Senioren- und Pflegeeinrichtungen stehen derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung weit oben. Einerseits, weil die Nachrichten von verheerenden Corona-Infektionsausbrüchen nicht abreißen. Andererseits, weil hier die Impfungen durch mobile Teams bereits angelaufen sind. Gute Gründe, sich bei Clarissa Meier, Betreiberin und Geschäftsführerin sowohl des Seniorendomizils an der Panke als auch des Hotels Big Mama in der Koloniestraße nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
Wie waren die Feiertage im Seniorendomizil? So trüb und einsam, wie von vielen befürchtet?
Clarissa Meier: So schlimm war es nicht. Wir sind ein sehr familiäres Haus und pflegen ein persönliches Verhältnis zu unseren Bewohnerinnen und Bewohnern. So konnten wir manche gedrückte Stimmung auffangen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die nicht nur über die Feiertage, sondern auch schon die gesamte Zeit vorher so großartig mitgezogen haben, die Herausforderungen der Pandemie zu meistern.
Sie sind bisher also „gut durchgekommen“?
Clarissa Meier: Gesundheitlich auf jeden Fall ja. Wir hatten bisher keine Infektionen. Toi, toi, toi. Aber wir haben auch alles Erdenkliche getan, um das Risiko zu minimieren. So haben wir unsere privaten Kontakte außerhalb des Domizils auf ein Minimum reduziert und die Teams etagenweise organisiert. Und wir haben Geld in die Hand genommen, um stets gute Ausrüstung, z.B. FFP2-Masken, ausreichend vorrätig zu haben. Die Belegschaft wird jeden zweiten Tag getestet, die BewohnerInnen etwa einmal pro Woche. Dabei kommt uns zugute, dass wir eine wirtschaftlich eigenständige Einrichtung sind, d.h. alle Entscheidungen erfolgen flexibel, zielgerichtet und vor allem schnell. Ob und wann wir diese Mehraufwendungen erstattet bekommen, wissen wir noch nicht. Wir sind da jetzt erstmal deutlich in Vorleistung gegangen, auf unser eigenes Risiko.
Sie sind nun auch schon komplett durchgeimpft. Wie lief das ab?
Clarissa Meier: Der Impfvorgang an sich ganz einfach. Das mobile Impfteam kam zu fünft an zwei aufeinander folgenden Tagen ins Haus. Dann haben wir unsere BewohnerInnen einzeln und Etage für Etage in den umfunktionierten Besprechungsraum begleitet. Dort gab es ein individuelles Beratungsgespräch mit dem Arzt, den Austausch der Papiere und natürlich die Spritze. Das ging flott, kompetent und freundlich über die Bühne und am Abend des zweiten Tages waren wir durch und alles war erledigt.
Das Ganze wird sich in genau 21 Tagen wiederholen und danach noch eine Woche abwarten, und dann ist wohl eine Immunität gegeben, welch Segen.
Clarissa Meier: Die eigentliche Arbeit hat aber schon viel früher begonnen. Wir haben die Zeit über Weihnachten und Silvester genutzt, um unsere BewohnerInnen über die Impfung aufzuklären, die Einverständniserklärungen einzuholen und ggf. mit den BetreuerInnen und HausärztInnen zu sprechen. Letztlich haben sich etwa 80 Prozent impfen lassen. Und es war klug, den Papierkram nicht unterschätzt und beizeiten damit angefangen zu haben. Etwas Irritation gab es im Vorfeld. Zunächst hieß es, daß die Belegschaft an dem Tag gleich mitgeimpft wird. Das wurde später korrigiert. Es war dann aber völlig unproblematisch, Impfcodes – also sozusagen die Gutscheinnummern – für die Arena in Treptow zu bekommen.
Viele Senioren leben zuhause und werden dort betreut. Haben Sie Informationen, wie diese Menschen zu ihrer Impfung kommen?
Clarissa Meier: Alle SeniorInnen werden angeschrieben und können dann einen Termin im Impfzentrum vereinbaren. Großartig finde ich die Möglichkeit, für die Fahrt kostenlos ein Taxi in Anspruch nehmen zu können. Wie das bei Personen geregelt ist, die nur mit Krankentransport oder gar nicht mobil sind, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich würde meinen, dass da der jeweilige ambulante Pflegedienst der erste Ansprechpartner ist. Allerdings wurden mir schon Fälle geschildert, nach denen man nicht überall mit allzuviel Unterstützung rechnen sollte.
Welche Wünsche und Bitten haben Sie aus Sicht einer Pflegeeinrichtung an die Politik?
Clarissa Meier: Nicht explizit an die Politik, sondern an alle. Mich wurmt ganz generell die Tendenz, das alles, was im Rahmen der Pandemie beschlossen und getan wird, erstmal madig gemacht und zerredet wird. Es ist doch niemand „Schuld“ an Covid-19 und unsere erste Frage müsste doch sein, was wir selbst gegen die Verbreitung des Virus tun können. Statt dessen wird viel Energie darauf verwendet, noch die hinterletzten Ungereimtheiten aufzuspüren und nach Lücken in irgendwelchen Bestimmungen zu suchen. Ganz zu schweigen von den vielen abstrusen Verschwörungstheorien, die in Umlauf sind. All dies führt dazu, dass die Problemlage insgesamt mit einer gewissen Lässigkeit betrachtet wird, bei der die Einhaltung der elementaren Verhaltensregeln nicht mehr über den Status einer unverbindlichen Empfehlung hinauskommt. Für die Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen, die aus gutem Grund einen täglichen Eiertanz aufführen, um das Virus „draußen“ zu halten, ist es sehr frustrierend zu sehen, mit welcher Nachlässigkeit manche „draußen“ damit umgehen. Hier könnte die Politik in der Tat mehr tun: Mehr Kontrolle, mehr Bußgeld.
Sie betreiben neben dem Seniorendomizil auch das Hotel „Big Mama“. Im Moment wohl nicht gerade eine umsatzstarke Unternehmung?
Clarissa Meier: Wohl wahr. Der Umsatz ist auf ein Bruchteil des ‚normalen‘ Geschäfts zusammengeschnurrt. Mit geschäftlichen Übernachtungen können wir den fehlenden touristischen Anteil nicht kompensieren. Wir haben uns trotzdem dazu entschlossen, das Hotel geöffnet zu halten, auch aus psychologischen Gründen. Es ist viel einfacher, demnächst dann hoffentlich den Betrieb einfach wieder hochzufahren als mit einem lange geschlossenen Haus von Null aus neu zu starten. Die November-Unterstützungen, die wir zu 50 Prozent bereits erhalten haben, sind bei dieser Entscheidung eine wichtige Hilfe gewesen. Und für den Januar haben wir auch unverschämtes Glück, da sich eine Filmproduktion in größerem Umfang eingemietet hat und wir so auch etliche Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Der Text ist in der Wahlkreis-Rundschau von Abgeordneten Ralf Wieland erschienen. Einer Übernahme haben er und die interviewte Clarissa Meier zugestimmt. Vielen Dank!