Der Wedding. Endliche Weiten. Dies sind die Abenteuer der Bewohner des Wohnhauses in der Müllerstraße 42, die schon oft zuvor da gewesene Gentrifizierung bekämpfen und dahin gehen, wo schon viele Weddinger zuvor gewesen sind.
Eine Fortsetzungsgeschichte von Ruben Faust und Nethais Sandt
Was bisher geschah: Melina (Musikstudentin) muss mit großem Schrecken feststellen, dass ihr Fahrrad geklaut wurde. Nach einer erfolglosen Suche durch den Wedding entschließt sie sich, einen Trost- Döner in „Mohammads Döner Store“ essen zu gehen. Dabei hört Mohammad, Inhaber des Dönerladens und allseits bekannter „Mann des Vertrauens“, ihren Sorgen geduldig zu. Der Hausmeister Herr Brown kümmert sich derweil um die Wasserlache, die er versehentlich im Hausflur erschaffen hat.Frau Faterl (ehemalige Bayerin) schlägt sich mit den Problemen einer Mathelehrerin herum . Der Student Phil wacht dann eines Tages schon wieder nackt im Bett mit seiner Mitbewohnerin Melina auf. Zu allem Übel fällt ihm dann auch noch ein, dass er in einem Moment der Fürsorge, ihr Fahrrad weggestellt hat. (Folge 1: Das Fahrrad) (Folge 2: Die Wasserlache) ( Folge 3: Die Lehrerin) (Folge 4: Das Gefühl)
Albert beginnt damit, die Teller vom Frühstück mit seiner Familie abzuwaschen. Seine kleine Tochter rennt aus dem Zimmer. Sie hat ihr Dinkelbrot mit vegetarischem Brotaufstrich nicht essen wollen, weswegen es immer noch auf dem Teller liegt. “Ach, Albert. Ich bin ja so stolz auf sie. Habe ich dir schon erzählt, dass Elisa in der Kita schon wieder ein so wunderschönes Bild gemalt hat?”, fängt seine Freundin Elena an zu erzählen. Sie zeigt auf den Kühlschrank, an dem ein Bild mit drei Strichmännchen und einer Sonne klebt. “Ja, eine richtige Künstlerin ist die Kleine”, antwortet Albert, “Ich mache mir aber auch Sorgen. Hast du den Brief von der Verwaltung schon gesehen?” – “Natürlich. Wir haben ihn doch gemeinsam gelesen.”
Gestern. Albert öffnet den Brief von der Hausverwaltung. “Sehr geehrte Bewohner der Müllerstraße 42. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass wir aufgrund des undichten Dachs am 7.Mai eine Mieterversammlung abhalten werden. Wir bitten um zahlreiches Erscheinen.”
Heute. “Bestimmt wollen die das Haus sanieren und dann alle rauswerfen”, sagt er dann. “So hat’s an der Schönhauser damals auch angefangen.” “Ich hab mir dazu auch schon Gedanken gemacht. Lass uns doch ein paar kleine Flyer und Plakate aufhängen!”, antwortet seine Freundin. Wenig später stehen beide unten und hängen ein Plakat mit der Aufschrift: “Wir gehen nicht!” auf. Gleich neben dem Plakat mit der Aufschrift: “Atomkraft – nein danke” und einem weiteren, auf dem “Fluglärm macht krank – TXL muss schließen!” steht. In diesem Augenblick kommt der Hausmeister Herr Brown und beschwert sich wieder darüber, dass man eigentlich keine Plakate im Hausflur aufhängen soll: “Verstehen Sie doch, es ist sehr anstrengend, jede Woche wieder drei Ihrer komischen Plakate abzuhängen.” – “Aber es geht hier um wichtige Dinge, die uns alle betreffen! Wir müssen uns doch versammeln dürfen, habe ich nicht recht?”, entgegnet Elena. Albert stimmt ihr zu. Doch der Hausmeister ist anderer Meinung. “Da können wir eh nichts gegen tun, das Haus wird renoviert werden müssen, also brauchen Sie dieses Plakat gar nicht erst aufhängen”, sagt er. Das Paar schaut ihn kurz mit einem Blick an, der aussagt, wie genervt