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Kurze und langfristige Hilfe bei drohender Obdachlosigkeit

5. November 2018
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Leopoldplatz, Simit Evi, hier findet die Suppenküche am 7.11.18 statt, Foto von Susanne Haun
Hier fin­det die Sup­pen­kü­che am 7. Novem­ber statt,;Foto:  Susan­ne Haun

Am Mitt­woch, den 7. Novem­ber fin­det auf dem Platz vor dem Simit Evi in der Mül­lerstr. 147 ab 14 Uhr eine Sup­pen­kü­che statt. Orga­ni­siert haben die­se Ver­kos­tung die bei­den Künst­le­rin­nen Susan­ne Haun und Gabrie­le D.R. Guen­ther im Rah­men ihrer Aus­stel­lung Quer­brü­che Obdach­los, der Wed­ding­wei­ser berich­te­te bereits. Özlem Özmen-Eren, die Besit­ze­rin des Simit Evi hat den bei­den für die­se Akti­on ihre Küche und den Vor­platz vor dem Café zur Ver­fü­gung gestellt.

Eine Geste

Den bei­den Künst­le­rin­nen ist klar, dass die­se ein­ma­li­ge Sup­pen­kü­che nicht mehr als eine Ges­te des guten Wil­lens sein kann. Hil­fe ist gera­de jetzt im begin­nen­den Win­ter jeden Tag erfor­der­lich. Bei­de haben sich mit einer Viel­zahl von Obdach­lo­sen um den Leo­pold­platz unter­hal­ten. Die­se Gesprä­che waren ein­drück­li­che Erleb­nis­se. So auch das Gespräch mit den bei­den pol­ni­schen jun­gen Män­nern am U‑Bahnhof See­stra­ße, die lie­ber in Ber­lin als in Polen auf der Stra­ße leben. Im Juni die­sen Jah­res berich­te­te das rbb Info­ra­dio, dass nach Schät­zung der Regie­rung in War­schau etwa 2.000 pol­ni­sche Obdach­lo­se in Ber­lin leben. Nach Schät­zung der Hilfs­or­ga­ni­sa­to­ren dürf­ten es aber um die 6.000 sein, die zum Teil kein Deutsch spre­chen. Wie ver­zwei­felt muss ein Mensch sein, wenn er ohne gro­ße Sprach­kennt­nis­se lie­ber auf deut­schen statt auf pol­ni­schen Stra­ßen lebt?

Zwei Frauen

Ein Lager auf der Straße, Foto von Susanne Haun
Ein Lager auf der Stra­ße, Foto von Susan­ne Haun

Es fal­len beson­ders zwei Frau­en unter den Obdach­lo­sen auf. Die eine schläft öffent­lich unter bun­ten Decken rund um den Leo­pold­platz. Bis auf ihre Haa­re ist nichts von ihr zu sehen, die Men­schen strö­men um sie her­um, ohne sie zu beach­ten. Auf die Fra­ge, wie sie dazu gekom­men sei, auf der Stra­ße zu leben, ant­wor­tet sie uner­war­tet. Sie sei nicht obdach­los, sagt sie, sie wür­de put­zen und land­wirt­schaft­lich arbei­ten. Wie soll ihr gehol­fen wer­den, wenn sie ihre Situa­ti­on ver­leug­net? Auch mit der ande­ren Frau ist es schwie­rig, Kon­takt auf­zu­neh­men. Sie sam­melt alles, was ande­re Leu­te auf der Stra­ße ent­sor­gen und grup­piert es um sich her­um. Mit Kin­der­wa­gen über eine Blu­men­va­se inklu­si­ve zer­knick­ter Rose, Regal, Tisch und Klei­dung baut sie sich auf der Stra­ße ihren Wohn­be­reich. Auch sie schläft unter ihren gesam­mel­ten Lum­pen. Es ist  rüh­rend und erschre­ckend zugleich. Kommt man ihr zu nahe, dann schimpft sie mit hoher Stim­me, eine Unter­hal­tung ist sel­ten mög­lich. Nach knapp drei Mona­ten bekommt sie einen Platz­ver­weis, zwei Damen vom Ord­nungs­amt sehen zu, wie die BSR ihre enor­me Men­ge an Gesam­mel­ten ent­sorgt. Seit­her ist sie ver­schwun­den, wird aber sicher an ande­rer Stel­le im Wed­ding wie­der­auf­tau­chen, dafür ist sie bekannt. Die Ber­li­ner Zei­tung schreibt, dass es kaum Not­un­ter­künf­te für Frau­en in Ber­lin gibt. Wie gut, dass Evas Hal­te­stel­le (sie­he hier im Wed­ding­wei­ser) bei uns im Wed­ding in der Mül­lerstra­ße 126 bis zu 100 Frau­en auf­neh­men kann.

 

Unter Druck – Kultur von der Straße e.V.

