Mit der in Trippelschritten voranschreitenden Berliner Verwaltung lässt sich eine wachsende Stadt nicht mehr sinnvoll planen, damit ihre Infrastruktur den neuen Bedürfnissen genügt. Das zeigte sich in der Vergangenheit am Chaos in den Bürgerämtern, an fehlenden Grundschulplätzen oder beim Flüchtlingsandrang vor dem Lageso. Auch die U‑Bahn platzt infolge Wagenmangels und steigender Fahrgastzahlen aus allen Nähten. Kein Wunder, dass immer mehr genervte Berliner aufs Rad umsteigen; auch Neubürger und Touristen haben dieses Verkehrsmittel für sich entdeckt.
Die Infrastruktur von Radwegen, Abstellplätzen und Busspuren ist an vielen Stellen auf die Menge an Radfahrern nicht eingestellt. Das ist der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und den meisten Bezirken bewusst, doch es fehlt an Planern und am ausreichend starken Willen, wenigstens die im Haushalt eingeplanten Mittel auch tatsächlich für den wachsenden Fahrradverkehr auszugeben. Immer neue Initiativen von Bürgern schießen wie Pilze aus dem Boden und treiben die Politik vor sich her. Sei es der Vorschlag, die Stammbahntrasse als Radschnellweg im Südwesten zu reaktivieren, unter der Hochbahn in Kreuzberg eine überdachte Radroute anzulegen oder die Initiative für einen Volksentscheid Fahrrad: die Berliner Verwaltung muss schneller werden, sinnvolle zusammenhängende Routen aus dem Bündel von lauter kleinen Maßnahmen schaffen und die Sicherheit für Radler spürbar erhöhen. Ein Blick auf unsere von Nutzern erstellte Fahrradkarte zeigt, dass es auch im Wedding und Gesundbrunnen an vielen Stellen hapert.
Die für hiesige Verhältnisse radikalen Ziele, die durch den Volksentscheid durchgesetzt werden sollen, schrecken viele moderat eingestellte Radler ab – ob sich ein Mentalitätswandel in den Köpfen der Planer einfach per Gesetz verordnen lässt? Und sind die hohen Standards, die das vorgeschlagene Gesetz definiert, mehrheitsfähig? Was, wenn der Volksentscheid am Quorum scheitert? Der wichtige Interessenverband Allgemeiner Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) musste sich sogar von einigen Vorstandsmitgliedern trennen, weil Uneinigkeit über die Unterstützung des Referendums herrschte. Im Mai beginnt die Sammlung der notwendigen 20 000 Unterschriften, damit es überhaupt zum Volksentscheid kommen kann.
Der Umweltverband BUND hat derweil ein vorsichtigeres, dennoch ziemlich klares Konzept für “Radvorrangrouten” vorgeschlagen, das sich auch schon heute leicht realisieren ließe. Eine der beiden projektierten Routen soll von Tegel/zukünftiges Kurt-Schumacher-Quartier bis zur Späthbrücke führen und den Wedding und Gesundbrunnen durchqueren. Von der Ghanastraße über die Togostraße/Antwerpener Straße führt die Route zur Trift-/Gerichtstraße. Ab den Liesenbrücken würde es die Gartenstraße entlang nach Alt-Mitte gehen. Hier kann man das Konzept des BUND nachlesen.
Der vom BUND Berlin vorgeschlage Weg, Rad-Vorrangrouten auf Nebenstraßen einzurichten ist viel besser und praktikabler als der des Volksentscheides. Der fordert nämlich bloß Radstreifen an allen Hauptstraßen und grüne Welle für Radfahrer (und Schnellwege, die allerdings nur in den Außenbezirken zu realisieren wären). Nichts gegen Radstreifen an Hauptstraßen: für die ständig wachsende Masse der Radfahrer reichen die aber nicht aus,
Andreas Geisel hat kürzlich verkündet, einen Eigenbetrieb ähnlich wie Grün Berlin für Radwege zu gründen. Wenn der sich dem Ausbau eines Netzes aus Vorrangrouten widmen würde, wären wir einen entscheidenden Schritt weiter!
Berlin könnte eine wahrhaft tolle Stadt werden, wenn für alle Verkehrsteilnehmer der nötige Platz geschaffen werden könnte. Wir kommen alle als Fußgänger zur Welt – also haben die Priorität. Dann lernt man das Fahrradfahren – zweite Stufe. Ab 18 steigen viele ins Auto – dritte Stufe. Und genauso müsste der Platz verteilt werden. Allerdings ist es bei der autoproduzierenden Nation D wohl noch lange nicht so weit, dass Autos ein wenig eingedämmt würden.