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Karstadt: Zwischen Abriss und goldener Zukunft

26. März 2021
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Beim Stadt­ent­wick­lungs­aus­schuss kann man manch­mal viel ler­nen. Zum Bei­spiel, dass Kar­stadt am Leo­pold­platz gar nicht Kar­stadt gehört, son­dern der Ver­si­che­rungs­kam­mer Bay­ern. Oder, dass eine Nach­richt in den Medi­en zwar für Über­ra­schun­gen, aber nicht unbe­dingt für Auf­klä­rung sor­gen muss. Die Fra­ge, die von Jour­na­lis­ten in den Raum gestellt wur­de, bleibt auch nach der Aus­schuss­sit­zung am Mitt­woch (24.3.): Wird Kar­stadt Mül­lerstra­ße abge­ris­sen oder steht ihm eine gol­de­ne Zukunft bevor? (Sie­he auch unse­ren Kom­men­tar zum The­ma)

Unkla­re Signa­le sen­det der Besit­zer von Grund­stück und Waren­haus in der Mül­lerstra­ße 25. “Der Eigen­tü­mer wür­de das Kauf­haus am liebs­ten abrei­ßen las­sen”, so fass­te Jour­na­lis­tin Julia Weiss in ihrem wöchent­li­chen Mit­te-News­let­ter für den Tages­spie­gel zusam­men. Am Mitt­woch spra­chen Beauf­trag­te des Inves­tors bei der Aus­schuss­sit­zung von einer mög­li­chen guten Zukunft des Stand­orts. Wie passt das zusammen?

So positioniert sich der Eigentümer

Die Mit­glie­der des Aus­schus­ses für Stadt­ent­wick­lung hat­ten am Mitt­woch (24.3.) ab 18.45 Uhr einen beson­de­ren Gast. Ein­ge­wählt hat­te sich der Mana­ging Direc­tor – nicht Geschäfts­füh­rer – der Value Real Estate Sascha Basic. Er sag­te in sei­nem Vor­trag: “Wir müs­sen ein Zukunfts­kon­zept für die Mül­lerstra­ße erar­bei­ten”. Er warb dafür, mit der Poli­tik in “einen Dia­log ein­zu­tre­ten”. Als Ver­tre­ter des Inves­tors ist es sein “Wunsch, kei­nen Leer­stand zu haben.” Wor­te, die posi­tiv klin­gen. So als ob in dem rot­brau­nen Kauf­haus noch lan­ge Beklei­dung, Schu­he und All­tags­wa­ren ver­kauft wer­den sollen.

Gleich­zei­tig spricht der Immo­bi­li­en­ver­wal­ter von den Pro­ble­men des Ein­zel­han­dels. Im Ver­gleich zum Online-Shop­ping blei­ben Vor-Ort-Läden zurück. Sta­tis­ti­ken bele­gen zudem den Nie­der­gang des beson­de­ren Kon­zep­tes Waren­haus. Im Unter­schied zu den Ein­kaufs­zen­tren wie Malls (Gesund­brun­nen-Cen­ter, Clou oder Schult­heiss­Quar­tier) haben Waren­häu­ser einen ein­zi­gen Mie­ter – in der Mül­lerstra­ße 25 ist es Gale­ria Kauf­hof Kar­stadt. Auf fast 18.000 Qua­drat­me­ter Ver­kaufs­flä­che prä­sen­tiert sich nur ein Anbie­ter. Will Sascha Basic sagen, dass Waren­häu­ser gegen Mall und Inter­net kei­ne Chan­ce mehr haben? Zumin­dest ver­steht es Stadt­rat Ephra­im Gothe so und sagt dazu: “Als Bezirk wol­len wir nichts an der Bau­rechts­aus­wei­sung ändern, der Sta­tus Waren­haus soll erhal­ten bleiben.‟

Die Bezirks­ver­ord­ne­ten frag­ten, war­um der Inves­tor das Haus gekauft hat, wenn die Aus­sich­ten so düs­ter sind? Ant­wort: “Wir haben 2018 einen Miet­ver­trag über 20 Jah­re abge­schlos­sen”. Der Inves­tor, die Ver­si­che­rungs­kam­mer Bay­ern sei ein vor­sich­ti­ger, lang­fris­tig ori­en­tier­ter, soge­nann­ter kon­ser­va­ti­ver Akteur. Das war vor der Insol­venz von Gale­ria und vor der Pan­de­mie. Nun gibt es eine neue Situa­ti­on – die Miet­ein­nah­men tröp­feln. “Gale­ria zahlt mehr Betriebs­kos­ten als Mie­te, obwohl die Betriebs­kos­ten durch­schnitt­lich sind.” Ein Pro­blem für den Ver­si­che­rer und die Versicherungsnehmer.

Was kann am Leo verbessert werden?

