Meinung Wenn was im Wedding kommt, dann immer gleich doppelt und dreifach. Wir erleben das gerade an der Müllerstraße mit ihrer hohen Dichte an Filialisten. An anderen, nicht weniger lebendigen Stellen herrscht dagegen gähnende Leere. Der Markt regelt eben doch nicht alles von allein.
Die Müllerstraße hat schon heute drei dm-Drogeriemärkte auf engstem Raum zu bieten. Und jetzt, wo sich mitten im Multikulti-Bezirk eine Filiale des Supermarkts Bio-Company etabliert hat, entsteht noch ein denn’s Biomarkt – schräg gegenüber. Ausgerechnet im “Yuppie-Studi-Loft-Haus”, wie uns unsere Leserin Nadine schrieb. Manch einer wunderte sich, dass sich bereits ein teurer Supermarkt dieser Art im Wedding halten kann. Ob da vor Ort noch Luft für einen Konkurrenten ist? Darüber hinaus scheinen Weddinger öfter krank zu sein als der Durchschnitt. Zumindest, wenn man es an der Zahl der Apotheken in der Müllerstraße und in der Badstraße bemisst.
Auf nur einem Kilometer konzentrieren sich entlang der Müllerstraße die Handelsketten Kaufland, EDEKA, ALDI, Real, Penny und auch REWE. Im Untergeschoss des Cittipoints breitet sich auf der früheren Kaiser’s‑Fläche ein REWE Center aus – und verschluckt den Discounter Netto. “Wir wollten die Filiale nicht schließen (…), sondern mussten, da wir eine Kündigung des Vermieters erhalten haben und dieser andere Pläne (…) hat. Wir haben uns mehrere Jahre um eine moderne Filiale bemüht, aber man war eigentümerseitig daran nicht interessiert“, schreibt Netto einem unserer Leser. „Wir sind aber in fortgeschrittenen Verhandlungen für eine neue Filiale, die dann auch die Filiale in der Müllerstraße 153 ersetzen soll. Mit viel Glück werden wir ab Frühjahr 2019 dann mit einem neuen und modernen Auftritt wieder für Sie da sein.“
Ganze Kieze ohne Supermarkt
Ganz anders geht es im Afrikanischen Viertel bis zu den Rehbergen und im Brüsseler Kiez zu. Zwischen Moabit und der Müllerstraße gibt es kilometerweit weder einen Discounter noch einen größeren Supermarkt, geschweige denn einen Drogeriemarkt. Wer beispielsweise am Nachtigalplatz oder an der Amrumer Straße wohnt, hat oft weite Wege. Die kleineren Supermärkte, die es früher gab, sind verschwunden.
Das alles sieht nicht nach einer ausgewogenen Mischung im ansonsten doch so bunten Wedding aus. Das riecht nach Verdrängungswettbewerb auf nur einer Straße, während von zehntausenden Menschen bewohnten Kieze keine Nahversorgungsgeschäfte mehr haben. Dort muss man kleine Brötchen backen: In der Togostraße/Kameruner Straße gibt es seit vielen Jahren einen Naturkostladen. Und in der Lüderitzstraße verkauft ein Bauer seine regionalen Produkte in einem eigenen „Kartoffelladen“. Das ist eine gute Sache, aber für viele Dinge reicht das nicht aus. Und so ergeht an die großen Handelsketten der Appell: Vergesst bei euren Neueröffnungen nicht die vielen Weddinger abseits der Müllerstraße! Meist ohne Auto, alt und jung, gesund oder mit Handicap.
Gilt auch für den Osram-Kiez. Immerhin ist hier noch ein schmuddeliger Netto. Der Aldi hat vor längerem zu gemacht und steht leer. Und es gibt den türkischen Supermarkt Kral – der aber mindestens so unfreundlich wie der Netto ist.
Tja, wenn nur der Preis entscheidet, gewinnen am Ende nur die dicken Fische, die über Masse ihren Schnitt machen.
Und bei der überwiegenden Bevölkerung im Wedding entscheidet nunmal der Preis.
Außerdem – seien wir doch mal ehrlich – bieten die meisten Kieze kaum Anreiz für Laufkundschaft. Und soooo voll ist die Müllerstraße nun auch wieder nicht mit Menschen. Ich denke aufgrund mangelden Angebots und örtlicher Kaufkraft. Stellen wir uns vor, diese Menschen verteilten sich in die Kieze, dann würde der Wedding bestimmt ganz schön leer wirken.
Zwischen Moabit und Müllerstr. liegt immerhin das „Einkaufsparadies“ am Friedrich-Krause-Ufer mit ALDI, KIK, ja.…
Das ist noch Moabit und zählt nicht.