Unter Druck in der Oudenader Str. 26, Foto von Susanne Haun
Unter Druck in der Ouden­ader Str. 26, Foto von Susan­ne Haun

Lang­fris­tig Hil­fe bie­tet Jan Mar­kow­sky und sein Team schon seit 2006 im Laden Unter Druck in der Ouden­ader Stra­ße 26 an. Hier kann jeder kom­men, nicht nur die, die schon obdach­los sind, son­dern auch die, die nicht mehr wis­sen, wie sie ihre Mie­te am Monats­en­de zah­len kön­nen. Es gibt immer etwas zu Essen, Hal­lo­ween war der Laden­raum lie­be­voll gru­se­lig schön geschmückt und zum Nach­tisch gab es roten und grü­nen Wackel­pud­ding. Der Laden ist aber nicht nur zu Hal­lo­ween voll, son­dern auch an den nor­ma­len Tagen der Woche. Im Gespräch erzählt Jan von sei­ner Art zu hel­fen. Neben dem Essen kann hier auch eine kur­ze Dusche genom­men oder wäh­rend den Öff­nungs­zei­ten der Ruhe­raum benutzt wer­den. Jan muss dar­auf ach­ten, dass die Hil­fe nicht die Finan­zie­rung des Ver­eins sprengt. Die Grund­fi­nan­zie­rung ist vom Bezirk gesi­chert, es ist zu wenig Geld, wes­we­gen der Ver­ein auch auf Spen­den ange­wie­sen ist. Ohne die Hil­fe der ehren­amt­li­chen Betrei­ber des Ver­eins wäre jedoch das umfang­rei­che Pro­gramm zur Hil­fe nicht mög­lich. Es geht dar­um, Ver­trau­en zu den oft Ver­zwei­fel­ten auf­zu­bau­en. Nach Abspra­che ist es mög­lich, zum Job­cen­ter beglei­tet zu wer­den. „Man soll­te sich sei­ner Armut nicht schä­men!“, sagt Jan. Mit viel Herz­blut ist er den Hil­fe­su­chen­den ein Gesprächs­part­ner und baut Ver­trau­en zu ihnen auf. Sein Kon­zept geht auf, sie kom­men immer wie­der. Jan ist es wich­tig, dass er in jeden Men­schen die Indi­vi­dua­li­tät sieht, es gibt nicht „den Obdach­lo­sen“, jeder hat sei­ne Geschich­te. Jan ist jedem, der möch­te, ein Gesprächs­part­ner. Es ist nicht immer ein­fach, Kon­takt auf­zu­neh­men, Ver­trau­en auf­zu­bau­en und manch­mal wird die Hil­fe auch nicht ange­nom­men. Bei der Aus­stel­lungs­er­öff­nung Quer­brü­che Obdach­los sang Jan mit sei­nem Team das Lied vom Job­cen­ter. Schon seit 10 Jah­ren sin­gen sie das Lied und es hat (lei­der) von sei­ner Aktua­li­tät nichts verloren.

 

 

Informationen

Programm Unter Druck in der Oudenader Str. 26, Foto von Susanne Haun
Pro­gramm Unter Druck in der Ouden­ader Str. 26, Foto von Susan­ne Haun

Sup­pen­kü­che im Rah­men der Aus­stel­lung Quer­brü­che Obdach­los,  Mitt­woch, den 7. Novem­ber ab 14 Uhr (bis der gro­ße Sup­pen­topf alle ist), vor dem Café Simit Evi, Mül­lerstr. 147

Evas Hal­te­stel­le, Mül­lerstra­ße 126, 13347 Berlin

Unter Druck, Kul­tur von der Stra­ße e.V., Ouden­ader Str. 26, 13347 Ber­lin, Tel./Fax. (030) 247 290 40, unterdruck@t‑online.de, www.unter-druck.de, Öff­nungs­zei­ten: Mon­tag, Diens­tag, Mitt­woch, Sonn­tag 14 – 18 Uhr, Don­ners­tag 11 – 15 Uhr, Kiez­früh­stück, Frei­tag 13 – 16 Uhr, Frau­en­tag, Sams­tag geschlossen

 

Autorenfoto Susanne Haun

 

Susan­ne Haun ist Künst­le­rin und beschäf­tigt sich seit einem guten Jahr inten­si­ver mit der The­ma­tik der Obdach­lo­sig­keit. Die gefun­de­nen Geschich­ten der Stra­ße bewe­gen sie. Sie hat gelernt, dass nur da gehol­fen wer­den kann, wo die Hil­fe auch ange­nom­men wird.

 

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Susanne Haun

Susanne Haun studierte Kunstgeschichte und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Seit 2002 ist sie als Bildende Künstlerin und Autorin in Berlin aktiv.
Von 1993-2005 arbeitete sie als Systemanalytikerin und Entwicklerin für verschiedene ARD Sendeanstalten.

Als Autorin veröffentlicht sie seit März 2009 täglich Beiträge zur eigenen Kunst und Kunstgeschichte in ihrem Blog www.susannehaun.com und interagiert dort sowie auf weiteren Social Media Plattformen mit über 12.000 Follower. Zudem unterhält Susanne Haun einen Kunstsalon in ihrem Atelier. Hier werden regelmäßig aktuelle Themen zur Kunst von geladenen Gästen referiert und diskutiert.

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