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Meinung: Nicht am Warenhaus kleben

26. März 2021
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Karstadt Warenhaus

Letz­tes Jahr haben sich vie­le Politiker:innen, Anwohner:innen und Pri­vat­per­so­nen für den Erhalt der Kar­stadt-Filia­le am Leo­pold­platz ein­ge­setzt. Der Waren­haus­kon­zern war ins Strau­cheln gera­ten, schon vor dem Beginn der Coro­na-Pan­de­mie, und von der Vor­stel­lung, dass es im Nor­den Ber­lins zumin­dest ein kon­ven­tio­nel­les Kauf­haus geben soll­te, woll­ten sich die Wenigs­ten ver­ab­schie­den. Das ist eine gefühl­te Ewig­keit her. Ein per­sön­li­cher Abschied von einem Kon­zept aus einer ande­ren Zeit. 

Wo ist die Kassenschlange?

Nach eini­gen Mona­ten Lock­down kommt mir das Prin­zip eines Waren­hau­ses, zumin­dest so wie es Kar­stadt am Stand­ort Leo­pold­platz betrie­ben hat, inzwi­schen völ­lig aus der Zeit gera­ten vor. Ein enger, schlauch­ar­ti­ger Ein­gang, ein zuge­stell­tes Erd­ge­schoss, bis man zu den Roll­trep­pen kommt, dann die Suche nach der rich­ti­gen Abtei­lung, schließ­lich das Hof­fen auf eine per­sön­li­che Bera­tung und dann die Fra­ge, wo denn jetzt eigent­lich die ein­zi­ge Kas­se des gan­zen Geschos­ses ist. Im Grun­de muss­te man nur nach der War­te­schlan­ge Aus­schau halten.

Karstadt Eingang zum Warenhaus

Ja, Kar­stadt hat­te lan­ge Zeit das viel­leicht bes­te Sor­ti­ment im Wed­ding, eine Fein­kost­ab­tei­lung, gro­ße Aus­wahl an Klei­dung, Taschen, Par­füms, Uhren und Schmuck. Aber das ist (auch schon vor dem Lock­down) immer weni­ger gewor­den, am Ende ist es nur noch ein Schat­ten des eins­ti­gen Ange­bots. Nichts, was man nicht woan­ders ohne Auf­wand auch bekom­men konn­te. Nur nicht in die­ser Form, mit ange­schlos­se­nem Restau­rant und Park­haus, auf ver­schie­de­nen Etagen.

Ange­sichts der Enge, dem doch sehr unper­sön­lich gewor­de­nen Ein­kauf, der lan­gen War­te­rei an der Kas­se fra­ge ich mich: Wür­de ich, von mei­ner lokal­pa­trio­ti­scher Hal­tung abge­se­hen, wirk­lich ger­ne wie­der in den roten Kas­ten gehen, wenn es wie­der unein­ge­schränkt erlaubt ist? Ist es das, was an die­sem wich­ti­gen, zen­tra­len, gut erreich­ba­ren Stand­ort wirk­lich eine Zukunft hat? Wol­len wir dort ein Muse­um des 20. Jahr­hun­derts erhal­ten, statt die Flä­che, das Dach und das Park­haus für etwas wirk­lich Inno­va­ti­ves, im Sin­ne des Gemein­woh­les, zu nut­zen? Ist die Fra­ge denn so abwe­gig, ob die­ser Platz nicht für Wed­din­ger Gewer­be­trei­ben­de, Dienst­leis­tun­gen wie ein Bür­ger­amt, Gemein­schafts­gär­ten oder bür­ger­schaft­li­che Initia­ti­ven genutzt wer­den soll­te? Oder dass man dort Waren, die man im Inter­net bestellt, abholt und dabei noch eini­ge loka­le Pro­duk­te einkauft?

Ich freue mich wirk­lich, dass sich Bezirkspolitiker:innen für den Erhalt des Waren­hau­ses ein­set­zen, weil der Ort tat­säch­lich eine Bedeu­tung für das gan­ze Umfeld hat und noch immer vie­le Arbeits­plät­ze bie­tet. Aber ich wün­sche mir, dass man nicht zu lan­ge am Kon­zept Waren­haus klebt, wenn es sich am Ende, aus ver­schie­dens­ten Grün­den, als nicht mehr zeit­ge­mäß erweist. Dann soll­te die Zeit genutzt wer­den, aus die­sem Gebäu­de, das sicher erhal­tens­wert ist, etwas zu machen, das den Wed­ding wirk­lich auf lan­ge Sicht vor­an­bringt. Spä­tes­tens wenn der Eigen­tü­mer das Inter­es­se an einem gut sor­tier­ten Kauf­haus ver­lo­ren haben soll­te, soll­te der Bezirk zugrei­fen, das Gebäu­de kau­fen und die Flä­che gemein­sam mit den Bürger:innen wei­ter­ent­wi­ckeln. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. 

