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Paul-Gerhardt-Stift: Zentrum für alle

26. November 2013
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Das Wort Kiez ist ver­mut­lich sla­wi­schen Ursprungs und wird vor allem in Ber­lin posi­tiv gebraucht. Ein Kiez ist eine über­schau­ba­re Insel im Oze­an der Mil­lio­nen­stadt. Die Men­schen, die dort mit einem zusam­men­le­ben, sind idea­ler­wei­se gute Nach­barn.  Das tra­di­ti­ons­rei­che Paul Ger­hardt Stift hat schon vor eini­ger Zeit einen Pro­zess ange­sto­ßen, um sich sei­nen Nach­barn – im Pla­n­er­deutsch heißt die­ses Umfeld „Park­vier­tel“ – zu öff­nen. Vor­läu­fi­ger Abschluss die­ses Pro­zes­ses ist die Eröff­nung des Stadt­teil­zen­trums am 30. Novem­ber. Wir haben uns mit Ste­fan Kurz­ke-Maas­mei­er vom Paul Ger­hardt Stift dar­über unter­hal­ten, was die­se neue Zen­trum für den Kiez bedeutet.

Was genau ist ein Stadtteilzentrum?

Stefan Kurzke-Maasmeier Quelle: privat
Ste­fan Kurz­ke-Maas­mei­er Quel­le: privat

Unter dem Dach des „Zukunfts­haus Wed­ding“ im Paul Ger­hardt Stift ver­sam­meln sich unter­schied­li­che Pro­jek­te und Arbeits­be­rei­che. Neben dem Fami­li­en­zen­trum, dem Refu­gi­um für Flücht­lin­ge, der für Som­mer 2014 geplan­ten Kita, ist dies v.a. die Ent­wick­lung eines neu­en Stadt­teil­zen­trums (STZ), das am 30. Novem­ber sei­ne Pfor­ten öffnet.

Das STZ wird aus zwei Säu­len bestehen. Zum einen zieht das Fami­li­en­zen­trum mit sei­nen viel­fäl­ti­gen Ange­bo­ten in das neue Haus ein und wird sein Pro­gramm bedarfs­ge­recht wei­ter­ent­wi­ckeln. Ab 2014 kom­men neue For­ma­te für Senio­ren oder Jugend­li­che sowie Bera­tungs­an­ge­bo­te für Men­schen mit Schul­den hin­zu. Zudem wird die Ver­net­zung mit ande­ren Insti­tu­tio­nen im Stadt­teil inten­si­viert. So wur­den in den letz­ten Mona­ten eini­ge Koope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen getrof­fen oder wer­den der­zeit vor­be­rei­tet.  Zum ande­ren soll das STZ mit sei­nem „Café Klos­ter­hof“, das u.a. von der Schü­ler­fir­ma „Lecker Schme­cker Bäcker“ der ISS Schu­le am Schil­ler­park betrie­ben wird, zu einem Treff­punkt wer­den. Ob es wei­te­re Ange­bo­te, z.B. eine Sup­pen­kü­che, geben kann, wird noch geprüft. Mit sei­nen Semi­nar­räu­men bie­tet das STZ für Grup­pen und Initia­ti­ven aus dem Stadt­teil einen Ort der Begeg­nung. Das Paul Ger­hardt Stift möch­te mit dem STZ einen sicht­ba­ren Bei­trag zur sozia­len und kul­tu­rel­len För­de­rung des Stadt­teils leis­ten und den Grund­stein für einen Kno­ten­punkt nach­bar­schaft­li­chen Enga­ge­ments legen.

Inwiefern ändert sich am Auftrag des Paul Gerhardt Stifts etwas?