es gerade von Herrn Brown ist. Dieser scheint gemerkt zu haben, dass er diese Diskussion verlieren wird. “Mit dieser Einstellung…”, beginnt Albert sein Gegenargument. In diesem Moment reißt ihn der Student von ganz oben aus den Gedanken. Er hechtet die Treppen herunter und unterbricht abrupt das Gespräch: “Entschuldigen Sie, Herr Brown. Haben Sie zufälligerweise ein blaues Fahrrad im Keller stehen sehen?”, fragt er dann. “Ähm… Hallo? Wir waren gerade noch dabei, hier ein Gespräch zu führen!”, fängt Elena an und atmet schon tief ein, kurz davor ihn anzumeckern, doch Albert hält sie davon ab. “Komm Schatz, der junge Mann hat doch nur eine ganz kurze Frage gestellt. Er hat es doch nicht böse gemeint.” – Inzwischen hat Herr Brown geantwortet, dass das Fahrrad wohl im Keller steht, und Phil ist schon weiter gegangen. Der wirkte mal wieder so verwirrt und viel zu abgelenkt, um mitzubekommen, dass Elena ihn nicht wirklich mag. Der Widerstand des Hausmeister ist zwischenzeitlich gebrochen, und er sagt: “Nun gut. Hängen Sie ihre Plakate auf. Aber dann sind Sie auch für die Wände verantwortlich!” Zufrieden dreht sich Elena um, reißt ein Stück von dem Tesaband ab und klebt mit diesem das Plakat fest.
Albert sitzt auf der Bank auf dem Spielplatz und schaut seiner kleinen Tochter dabei zu, wie sie versucht, ihren ‘Kuchen’ an andere Kinder zu verkaufen. “Welches von denen ist ihres?”, fragt eine Mutter plötzlich und setzt sich neben ihn. “Das mit dem Einkaufsladen. Ganz der Papa!”, antwortet er. Die Mutter stellt sich als Ariane vor und zeigt auf ihren Sohn, der wohl gerade auf dem Klettergerüst sitzt und sich nicht wieder heruntertraut. Sie sei gerade erst hergezogen- jetzt sucht sie wohl nach Freunden für ihren Sohn. “Elisa würde sich bestimmt freuen. Wollen Sie irgendwann mal auf einen Kaffee vorbeikommen?”, fragt Albert dann. Die beiden Elternteile unterhalten sich noch eine Weile, bis Ariane erklärt, warum sie umziehen mussten. “Es war wirklich wunderschön in der alten Wohnung. Wir haben direkt neben der Kita gewohnt, und die Miete war bezahlbar. Aber dann mussten die Bleirohre ausgetauscht werden, sie haben das ganze Haus saniert und die Möglichkeit gleich genutzt, um die Wohnungen danach als Eigentumswohnungen zu verkaufen”, beschreibt sie ihre Situation. “Das ist ja ein Ding”, sagt Abert. “Bei uns gab es auch gerade ein Schreiben, das darauf hinweist. Ich mache mir echt Sorgen.” – “Am Samstag ist am Leopoldplatz eine kleine Demo gegen Gentrifizierung geplant… Also wenn Sie mitkommen möchten?” Albert ist sich sicher, dass es das ist, was es jetzt braucht: Politischer Wille. Das kann so nicht weitergehen!
Als er wieder zu Hause ist, fängt er an ein weiteres Plakat vorzubereiten. “Schatz. Wir werden uns hiergegen wehren. Und das ganze Haus gleich mit”, erklärt er seiner Frau, “Ich habe unseren lieben Mitbewohnernschon einen Brief in den Briefkasten geworfen.”
Sehr geehrte Mitbewohner des Hauses Müller 42!
Wie wir alle wahrscheinlich mitbekommen haben, gibt es im Mai eine Mieterversammlung zur Besprechung der Reparatur des undichten Dachs. Das lässt sich im Moment in der ganzen Stadt beobachten: Immer mehr Verwaltungen wollen die Mieter rauswerfen und suchen nur noch nach Gründen dafür. Wir müssen uns wehren!
Wir sind nicht nur irgendwelche Mieter, das ist nicht nur irgendein Haus: Das ist unser Haus! Arbeiten wir dafür!