auf das Bett des Panke-Flusses. Trotz der Vertiefung der Panke durch mehrere Wehre ist die Schiffbarmachung bis Schönhausen nie fertiggestellt worden, da das königliche Interesse am Schloss Schönhausen bald nachließ. Dennoch spielt der Graben heute in zweierlei Hinsicht eine bedeutende Rolle: zum einen stellte sein Südteil den südöstlichen Abschnitt des Kanals dar, der 1848–59 angelegt und 1910–16 für größere Schiffe vertieft wurde. Zum anderen bildet das 450 Meter lange Verbindungsstück zwischen dem heutigen Kanal und dem natürlichen Pankebett heute den Unterlauf des Flüsschens. Doch was ist mit dem ursprünglichen Flussbett der Panke passiert, das noch bis zum Bahnhof Friedrichstraße reichte und dort direkt in die Spree mündete? Der alte Pankearm wurde zuerst größtenteils verrohrt und ist später durch den Mauerbau an der Chausseestraße ganz vom Fluss abgetrennt worden. Er wird seit 1990 Stück für Stück wieder freigelegt.
Wanderung von der Pankemündung flussaufwärts
An der Stelle, wo der Schiffahrtskanal das für den Schönhauser Graben ausgehobene Flussbett verlässt und nach Nordwesten abknickt, mündet heute die Panke in ein Vorbecken des Nordhafens. Von diesem etwas unwirtlichen letzten Abschnitt des über 30 km langen Flusses sollte man sich nicht abschrecken lassen – abgesehen von diesen 450 Metern liegt die Panke heute überall frei. Der Park zwischen dem Pankemündungsbecken und der Sellerstraße wurde 2009 neu gestaltet und zeigt sich dem Betrachter jetzt als sehr moderne Grünanlage mit verschiedenen Terrassen. Zwei überdimensionale Schaukeln stellen einen sehr spartanisch gestalteten Spielplatz dar. Auf der anderen Seite des Vorbeckens sind moderne Reihenhäuser mit teuren Wohnungen entstanden.
Insgesamt ist die städtebauliche Situation reichlich konfus – man glaubt kaum, dass man sich inmitten der größten Stadt Deutschlands befindet. Der Hauptgrund für diese eigenartige Randlage war natürlich der Verlauf der Berliner Mauer, der diesen zentralen Bereich an „das Ende der Welt“ katapultierte. Wer die Promenade am Kanal aus Richtung Hauptbahnhof entlangläuft, kann an der Kieler Straße noch einen Wachturm der DDR-Grenzsicherungsanlagen entdecken. Schaut man jedoch auf der kleinen Holzbrücke Richtung Nordosten, erkennt man hinter dem Erika-Heß-Eisstadion den Standort des Pharmaunternehmens Bayer. In dieser innerstädtischen und zugleich peripheren Lage hatte dieses als Schering AG einstmals bedeutende Berliner Unternehmen bis vor ein paar Jahren seinen Stammsitz. Vorne links kann man das Abspannwerk Scharnhorst (1929) nicht übersehen, ein Baudenkmal mit expressionistischen Formen aus gelbem Klinker. Ursprünglich saß in dem Glasturm auf dem Dach ein Wärter, der zu entscheiden hatte, wann die Berliner Straßenbeleuchtung ein- und auszuschalten war. Wer dem Pankelauf folgen möchte, sollte dem Berliner Mauerweg die Boyenstraße links folgen, bis man auf die Müller-/Chausseestraße stößt. Man hat hier in den 1980er-Jahren ein hässliches Wohnhaus direkt über die Panke gebaut (direkt unter dem Häuserriegel gibt es sogar eine kleine „Pankebrücke“). Hier hat bis in die 1970er Jahre noch ein großes Hertie-Kaufhaus gestanden, dem aber die ungünstige Lage an der Mauer zum Verhängnis wurde.
Durch den Südpankepark
Wir halten uns jedoch rechts, wo wir sogleich auf den Südpankepark stoßen. An der Ecke Chausseestr./Liesenstr. befand sich ab Dezember 1963 die erste Grenzübergangsstelle für West-Berliner. Dies war nach dem Passierscheinabkommen nur für zwei Wochen möglich, wurde aber gleich von 700.000 Berlinern genutzt, die ihre Ost-Berliner Verwandten seit August 1961 nicht mehr sehen konnten. Auf der Fläche des ehemaligen Grenzübergangs befindet sich heute eine Rauminstallation von Karla Sachse: 120 Silhouetten von Kaninchen sind in den Boden eingelassen. Man muss genau schauen, bis man die Umrisse der kleinen Nager im Teer, zum Beispiel des Bürgersteigs finden kann. Doch zurück in den Park. Dieser wurde in den 1950er Jahren auf dem Gelände einer Brauerei errichtet. Hier floss einst die alte Panke, deren Altarm unter dem Park in Rohre verlegt wurde. Bis 1868 befanden sich hier das Ausflugslokal und die Flussbadeanstalt des Gastwirts Liese, nach dem die Liesenstraße benannt ist. Im Park, noch nah an der Liesenstr., steht eine Kalksteinskulptur („Wiedervereinigungsdenkmal“) von Hildegard Leest aus dem Jahr 1962.