Logo Stadtteilzentrum Paul Gerhardt StiftDer Auf­trag ändert sich eigent­lich nicht, denn mit dem STZ knüpft das Stift an sei­nen Grün­dungs­auf­ruf von 1876 an, in dem es heißt, dass unse­re Arbeit „allen zu die­nen [hat], soweit Kraft und Ver­mö­gen reicht, und will kei­nen aus­schlie­ßen, er sei, wer er sei, und hei­ße, wie er wol­le.“ Unse­re Vor­stel­lung ist, dass sich im STZ, das der zen­tra­len Bau­stein des Zukunfts­hau­ses Wed­ding wer­den soll, unter­schied­li­che Gene­ra­tio­nen und Grup­pen unter einem Dach tref­fen kön­nen. Es ist offen für Frau­en, Män­ner, Kin­der, Fami­li­en, Jugend­li­che und Senio­ren, Men­schen mit Behin­de­run­gen, hil­fe- und rat­su­chen­de Men­schen aller Natio­na­li­tä­ten und Glau­bens­ge­mein­schaf­ten. Dass wir in den Häu­sern und Ein­rich­tun­gen der Kir­che Viel­falt und Inklu­si­on lebens­not­wen­dig brau­chen und schüt­zen müs­sen, ist kei­ne neue Erfin­dung, son­dern der Grund, auf dem wir ste­hen. Theo­lo­gisch ist der christ­li­che Glau­ben stark von Pau­lus beein­flusst, der, theo­lo­gisch gespro­chen, einen „Geist Got­tes“ ver­kün­det, der die Mau­ern zwi­schen den Men­schen nie­der­reißt und über die Gren­zen von Kul­tu­ren und Reli­gio­nen hin­aus wirkt. Unser Auf­trag ist des­halb selbst­ver­ständ­lich grund­sätz­lich an die pro­phe­ti­schen Wur­zeln der Kir­che, an die Bibel zurück­ge­bun­den. Die dar­in for­mu­lier­te „Opti­on für die Armen“, für die an den Rand Gedräng­ten und Ver­nach­läs­sig­ten wei­tet den Blick hin zu jenen Men­schen im Stadt­teil, die in beson­de­rer Wei­se auf Unter­stüt­zung und Hil­fe ange­wie­sen sind. Wich­tig aber ist: das STZ und damit das gan­ze PGS ist zwar ein Haus in christ­li­cher Tra­di­ti­on, jedoch für alle! Diet­rich Bon­hoef­fer hat gesagt, dass Kir­che nur dann Kir­che sein kann, wenn sie für ande­re da ist, und zwar hel­fend und die­nend, nicht herr­schend oder mis­sio­nie­rend. Das ist unser blei­ben­der Auftrag.

Wie wurde das Stift umgebaut? 

Blick vom Innenhof des Paul-Gerhardt-Stiftes zur MüllerstraßeDurch den Umbau konn­ten wir neue Räum­lich­kei­ten für das STZ schaf­fen und gleich­zei­tig unser altes Mut­ter­haus bar­rie­re­frei umbau­en, in dem wir nun einen neu­en Fahr­stuhl nut­zen kön­nen, der alle vier Geschos­se mit­ein­an­der ver­bin­det. Die Außen­an­la­ge ist zu einem Forum, einem Hof der Begeg­nung umge­stal­tet, eine neue gro­ße Küche ist ent­stan­den, der Fest­saal wur­de für Ver­an­stal­tun­gen her­ge­rich­tet und vie­les ande­re mehr. Die Bau­ar­bei­ten haben etwa 1,4 Mil­lio­nen Euro gekos­tet und über ein Jahr gedau­ert. Ohne die groß­zü­gi­ge För­de­rung der Stif­tung Deut­sche Klas­sen­lot­te­rie sowie der Senats­ver­wal­tung für Stadt­ent­wick­lung und Umwelt hät­ten wir die­ses Pro­jekt nicht bewerk­stel­li­gen kön­nen. Das Stift selbst hat aus Eigen­mit­tel etwa 250.000 Euro hin­zu­ge­ge­ben. Aber wir sind sicher, dass wir durch die­se Inves­ti­ti­on gute Ange­bo­te für den Stadt­teil schaf­fen wer­den, das Geld ist also ver­nünf­tig angelegt.

Sind neue Mitarbeiter hinzugekommen?

