Der Wedding. Endliche Weiten. Dies sind die Abenteuer der Bewohner des Wohnhauses in der Müllerstraße 42, die schon oft zuvor da gewesene Gentrifizierung bekämpfen und dahin gehen, wo schon viele Weddinger zuvor gewesen sind.
Eine Fortsetzungsgeschichte von Ruben Faust und Nethais Sandt
Was bisher geschah: Melina (Musikstudentin) muss mit großem Schrecken feststellen, dass ihr Fahrrad geklaut wurde. Nach einer erfolglosen Suche durch den Wedding entschließt sie sich, einen Trost- Döner in „Mohammads Döner Store“ essen zu gehen. Dabei hört Mohammad, Inhaber des Dönerladens und allseits bekannter „Mann des Vertrauens“, ihren Sorgen geduldig zu. Der Hausmeister Herr Brown kümmert sich derweil um die Wasserlache, die er versehentlich im Hausflur erschaffen hat. Frau Faterl (ehemalige Bayerin) schlägt sich mit den Problemen einer Mathelehrerin herum . Der Student Phil wacht dann eines Tages schon wieder nackt im Bett mit seiner Mitbewohnerin Melina auf. Zu allem Übel fällt ihm dann auch noch ein, dass er in einem Moment der Fürsorge, ihr Fahrrad weggestellt hat. Die Hausrenovierung rückt immer näher, sodass die Prenzlauerberg-Eltern in Aktion treten und die Hausbewohner zum Widerstand aufrufen. Währenddessen geht etwas Merkwürdiges im Weddinger Wohnhaus vor: Dorothea findet regelmäßig Blumen auf ihrer Türmatte. Dit Jeheimnis muss natürlich jelüftet werden. (Folge 1: Das Fahrrad) (Folge 2: Die Wasserlache) ( Folge 3: Die Lehrerin) (Folge 4: Das Gefühl)(Folge 5: Die Aktivisten) (Folge 6: Der Blumenstrauß) Lisbeth Faterl freut sich derweil über die anstehenden Osterferien und lebt das Berliner Nachtleben voll aus.
Nur anderthalb Monate hat es gedauert, dass Lisbeth sich über Ferien freut und sie nicht als Zeitverschwendung ansieht. Da sie dieses Jahr über Ostern nicht zu ihrer Familie in dem kleinen bayerischen Dorf fahren kann, plant sie jetzt, möglichst viel in ihrer freien Zeit zu unternehmen. Einer ihrer Freunde hat sie für Samstag zu einer Party eingeladen- auch wenn es wahrscheinlich bis in den Ostersonntag rein gehen wird. Ihre erste richtige Party. Nicht was Lisbeth bisher gekannt hat, also ein heiteres Beisammensein von vier bis fünf Leuten, die über eine Flasche teuren Rotwein in einem dunklen Wohnzimmer über die anderen Mitstudenten lästern. Sondern eine richtige Party mit neuen Leuten und lauter Musik. Zuerst hat Lisbeth etwas gezögert, obwohl sie ja genau aus diesem Grund nach Berlin gekommen ist: Die Großstadt ist bekannt für die vielen Techno-Clubs und Nachtaktivitäten. Am Samstagabend zwängt sie sich also doch in ein Häschen-Kostüm für die Oster-Party : Einem Haarband dass ihr kleine Hasenohren gibt, dazu ein Kleid mit bunten Ostereiern drauf.
“Hey, Alan. Ich würde doch kommen. Adresse?”, schreibt sie ihrem Kumpel, der sie zur Party eingeladen hat. Allan hat sie einfach in einer Bar angesprochen, weil sie da so alleine gesessen hat. Seitdem ist sie mehr oder weniger mit ihm und seinen Freunden befreundet. “Brüsseler 10” kommt wenige Minuten später seine Antwort zurück. Sie packt ihre Tasche, schaut kurz noch in den Spiegel und macht sich dann auf den Weg.