Am nördlichen Ende des Parks erkennt man links ein rundliches Gebäude, die Rechenanlage an der Schulzendorfer Straße. In dieser automatischen Anlage wird nicht nur Unrat aus der Panke gefischt: hier verzweigt sich auch die Panke in ihren Altarm und den heutigen Mündungsarm. Man erkennt deutlich den runden Rohreingang, durch den das Wasser in den alten Pankearm geleitet werden kann. Dafür muss allerdings ein sogenanntes Schlauchwehr aktiviert werden: der Schlauch staut das Wasser an, und erst dann läuft die Panke über in das Rohr des Altarms.
Die Walter-Nicklitz-Promenade
Ab hier kann man immer am Wasser entlang den Grünzug gehen, der hier in den 1950er Jahren mit Mitteln des Marshall-Plans angelegt wurde. Der Grünzug wurde nach Walter Nicklitz, einem Baustadtrat des Bezirks Wedding, benannt. Das Erscheinungsbild der einstmals unzugänglichen Vorkriegs-Panke ist hier vollständig verloren gegangen – nichts erinnert mehr an die dichte Mietskasernenbebauung, die die Panke in einem engen Bett zwischen den Hinterhöfen durchfloss. Durch diese schlechte Einbindung in die Stadt, verbunden mit der starken Verschmutzung des Flusses, entstand der Ausdruck Stinkepanke, mit dem das Gewässer viele Jahre belegt wurde. Heute ist durch die Regulierung und die grüne Umgebung der Panke schwer vorstellbar, dass das bei einem Hochwasser stark angeschwollene Gewässer 1888 das Fundament eines Hinterhauses an der Schulzendorfer Straße mit sich riss. Doch auch in heutiger Zeit kann die Panke über die Ufer treten, nach Starkregen in nur wenigen Minuten, und große Schäden anrichten.
Ein kleines Wehr unter der reich dekorierten Schönwalder Straßenbrücke bringt ein wenig Abwechslung in die nicht sehr naturnah gestaltete Panke. Ursprünglich erfolgte die Teilung der Panke in den alten Mündungsarm bzw. in den Schönhauser Graben erst an dieser Stelle. Später wurde der Abzweig weiter südlich verlegt. Die auf der linken Seite befindliche Kunkelstraße war ursprünglich doppelt so breit. Sie wurde für die Anlage des Grünzuges halbiert. Hinter der hübschen Schönwalder Straßenbrücke kann man auf der rechten Flussseite das Haus Bottrop ausmachen – es erinnert an die Städtepartnerschaft des Wedding mit der Ruhrgebietsstadt. An der Gerichtstraße gibt es mehrere Möglichkeiten, einzukehren: Im Café des Schicksals, im Sotto oder im Mirage.
Nach Überquerung der Gerichtstraße ändert sich das Bild der Panke aber dramatisch: zwischen Fabrikgebäuden in einem rot eingemauerten Kanal eingeklemmt, wird das Flüsschen hier windungsreicher. Dieser erst 2006 angelegte Lückenschluss bietet auf engstem Raum eine Fußgängerbrücke und eine Hausdurchfahrt durch einen Gewerbehof, eine ehemalige Wäschefabrik. Auf der rechten Seite erkennt man die pittoreske Ruine der „Wiesenburg”. Dabei handelt es sich weder um eine Fabrik, wie man vermuten könnte, noch um eine Burg – sondern um ein ehemaliges Obdachlosenasyl aus dem Jahr 1896 (Männerasyl) bzw. 1907 (Frauenasyl). Das Besondere an diesem Obdachlosenasyl war, dass man für eine Nacht anonym bleiben konnte und nicht christlich missioniert wurde. Sogar der „Hauptmann von Köpenick“ und der Schriftsteller Hans Fallada haben (sicher eher unfreiwillig) hier genächtigt. Das romantisch-verfallene Ensemble diente auch als Filmkulisse, z.B. für den Film „Die Blechtrommel“. In den nächsten Jahren baut der neue Eigentümer, die DEGEWO, dort Wohnhäuser, der morbide Charme wird zum Teil verschwinden.
Kurz vor der Ringbahnbrücke kann man sogar hinabsteigen zur munter plätschernden Panke und fast schon vergessen, dass man sich mitten in einer Großstadt befindet. Hier ist eine kleine Aue entstanden. Das ganze Areal ist übersät mit sehenswerter Street Art an den Mauern und Wänden. Nach Unterquerung der Ringbahnbrücke, die bei ihrem Wiederaufbau Anfang des 21. Jahrhunderts eine unschöne Lärmschutzwand erhielt, gelangt man an die Pankstraße. Auf der rechten Seite befindet sich die Herbert-Hoover-Schule, einst das erste Weddinger Gymnasium. Das von Stadtbaumeister Blankenstein 1884–87 errichtete Gebäude besitzt eine klassisch anmutende Backsteinfassade mit einem farbigen Fries.
Dankeschön für diese interessante Information. Ich bin zwar im Wedding geboren und aufgewachsen, weiß aber sehr viel nicht. Es freut mich, daß ich neue Dinge über den Wedding erfahre.