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Wieder ein Geschäft weniger im Wedding:
Jetzt kommt die Drogerie Müller zu Wort

2. August 2025
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Die Nachricht hat viele Weddinger aufgeschreckt. Die sind schon einiges gewohnt, was Hiobsbotschaften rund um die Müllerstraße angeht. Doch die angekündigte Schließung der Drogerie Müller, die so viel mehr als Parfümerie und Drogerie, sondern eher ein kleines Kaufhaus ist, hat dann doch viele überrascht.

Wir haben uns an die Konzernzentrale gewandt und eine Antwort von der Unternehmenskommunikation bekommen. Die Müller Holding bestätigt die Schließung zum Januar 2026 und betont: "Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen und beruht auf einer sorgfältigen betriebswirtschaftlichen Prüfung. Ausschlaggebend waren unter anderem veränderte Rahmenbedingungen im lokalen Einzelhandel sowie die langfristige Wirtschaftlichkeit des Standorts", so das Unternehmen.

Erstaunlich, wo die Kette mit 900 Filialen nach eigenem Bekunden doch jährlich im zweistelligen Bereich expandiert - der Wedding scheint da nicht mehr lukrativ genug zu sein.

Immerhin versucht die Firma, keine Arbeitsplätze abzubauen: "Unsere Mitarbeitenden wurden frühzeitig informiert. Allen Beschäftigten – ob in Vollzeit oder Teilzeit – wurde ein Übernahmeangebot innerhalb unseres Filialnetzes unterbreitet, um ihnen auch weiterhin eine berufliche Perspektive bei Müller zu bieten", schreibt die Sprecherin von Müller. Viele Beschäftigte werden dieses Angebot aber aus Gründen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht annehmen, denn die meisten Filialen sind viel zu weit weg und der Arbeitsweg erscheint vielen unzumutbar lang.

Doch die Müller Holding, die auch im Besitz der Immobilie ist, plant die Veräußerung der Hauses. Der Verkauf sei aber "derzeit noch nicht abgeschlossen. Es liegen bereits konkrete Interessen an einer Nachnutzung vor, die künftig zur Belebung des Standorts beitragen könnten", so die Sprecherin. Bleibt zu hoffen, dass die Fläche auch weiterhin für Einzelhandel genutzt wird, der den Bedarf nach höherwertigen Produkten im Wedding deckt.

Zu guter Letzt ist es der Unternehmenssprecherin aber auch wichtig, folgende Botschaft zu verbreiten: "An dieser Stelle möchten wir uns ausdrücklich bei unseren Kundinnen und Kunden im Wedding bedanken, die uns über viele Jahre ihr Vertrauen geschenkt haben. Gerade im direkten Kontakt mit den Menschen vor Ort ist eine Standortentscheidung wie diese besonders schwer – umso mehr wissen wir die langjährige Treue und Verbundenheit zu schätzen."

👉 Hier geht’s zur Petition der Belegschaft auf change.org

Kommentar

Es ist immer schade, wenn ein so kleines und sympathisches Unternehmen wie die Drogerie Müller schließt, oder eine Filiale. Und dann noch im Wedding - in der Müllerstraße! Aber so klein - sympathisch ist Ansichtssache - ist Müller gar nicht.

5 Milliarden Euro Umsatz allein im letzten Jahr, 2000 neue Mitarbeitende, zweistellige Wachstumsrate im Onlineshop, weitere Expansion ins Ausland geplant, in 2024 25 neue Geschäfte eröffnet, knapp 8% Marktanteil in Deutschland und damit die Nummer 3. Die Controllingabteilung wird sich sehr genau überlegt haben, welche Standorte sie schließt. Sogar vor dem Stammhaus wird kein Halt gemacht, um sich „wieder auf das Kerngeschäft“ zu konzentrieren - das Metal-Festival Wacken sponsern, zum Beispiel.

Selbst bin ich ein großer Fan von Petitionen und Bürgerbeteiligung, aber hier wird der Zug abgefahren sein, denke ich - unsympatisch, ja. Das ist bitter für die Mitarbeitenden, aber von ganz oben beschlossen.
Und auch wenn die Wirtschaftsförderung des Landes Berlin nun informiert wurde, heißt das auch nur in großen markigen Worten, dass ein weiterer Sachbearbeiter auf CC gesetzt wurde. Müller geht es prächtig - ein Milliardenkonzern tut Milliardenkonzernsachen.

Da Müller selbst angibt, dass Haus verkaufen zu wollen und sich bereits in Gesprächen befindet, bleibt noch die Frage an wen. Das Gebäude befindet sich im Sanierungsgebiet Müllerstraße. Das Bezirksamt muss also informiert werden und gegebenenfalls prüfen und zustimmen. Ebenso gibt es im Gebiet klare Regeln, was Verkaufspreise angeht. Vielleicht ein Hebel, vielleicht auch nicht. Wenn der Bezirk schon das alte Karstadtgebäude nicht kaufen kann, wie wäre es mit dem Müllergebäude? Dann wäre ab sofort das Stadtteilzentrum im Müllerhaus in der Müllerstraße im ehemaligen Müllergebäude. Sympathisch.