Karstadt Schaufenster am Warenhaus

Bericht über mög­li­che Abriss­plä­ne des Eigentümers

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

4 Comments Leave a Reply

  1. Ich fin­de uns soll­te unbe­dingt ein Kauf­haus an die­ser Stel­le erhal­ten blei­ben, aber es wäre schön, wenn das Gebäu­de erneu­ert wird und hier eine moder­ne­re Nut­zung ermög­licht wird! Ber­lin und Wed­ding sind in der Lage hier etwas wirk­lich begeis­tern­des zu posi­tio­nie­ren. Das aktu­el­le Kauf­haus ist jeden­falls eher was für Gene­ra­ti­on Ü‑50 und trägt nichts zum Charme des Vier­tels bei (im Gegen­teil). Manch­mal ist “prak­tisch” eben ein­fach nicht gut genug.

  2. Ich lie­be es bei Kar­stadt ein­kau­fen zu gehen. Ich muss nicht von einem Geschäft zum Ande­ren lau­fen, bekom­me Klei­dung, Lebens­mit­tel und ande­re Din­ge für das täg­li­che Leben, unter einem Dach gebo­ten. der anschlie­ßen­de Kaf­fee, ein Stück Kuchen oder ein klei­nes Mit­tag­essen ist auch im Hau­se mög­lich. Die Kas­sen­si­tua­ti­on ist zu überdenken.
    Lei­der lädt die Mül­lerstr. nicht mehr zum Ein­kau­fen ein, des­halb wäre ich über die Kar­stadt Schlie­ßung trau­rig. Es gibt dort immer noch Qua­li­tät zu nor­ma­len Preisen.
    Ein Best/Silver Ager lässt grüßen.
    Inge­borg Bayer

  3. Dan­ke, S. Haun, für die­ses State­ment zum Erhalt von Kar­stadt. Ich kann mich den gewon­ne­nen Ein­drü­cken nur anschlie­ßen. Und: Mei­ne Erfah­rung in Ber­lin ist, dass es übli­cher­wei­se NIE bes­ser gewor­den ist, wenn was Neu­es kam…
    Z.B. ist mei­ne Befürch­tung, dass der Nut­zungs­plan auf­ge­ho­ben wird und dort neue, schi­cke Woh­nun­gen ent­ste­hen. Und die Fol­gen u.a. auch für das Stadt­bild sieht man ja immer wie­der an den Aktio­nen der Lin­ken beim Stu­den­ten­wohn­heim 2 Ecken wei­ter! Und auf die Fol­gen des sozia­len Gefü­ges brau­chen wir gar­nicht wei­ter einzugehen…

  4. Ich glau­be, lie­ber Joa­chim, ich mag gera­de den Charme des Ver­gan­ge­nen. So ähn­lich, wie es im KaDe­We oder Laf­y­et­te prak­ti­ziert wird.
    Ich habe mit den Kar­stadt Verkäufer_innen sehr gut Erfah­run­gen gemacht, sprichst du sie an, bera­ten sie dich her­vor­ra­gend und ein Scherz mit der Kassierer_in ist immer drin. Ich ver­ste­he, dass die Verkäufer_innen nicht sofort auf poten­ti­el­le Kun­den zustür­men. Ist es nicht gera­de das, was die Leu­te im Kauf­haus mögen? Das Stö­bern ohne bedrängt zu werden?
    Über das Park­haus, die­ser düs­te­re Bereich von Kar­stadt, kann man reden! Es kommt ja auch dar­auf an, wie sich die Auto­si­tua­ti­on in Ber­lin wei­ter­ent­wi­ckelt. Das Dach könn­te man zum Gar­ten umfunk­tio­nie­ren, mit Café. War das nicht auch mal im Gespräch?
    Die Lebens­mit­tel­ab­tei­lung bei Kar­stadt möch­te ich nicht mis­sen, wir gehen dort immer unse­re Weih­nachts­ge­schen­ke ein­kau­fen, beson­de­re Mar­me­la­den, Kaf­fees und Wei­ne etc. So bekom­men wir ALLES auf einen Schlag, ohne, dass wir uns het­zen müs­sen. Und danach in der klei­nen Men­sa Kaf­fee und Kuchen.
    Für neue Ideen bin ich immer offen, ich weiss, man lernt das Neue nicht ken­nen, wenn man am alten kle­ben blie­be. Und wo wäre dann der Fortschritt?
    Einen schö­nen Tag von Susanne

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