Von ihrem Haus aus muss sie nur kurz die Müllerstraße überqueren, danach die Seestraße und dann der Brüsseler Straße folgen. Sie kommt gegen halb elf dort an und hört schon von weitem die laute Techno-Musik. Beim Haus angekommen, sieht sie hinter einem Balkon, auf dem schon einige Leute mit Alkohol in Plastikbechern stehen, bunte Lichter hervorscheinen. Da die Haustür offen ist, geht sie dort einfach rein und findet sich plötzlich inmitten von wesenlich jüngeren Leuten vor, als sie erwartet hätte. Die Hauptgruppe ist mehr Anfang 20, nicht wie sie schon hinter der 25-Jahre-Marke. (Kurz denkt sie darüber nach, dass sie sich nicht alt zu fühlen braucht, solange sie täglich die Meckerdoro sieht.) Während sie das Treppenhaus hochläuft, wird die Musik immer lauter. Bald sieht sie eine offene Wohnungstür, hinter der sie die Quelle der Musik und der bunten Lichter vermutet. “Heeeey! Lis! Du bist ja doch gekommen!”, schreit plötzlich Anna, die die Party veranstaltet, “Allan meinte schon, dass er dich eingeladen hätte.” Sie umarmt Lisbeth herzlich. Dann zeigt sie, einen Arm immer noch um Lisbeths Schulter gelegt, in zufällige Richtungen. “Also da lang ist das Badezimmer, dort habe ich ein Bett bereitgestellt für… und ehhh… Dort gibt’s Becher, aber ich würde dem Punsch nicht vertrauen! Und die Wohnung ganz oben, da ist es irgendwie offener und die Musik ist etwas ruhiger!”, ruft sie weiter. Dann umarmt sie sie nochmal und verschwindet in den Menschenmassen. Lisbeth kämpft sich durch zu den Getränken und nimmt sich ein Bier. Es schmeckt absolut grauenvoll.
Seufzend lehnt sich kurz an die Wand und wundert sich, warum sie sich das antut. – Ja: Solche Partys sind der Grund, weshalb sie nach Berlin gekommen ist, aber eigentlich kennt sie sowas nur aus dem Fernsehen. In echt ist es sehr laut und anstrengend und sie fühlt sich etwas fehl am Platz. Vielleicht hätte sie doch Zuhause bleiben sollen.
Auf einmal tippt sie jemand an. “Lisbeth? Bist du das etwa?”, ruft eine Stimme, die Lisbeth doch sehr bekannt vorkommt. “Oh mein Gott, Clara!”, schreit Lisbeth, als sie sieht wer da steht. Die beiden umarmen sich. Clara ist Lisbeths beste Freundin in der Oberstufe gewesen. Aufgrund des Studiums ist der Kontakt dann leider abgebrochen. Sie schreien sich kurz an und stimmen dann darin überein, in die Wohnung, die etwas ruhiger sein soll, zu gehen. Dort angekommen reden die beiden und erzählen sich gegenseitig ihr Leben seit dem Abitur vor 8 Jahren – während einer Flasche Rum, in einem dunklen Wohnzimmer.
Dieses Wohnzimmer verkommt während des weiteren Verlaufs der Nacht immer mehr zu der Knutsch-Ecke der Party, doch das fällt den beiden erst auf, als schon Stunden vergangen sind und auf einmal immer mehr Leute nach oben zu kommen scheinen. “Clara”, fängt Lisbeth an und schaut Clara während einer kleinen Pause tief in die Augen, “Du bist echt toll.” Diese erwidert, dass sie das doch schon wüsste, aber das ist Lisbeth nicht genug. Sie beugt sich vor und küsst sie.
Am nächsten Morgen erwacht Lisbeth alleine in ihrem Bett. Clara muss sie nach Hause gebracht haben, denn alleine hätte sie das nicht mehr geschafft. – Außerdem hängt da ein BH, der eindeutig nicht Lisbeths ist, über der Heizung. Sie steht auf und sieht Clara in ihrer Küche stehen und Kaffee kochen. “Frohe Ostern”, sagt diese und lächelt.
Fortsetzung folgt!
Alle Figuren und Namen sind rein fiktional und jede Übereinstimmung mit der Realität ist nur zufällig.
Müller42 ist eine Weddingweiser-Textreihe von Ruben Faust und Nethais Sandt. Sie wird immer dienstags und freitags weitergeführt.
Die feiern eine Oster-Party??? Ich glaube, um das zu veröffentlichen, ist gerade der falsche Zeitpunkt. Ich hocke jedenfalls wg. Corona seit drei Wochen zu Hause.
Die Serie dient der Ablenkung – sie lässt das Thema Corona bewusst außen vor.