Am Mittwoch, den 7. November findet auf dem Platz vor dem Simit Evi in der Müllerstr. 147 ab 14 Uhr eine Suppenküche statt. Organisiert haben diese Verkostung die beiden Künstlerinnen Susanne Haun und Gabriele D.R. Guenther im Rahmen ihrer Ausstellung Querbrüche Obdachlos, der Weddingweiser berichtete bereits. Özlem Özmen-Eren, die Besitzerin des Simit Evi hat den beiden für diese Aktion ihre Küche und den Vorplatz vor dem Café zur Verfügung gestellt.
Eine Geste
Den beiden Künstlerinnen ist klar, dass diese einmalige Suppenküche nicht mehr als eine Geste des guten Willens sein kann. Hilfe ist gerade jetzt im beginnenden Winter jeden Tag erforderlich. Beide haben sich mit einer Vielzahl von Obdachlosen um den Leopoldplatz unterhalten. Diese Gespräche waren eindrückliche Erlebnisse. So auch das Gespräch mit den beiden polnischen jungen Männern am U‑Bahnhof Seestraße, die lieber in Berlin als in Polen auf der Straße leben. Im Juni diesen Jahres berichtete das rbb Inforadio, dass nach Schätzung der Regierung in Warschau etwa 2.000 polnische Obdachlose in Berlin leben. Nach Schätzung der Hilfsorganisatoren dürften es aber um die 6.000 sein, die zum Teil kein Deutsch sprechen. Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, wenn er ohne große Sprachkenntnisse lieber auf deutschen statt auf polnischen Straßen lebt?
Zwei Frauen
Es fallen besonders zwei Frauen unter den Obdachlosen auf. Die eine schläft öffentlich unter bunten Decken rund um den Leopoldplatz. Bis auf ihre Haare ist nichts von ihr zu sehen, die Menschen strömen um sie herum, ohne sie zu beachten. Auf die Frage, wie sie dazu gekommen sei, auf der Straße zu leben, antwortet sie unerwartet. Sie sei nicht obdachlos, sagt sie, sie würde putzen und landwirtschaftlich arbeiten. Wie soll ihr geholfen werden, wenn sie ihre Situation verleugnet? Auch mit der anderen Frau ist es schwierig, Kontakt aufzunehmen. Sie sammelt alles, was andere Leute auf der Straße entsorgen und gruppiert es um sich herum. Mit Kinderwagen über eine Blumenvase inklusive zerknickter Rose, Regal, Tisch und Kleidung baut sie sich auf der Straße ihren Wohnbereich. Auch sie schläft unter ihren gesammelten Lumpen. Es ist rührend und erschreckend zugleich. Kommt man ihr zu nahe, dann schimpft sie mit hoher Stimme, eine Unterhaltung ist selten möglich. Nach knapp drei Monaten bekommt sie einen Platzverweis, zwei Damen vom Ordnungsamt sehen zu, wie die BSR ihre enorme Menge an Gesammelten entsorgt. Seither ist sie verschwunden, wird aber sicher an anderer Stelle im Wedding wiederauftauchen, dafür ist sie bekannt. Die Berliner Zeitung schreibt, dass es kaum Notunterkünfte für Frauen in Berlin gibt. Wie gut, dass Evas Haltestelle (siehe hier im Weddingweiser) bei uns im Wedding in der Müllerstraße 126 bis zu 100 Frauen aufnehmen kann.
Unter Druck – Kultur von der Straße e.V.
Langfristig Hilfe bietet Jan Markowsky und sein Team schon seit 2006 im Laden Unter Druck in der Oudenader Straße 26 an. Hier kann jeder kommen, nicht nur die, die schon obdachlos sind, sondern auch die, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete am Monatsende zahlen können. Es gibt immer etwas zu Essen, Halloween war der Ladenraum liebevoll gruselig schön geschmückt und zum Nachtisch gab es roten und grünen Wackelpudding. Der Laden ist aber nicht nur zu Halloween voll, sondern auch an den normalen Tagen der Woche. Im Gespräch erzählt Jan von seiner Art zu helfen. Neben dem Essen kann hier auch eine kurze Dusche genommen oder während den Öffnungszeiten der Ruheraum benutzt werden. Jan muss darauf achten, dass die Hilfe nicht die Finanzierung des Vereins sprengt. Die Grundfinanzierung ist vom Bezirk gesichert, es ist zu wenig Geld, weswegen der Verein auch auf Spenden angewiesen ist. Ohne die Hilfe der ehrenamtlichen Betreiber des Vereins wäre jedoch das umfangreiche Programm zur Hilfe nicht möglich. Es geht darum, Vertrauen zu den oft Verzweifelten aufzubauen. Nach Absprache ist es möglich, zum Jobcenter begleitet zu werden. „Man sollte sich seiner Armut nicht schämen!“, sagt Jan. Mit viel Herzblut ist er den Hilfesuchenden ein Gesprächspartner und baut Vertrauen zu ihnen auf. Sein Konzept geht auf, sie kommen immer wieder. Jan ist es wichtig, dass er in jeden Menschen die Individualität sieht, es gibt nicht „den Obdachlosen“, jeder hat seine Geschichte. Jan ist jedem, der möchte, ein Gesprächspartner. Es ist nicht immer einfach, Kontakt aufzunehmen, Vertrauen aufzubauen und manchmal wird die Hilfe auch nicht angenommen. Bei der Ausstellungseröffnung Querbrüche Obdachlos sang Jan mit seinem Team das Lied vom Jobcenter. Schon seit 10 Jahren singen sie das Lied und es hat (leider) von seiner Aktualität nichts verloren.
Informationen
Suppenküche im Rahmen der Ausstellung Querbrüche Obdachlos, Mittwoch, den 7. November ab 14 Uhr (bis der große Suppentopf alle ist), vor dem Café Simit Evi, Müllerstr. 147
Evas Haltestelle, Müllerstraße 126, 13347 Berlin
Unter Druck, Kultur von der Straße e.V., Oudenader Str. 26, 13347 Berlin, Tel./Fax. (030) 247 290 40, unterdruck@t‑online.de, www.unter-druck.de, Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Mittwoch, Sonntag 14 – 18 Uhr, Donnerstag 11 – 15 Uhr, Kiezfrühstück, Freitag 13 – 16 Uhr, Frauentag, Samstag geschlossen
Susanne Haun ist Künstlerin und beschäftigt sich seit einem guten Jahr intensiver mit der Thematik der Obdachlosigkeit. Die gefundenen Geschichten der Straße bewegen sie. Sie hat gelernt, dass nur da geholfen werden kann, wo die Hilfe auch angenommen wird.
Alles Gute! Gerda, Athen..
Liebe Susanne, von der Kunst zur Aktion. Finde ich toll, welche Kreise dein Engagement zieht. Aktionskunst sozusagen 😉