Andaras Hahn

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

Andaras Hahn

Andaras Hahn ist seit 2010 Weddinger. Er kommt eigentlich aus Mecklenburg-Vorpommern. Schreibt assoziativ, weiß aber nicht, was das heißt und ob das gut ist. Macht manchmal Fotos: @siehs_mal
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9 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Die einzig vernünftige Petition ist, in den Laden gehen, kaufen, Geld ausgeben. Aber leider zu spät jetzt, nach der bequemen Onlinewelt. Dazu kommt wohl auch, was Müller als Rahmenbedingungen bezeichnet. C*A ist weg, Schuhe + Kleidung schon lange, Karstadt zu – Müller hat es da als einzig verbleibendes Unternehmen mit breitem Sortiment entsprechend schwer – keine Laufkundschaft, keine Mitnahmeeffekte. Ein Unternehmen ist kein Sozialamt, man will Geld verdienen. So ist das halt. Aber allemal besser als Sozialismus. Abwarten was sich dann als nächstes etabliert. Wird wohl kaum jahrelang leerstehen?

  2. Es mag den einen oder anderen überraschen, Nachfrage bestimmt das Angebot, was sich auf dem Leopoldplatz beobachten läßt, ohne Junkies keine Dealer. Ein Konzern ist keine soziale Einrichtung. Schon vor Jahrzehnten haben Bürgerliche den Bezirk scharenweise verlassen, die potentiellen Käufer bei Müller. Ich selbst wüßte beim besten Willen nicht, was ich noch in der Müllerstraße sollte, fahre seit Jahren zum Kudamm, insbes. wenn es um Kleidung geht.

  3. Find ich gut. Gentrifizierung Olé. Der Wedding ist halt ein Dreckloch und zieht mittlerweile Obdachlose aus ganz Europa an. Hatte letztens ein nettes Gespräch mit Franzosen (Marrokanern), Senegalesen und Russen.
    Würde vorschlagen Fixerstuben dort zu bauen, auch im ehemaligen Karstadt und eigentlich in jeder offenstehenden Bude.

  4. Es zeigt sich mal wieder, dass sich solch globalen Unternehmensentscheidungen von irgendwelchen wohlgemeinten Petitionen nicht umkehren lassen!
    Warum auch? War beim Karstadt ja auch nicht anders! Da wurde nur vorübergehend auf dem Rücken der Angestellten und mit finanziellen Zusagen der Stadt der Schuppen offen gelassen – und alle Insider wußten bereits von dem bevorstehenden Ende!
    Die Müllerstraße hat fertig! Und daran ändern weder die unsinnigen Plakate auf dem Mittelstreifen, noch die eingeräumten Ladezonen vor den Geschäften etwas!
    Aber glücklicherweise kann man ja mit dem Auto bequem in andere Kieze fahren und sein Geld dort lassen!

  5. Ich wüsste nicht was ein Gleichwertiges gibt. Müller ist seiner Angebotsvielfalt as Warengruppen angeht relativ zur Marktgröße einmalig. Ab Januar wird es im Wedding also kein Spielzeug, kein Bürobedarf, kein Bastellbedarf und deutlich weniger alternative Lebensmittel geben. Dann bleibt einem nurnoch der 1 Euro Laden oder das Internet wenn man nicht auf Reise gehen will. Der Wedding ist bereits eine Freizeitwüste und jetzt sind auch noch alle Läden weg für die Freizeitgestaltung zu Hause.

  6. Wenn Karstadt und auch Müller die Müllerstraße am Leo verlassen, dann sollte bald ein integriertes Konzept für beide Standorte
    gesucht und gefunden werden.
    Eines, das die vielen sozialen Ansprüche und Verbraucherlücken bei uns füllt und zufrieden stellt. Ich erinnere mal überblickend:
    Kein Schuhgeschäft weit und breit, kaum Mode, kein Künstlerbedarf, kaum Spielsachen ... und die fehlenden inklusiven sozialen Orte für vier Kieze am Leo; und am besten nur noch eine Abholstation für alle Transporterdienste, statt dieses Zustellchaos.
    Aber diese Worte greifen momentan weit ausholend aus.

    • Ja, ein Konzept wird man brauchen. Das geht so nicht weiter. Ich sehe nur nicht. Was die Interventionsmöglichkwiten sind. Außer man entwickelt öffentliche oder halböffentliche Angebote. Und das sehe ich nicht passieren.

  7. Das war eindeutig: Der Drops ist gelutscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas gleichwertiges kommt. Alle etwas höherwertigen Ketten scheinen sich zu verabschieden. Gibt es mehrstöckige Lidl-Filialen?
    Ich bin aber grundsätzlich verwirrt: Nimmt die Kaufkraft im Kiez wirklich ab? Überall in den Hinterhöfen wird gebaut und saniert. Am Kutschi entsteht demnächst ein neues Stadtviertel. Ich sehe fancy neue Cafés und Galerien. Es muss wohl der generelle Überlebenskampf des stationären Einzelhandels sein, der sich bald nur noch auf eine Handvoll "Flagship Stores" stützt.

  8. Morjen in die Runde

    wie heißt es immer wieder .... folge dem Geld, es geht immer ums Geld .

    trotz Regen und dicken Wolken... schönes WE

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