Trotz oder wegen der düs­te­ren Zukunfts­aus­sich­ten spricht Sascha Basic mit Nach­druck davon, dass der Stand­ort attrak­tiv wer­den muss. Wobei er mit Stand­ort die gesam­te Mül­lerstra­ße meint. “Kön­nen wir nicht was Neu­es gene­rie­ren?”, fragt er. Sei­ne Stich­wor­te: Öff­nung nach außen, Wün­sche der Stadt, der Bewoh­ner. “Was kön­nen wir an dem Hoch­fre­quenz­punkt verbessern?” 

Was bleibt unterm Strich? Einer­seits: Sascha Basic kom­men­tiert nicht Ver­mu­tun­gen, ein Abriss stün­de zur Dis­kus­si­on. Ein Punkt, an dem er ohne Not viel­deu­tig bleibt. Ande­rer­seits: Sein Wer­ben für eine Zukunfts­per­spek­ti­ve für den Stand­ort klingt ernst gemeint. Was er mit sei­nen blu­mi­gen For­mu­lie­run­gen meint, was er sich genau vor­stellt, hält er zurück. Vor allem bleibt unklar, was der Inves­tor vom Bezirk erwar­tet. Das ver­schiebt sich in die Ver­hand­lun­gen – er sagt Dia­log – mit der öffent­li­chen Hand. Mit ande­ren Wor­ten: Um die Zukunft des Gebäu­des wird der­zeit gerungen.

Hintergrund

Sascha Basic berich­te­te in sei­nem Vor­trag inter­es­san­te Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen. So ist der Eigen­tü­mer die Ver­si­che­rungs­kam­mer Bay­ern. Die Value Real Estate ist als Ver­wal­ter beauf­tragt. In Ber­lin hat der Ver­si­che­rer 2018 Kar­stadt­fi­lia­len in Span­dau, Tem­pel­hof und Wed­ding gekauft. In der aktu­el­len Kri­se konn­te “nur durch die erheb­li­chen Zuge­ständ­nis­se bei Mie­te, Lauf­zeit und Instand­hal­tung eine Schlie­ßung der Stand­or­te abge­wen­det wer­den”. Der jet­zi­ge neue Miet­ver­trag für das Haus im Wed­ding läuft nun nicht mehr jahr­zehn­te­lang, son­dern bloß noch bis 2024. Der gesam­te Kon­zern Gale­ria Kauf­hof Kar­stadt hat auf­grund der Pan­de­mie 460 Mil­lio­nen Euro Staats­hil­fen angenommen.

Links

Hier fin­det ihr einen Mei­nungs­bei­trag zum The­ma Warenhaus

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

3 Comments

  1. Hal­lo Andrei, 

    Sascha Basics Gedan­ken zur gesam­ten Mül­lerstra­ße “Kön­nen wir nicht was Neu­es gene­rie­ren?” und sei­ne Stich­wor­te “Öff­nung nach außen, Wün­sche der Stadt, der Bewoh­ner” erin­nern mich an die »Zukunfts­kon­fe­renz Müllerstraße«.

    Im Jahr 1999 habe ich an die­ser Ver­an­stal­tung teil­ge­nom­men, einem Pro­jekt der Loka­len Part­ner­schaft Wed­ding im Rah­men der WERKSTATT AGENDA 21 des Bezirks­am­tes Wed­ding. Wäh­rend der drei­tä­gi­gen Zukunfts­kon­fe­renz wur­den Visio­nen für die Mül­lerstra­ße 2020 erarbeitet. 

    Wäre es nicht inter­es­sant, heu­te zu schau­en, wel­che Ideen damals ent­wi­ckelt, wel­che Zie­le erar­bei­tet und wel­che seit­her umge­setzt wur­den? Umfang­rei­che Unter­la­gen aus der Ver­an­stal­tung und der Pha­se danach habe ich parat.

    An die von Susan­ne Haun erwähn­te Händ­ler­ge­mein­schaft Obe­re Mül­lerstra­ße kann ich mich auch erinnern. 

    Grü­ße aus dem Wedding,
    Susanne

  2. Hal­lo Andrei,
    ich habe schon bei Joa­chims Bei­trag mei­ne Mei­nung zu Kar­stadt gepostet.
    Inter­es­sant, dass Kar­stadt nicht Kar­stadt gehört.
    Die Mül­lerstras­se inter­es­san­ter gestal­ten hat der inzwi­schen abge­wi­ckel­te Ver­ein der Händ­ler­ge­mein­schaft der Mül­lerstra­ße ver­sucht, lei­der hat es nicht wirk­lich funktioniert.
    Mei­ne Mei­nung nach dem War­um möch­te ich nicht so ger­ne öffent­lich erläu­tern. Viel­leicht kön­nen wir mal bei Gele­gen­heit dar­über plauschen.
    Lie­be Grü­ße von Susanne

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