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Kitamangel? Hört auf zu klagen!

7. März 2018
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Schlange, Anstehen
Kita­plät­ze – der Andrang ist groß. Foto: And­rei Schnell

Kom­men­tar Sel­ten sind sich alle so einig wie beim Kita­man­gel. Doch auch wenn alle ins glei­che Horn sto­ßen, wird noch lan­ge nicht die rich­ti­ge Melo­die gespielt. Statt das Kla­ge­lied anzu­stim­men, ist es Zeit für einen Zwi­schen­ruf: Ansprü­che run­ter, lie­be Eltern! Ihr nehmt immer mehr für selbst­ver­ständ­lich. Wo bleibt die Bereit­schaft, selbst etwas zu tun? Die­ser Kom­men­tar stellt sich in vier Punk­ten quer zur aktu­ell übli­chen Litanei:
Eins vor­weg: Natür­lich ist es rich­tig, dass es zu wenig Kita­plät­ze in Ber­lin gibt. Natür­lich frus­triert es, über­all abge­wie­sen zu wer­den. Selbst­ver­ständ­lich füh­len sich Zusatz­ge­büh­ren ohne Gegen­leis­tung wie Abzo­cke an. Doch nun zum Aber:

Hauptstadtkinder e.V.
Vie­le neue Kitas eröff­ne­ten in den letz­ten Jah­ren – wie die­se im Brun­nen­vier­tel. Foto: And­rei Schnell

1. Das Mehr:  Eine Fra­ge, war­um jam­mern die jun­gen Eltern? Das Land Ber­lin hät­te viel mehr Grund dazu. 2008 wur­den in Ber­lin rund 120.000 Kin­der in ver­schie­de­nen Tages­ein­rich­tun­gen betreut. 2017 waren es schon über 160.000. Was wür­det ihr, Ber­li­ner Mamas und Papas, in eurem Job zu einer sol­chen Mehr­be­las­tung sagen? Das Land Ber­lin hat nicht gemo­sert, son­dern ange­packt. Allein mit dem Kita- und Spiel­platz­sa­nie­rungs­pro­gramm wur­den Mil­lio­nen Euro in den Kita­aus­bau gesteckt. Ber­lin regelt´s und ihr regt euch auf.

2. Eigen­an­teil: Die Wed­din­ger Kita “Tüte Mücken” ist ehr­lich und schreibt offen auf ihrer Web­sei­te, 75 Euro Zuzah­lung für Extra­leis­tun­gen zu erhe­ben. Noch vor weni­gen Jah­ren hät­ten sich vie­le Eltern über einen sol­chen Betrag gefreut. Frü­her muss­ten alle einen Eigen­an­teil zah­len, und der war hef­tig für Leu­te mit eige­nem Ein­kom­men. Heu­te soll die Kita kos­ten­los sein. Für arm, aber auch für reich. Blick zurück: Ab 2007 war in Ber­lin zunächst nur das letz­ten Kita­jahr für alle bei­trags­frei gewor­den. Doch das bei Face­book gelern­te Umsonst­den­ken greift wei­ter um sich. Ab dem 1. August 2018 kommt die Null-Betei­li­gungs-Kita. Immer mehr wird gefor­dert (auch von den sozi­al Star­ken), und gleich­zei­tig wird immer weni­ger  beigetragen.

Waldkindergarten
Traum­ki­ta Wald­kin­der­gar­ten – am liebs­ten kos­ten­los und per Maus­klick? Foto: And­rei Schnell

3. Das Kla­gen: In eini­gen Bezir­ken haben jun­ge Fami­lie vor Gericht geklagt, weil kein Kita­platz vor­han­den ist. Und bekom­men jetzt tat­säch­lich recht und damit Geld vom Staat. Ein Beweis für die schreck­li­che Lage? Oder ein Beweis für die uner­hört gestie­ge­nen Ansprü­che? Am 1. August 2013 wur­de das Recht auf einen Kita­platz für Kin­der ab drei (!) Jah­ren ein­ge­führt. Das war damals in Wahr­heit uto­pisch. Die Rich­ter waren anfangs rea­lis­tisch genug und urteil­ten, dass es genügt, wenn Ber­lin sich anstrengt, Kita­plät­ze zu schaf­fen. Nur weni­ge Jah­re spä­ter glau­ben Rich­ter, Ber­lin müs­se ech­te Plät­ze ver­mit­teln. Und das sogar ab dem ers­ten (!) Lebens­jahr. Man­cher will oben­drein, dass das online gesche­hen soll. Damit die Mamas und Papas auf dem hei­mi­schen Sofa wie bei Tin­der blö­de Kitas weg­drü­cken kön­nen. Ist euch bewusst, auf wel­chem Niveau ihr jammert?