Im Fami­li­en­zen­trum konn­ten wir durch Mit­tel der EU in die­sem Jahr eine neue Stel­le für das Bil­dungs­pro­jekt „Die Fabel“ akqui­rie­ren, in dem es um Bil­dungs­pa­ten­schaf­ten und Fami­li­en­ar­beit im Stadt­teil geht. Der neue Kol­le­ge ist wie einen ande­re Mit­ar­bei­te­rin im Fami­li­en­zen­trum auch tür­kisch­spra­chig und des­halb für uns eine wich­ti­ge Brü­cke in die Com­mu­ni­ty vor Ort. Aber wir wer­den noch mehr Per­so­nal benö­ti­gen, um das STZ mit Leben zu fül­len. Der­zeit ver­su­chen wir Gel­de des Lan­des für eine Struk­tur­för­de­rung zu erhal­ten, damit wir noch eine wei­te­re Stel­le für Sozia­le Arbeit rea­li­sie­ren kön­nen. Gleich­zei­tig wären wir ohne die Hil­fe unse­rer Mit­ar­bei­ter, die über das Job-Cen­ter finan­ziert wer­den, und v.a. unse­re Ehren­amt­li­chen natür­lich nicht wirk­lich gut vor­be­rei­tet. Im neu­en Jahr kom­men noch drei Stadt­teil­müt­ter dazu, die in der auf­su­chen­den Fami­li­en­ar­beit ein­ge­setzt wer­den. Wer sich bei uns enga­gie­ren möch­te, ist dazu herz­lich eingeladen.

Worauf können sich Anwohner freuen?

Die Anwoh­ner kön­nen sich neben den belieb­ten Kur­sen und Ange­bo­ten des Fami­li­en­zen­trums dar­auf freu­en, dass sie mit­hel­fen kön­nen, das Haus auch zu ihrem Haus zu machen. Lang­fris­tig sol­len hier loka­le Ent­wick­lungs­part­ner­schaf­ten zwi­schen Stift, Zivil­ge­sell­schaft, Kom­mu­ne und ande­ren ört­li­chen Akteu­ren (Schü­ler- und Bür­ger­initia­ti­ven, Wirt­schaft etc.) ent­ste­hen. Zudem soll ein Kon­zept zur nach­bar­schaft­li­chen Unter­stüt­zung (Besuchs­dienst) für Per­so­nen ent­ste­hen, die aus gesund­heit­li­chen und/oder alters­be­ding­ten Grün­den nicht selbst­stän­dig an den Ange­bo­ten eines STZ vor Ort teil­neh­men kön­nen. Bür­ge­rin­nen und Bür­ger aus der Nach­bar­schaft sol­len die Mög­lich­keit erhal­ten, ihre Fähig­kei­ten und Akti­vi­tä­ten für ande­re zu ent­fal­ten, ihre Eigen­ver­ant­wor­tung zu stär­ken, neue freund­schaft­li­che Ver­bin­dun­gen auf­zu­bau­en und neue Per­spek­ti­ven zu ent­wi­ckeln. Wir freu­en uns auf den Stadt­teil und die Bewoh­ner der Bezirks­re­gi­on Park­vier­tel und natür­lich auch auf alle anderen.

Eröff­nung STZ am 30. November

Um 14 Uhr wird im Bei­sein des Bezirks­bür­ger­meis­ters Dr. Chris­ti­an Han­ke “das rote Band” durch­ge­schnit­ten. Am Nach­mit­tag stel­len sich die Arbeits­be­rei­che des Stifts vor. Um 17 Uhr gibt es einen Emp­fang; Tanz mit der renom­mier­ten For­ma­ti­on “Trio Scho”. Der Ein­tritt ist frei, um Spen­den wird gebeten.

Web­site des Paul-Gerhardt-Stifts

Mül­lerstra­ße 56–58 nahe Barfusstraße
13349 Ber­lin
[email protected]

Tel.: (030) 450 05–0
Fax: (030) 450 05–100

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

3 Comments

  1. […] Im Lan­des­pro­gramm „Ber­li­ner Fami­li­en­zen­tren“ wur­den bis Ende 2013 ins­ge­samt 24 Fami­li­en­zen­tren geför­dert. In die­sem und im kom­men­den Jahr sol­len sie­ben wei­te­re Orte für Fami­li­en ent­ste­hen. In Mit­te gibt es jetzt drei Fami­li­en­zen­tren, die über das Pro­gramm geför­dert wer­den: auf der Fischer­insel, in der Rathe­nower Stra­ße in Moa­bit und nun auch in der Oslo­er Stra­ße im Sol­di­ner Kiez. Dar­über hin­aus gibt es wei­te­re Fami­li­en­zen­tren, die sich anders finan­zie­ren, bei­spiels­wei­se in der Watt­stra­ße im Brun­nen­vier­tel und am Naue­ner Platz. Außer­dem gibt es für den nord­west­li­chen Wed­ding das Stadt­teil­zen­trum im Paul-Gerhardt-Stift. […]

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