4. Die Schlaff­heit: Lie­be jun­gen Eltern, wenn Euch etwas quer im Hal­se steckt, dann rennt ihr zum Anwalt. Die Gene­ra­tio­nen vor euch hat­ten für unbe­que­me Lagen ande­re Lösun­gen in pet­to. Bei­spiel Wed­ding: Vor 25 Jah­ren wur­de die Initia­tiv­ki­ta Vil­la Römer gegrün­det, die Kita Krü­mel­ban­de gibt es seit rund 35 Jah­ren und bereits 1971 wur­de die Eltern-Initia­tiv­ki­ta Am Schil­ler­park gegrün­det. Weil es meh­re­re Gene­ra­tio­nen “Ich hand­le, also bin ich” gab, sitzt die heu­ti­ge Gene­ra­ti­on “Ich bestel­le, also bin ich” mit 45 Eltern-Initia­tiv-Kitas (allein im Wed­ding) im gemach­ten Nest.

Ja, die Lage ist dra­ma­tisch. Aber ihr jun­gen Eltern: In den letz­ten Jah­ren sind euch vie­le Anrech­te in den Schoß gelegt wor­den. Ja, ihr habt Rech­te. Aber habt ihr auch Hän­de, in die ihr spu­cken und in die ihr euer eige­nes Schick­sal neh­men könnt.

Text: And­rei Schnell, Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

8 Comments

  1. Wir haben damals in den 90ziger Jah­ren einen Kin­der­la­den gegrün­det. Der Staat hat das unter­stützt. Es war trotz­dem viel Eigen­leis­tung in Form von orga­ni­sa­to­ri­scher Arbeit not­wen­dig und es muss­te ein Ver­ein gegrün­det werden.
    Wie sieht das heu­te aus? Es ste­hen sehr vie­le Läden im Wed­ding leer, viel­leicht sind eini­ge für Eltern­in­itia­ti­ven geeig­net. Man kann übri­gens auch Erzieher*innen und Putz­män­ner / ‑frau­en anstel­len, so dass die Eltern ihrer Arbeit nach­ge­hen kön­nen. So lief das damals bei uns.

  2. So ein unre­flek­tier­ten Arti­kel habe ich schon lan­ge nicht mehr gele­sen und der Schreib­stil lässt auch zu wün­schen übrig. …aber ist ja typisch wed­ding­wei­se. Sie­he namens­um­be­nen­nung im afri­ka­ni­schen Viertel…

  3. Wir suchen auch einen Kita Platz. Was mich nervt: Wir war­ten seit fünf Mona­ten auf unse­ren Kita Gut­schein. Die Kitas wol­len den ver­ständ­li­cher­wei­se sehen, vor­her gibt es kei­nen Platz. Eltern mel­den sich sicher­heits­hal­ber in zwei Dut­zend Kitas an… das ist absurd. Ich wür­de ger­ne pla­nen, ob ich ein, zwei oder drei Mona­te kein Gehalt bekom­me, weil ich kei­nen Platz bekomme… 

    Wer passt auf ihre drei Kin­der auf?

  4. So eine der­ma­ßen ver­all­ge­mei­nern­de Leser-Beschimp­fung habe ich lan­ge nicht mehr gele­sen! Da sind wohl mit dem And­rei alle Gefühls­pfer­de durch­ge­gan­gen! Fak­tisch bele­gen wird er all sei­ne Behaup­tun­gen näm­lich lei­der nicht kön­nen. Und auch des­halb ist der Text in sei­ner hei­li­gen Ein­falt kaum zu über­tref­fen. Sehr ärgerlich!

    • Pro­fes­sio­nel­le Jour­na­lis­ten wie Du wür­den es sich wahr­schein­lich ver­knei­fen, gegen den Leser zu schrei­ben. Ein­fa­cher ist es für sie, die Ver­wal­tung zu kri­ti­sie­ren. In die­sem Fall erschien mir ein sol­ches Vor­ge­hen unan­ge­mes­sen. Denn der Staat tut zur Zeit in der Kita­fra­ge sehr viel für jun­ge Eltern.

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