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Kulturelle Nutzung für Karstadt im Wedding:
Jetzt ist es raus: Ist das Warenhaus am Leo endgültig tot?

Seit der Insolvenz des Immobilienunternehmens Signa ist die Versicherungskammer Bayern alleiniger Eigentümer des Karstadt-Gebäudes an der Müllerstraße. Mehr als ein Jahr nach der Schließung des Shoppingcenters kehrt Leben in das markante Haus am Leopoldplatz zurück: Ein Lidl-Supermarkt soll Anfang April auf der Hälfte des Erdgeschosses eröffnen. Ob der Discounter nur vorübergehend bleibt oder langfristig Teil des Standorts wird, ist unklar – denn die ursprünglichen Pläne für das Gebäude wackeln.

Kein Warenhaus, keine Wohnungen, keine Büros

Ursprünglich hatte die Versicherungskammer gemeinsam mit Signa einen Nutzungsmix aus Wohnungen, Büros und Geschäften geplant. Doch inzwischen sind Wohnungen und Büros vom Tisch, wie Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) am 5. März beim Runden Tisch Leopoldplatz erklärte. "Wohnungen und Büros sind kein Thema mehr", stellte sie klar. Aktuell konzentriert sich die Versicherungskammer auf die Instandsetzung des Gebäudes, um es weiter nutzbar zu halten. Konkrete langfristige Pläne fehlen.

Als ortsprägendes Gebäude bleibt das alte Karstadt-Haus dennoch im Fokus des Bezirks und der Anwohnenden, die eine zügige Entwicklung fordern, damit es nicht zum Angstort wird. Neben der Lidl-Eröffnung soll auch das Parkhaus wieder reaktiviert werden, wobei Lidl einen Betreiber dafür gewinnen möchte. Die Parkmöglichkeit wird dann nicht nur Lidl-Kund:innen, sondern allen zur Verfügung stehen.

Ein Kaufhausgebäude für die Kultur

Eine neue Perspektive könnte eine kulturelle Nutzung bieten. Laut Remlinger ist die Versicherungskammer offen für eine dauerhafte kulturelle Einrichtung, auch wenn derzeit nur eine temporäre Nutzung im Raum steht. Eine Machbarkeitsstudie soll klären, welche Konzepte realisierbar sind. Bis Ende des Jahres wird diesbezüglich jedoch nichts passieren, und eine Übergangsnutzung von fünf Jahren wird diskutiert.

Trotz aller Ideen bleibt das Gebäude in einer Art Schwebezustand. Der Eigentümer verwaltet normalerweise Finanzwerte, nicht große Bauprojekte, und ist offenbar unschlüssig, wie es weitergehen soll. Die sogenannten "Ertüchtigungsmaßnahmen" bedeuten im Kern, dass nur das Nötigste investiert wird.

Eine Herausforderung stellt zudem die Heizung des riesigen Gebäudes dar: Sie kann nur ganz oder gar nicht betrieben werden – was für Lidl nicht praktikabel war. Der Discounter hat daher eine eigene Heizung installiert. Das wirft die Frage auf, wie eine weitere Nutzung der Flächen wirtschaftlich gestaltet werden kann.

Eine mögliche Lösung könnte auch hier eine kulturelle Nutzung sein. Für Fotoausstellungen oder andere Events benötigt man keine durchgehende Beheizung. Auch könnte das Dach für Open-Air-Veranstaltungen genutzt werden. Zusätzlich wäre es denkbar, das Parkhaus für Anwohnende zu öffnen. Doch ob die Versicherungskammer in diese Richtung denkt? Fraglich. Denn in der Bilanz sieht ein leer stehendes Objekt oft besser aus als eine teure Umgestaltung.

Kommentar

Nun ist fast genau das eingetroffen, was Teile der Politik befürchtet haben und vor dem die Stadtteilvertretung Müllerstraße immer warnte: Leerstand. Auch wenn die Angst vorm leerstehenden grauen Betonklotz abgewendet wurde: Wie es weiter geht, weiß niemand. Drei Jahre Lidl - und dann? Sinken übermorgen die Preise fürs Bauen? Wird dann plötzlich losgehämmert? Wohl kaum. Soziale Zwischennutzung? Ja/vielleicht,eher nein. Dafür eine kulturelle. Die Bayern kennen „sozial“ nur als Abkürzung in ihrer Volkspartei. Findet sich trotzdem ein Zwischenmieter, der die Flächen im 2. und 3. Obergeschoss nutzen will und auch kann? Ein Umbau darf nicht viel kosten, soll es doch beim Ertüchtigen bleiben.

Büros sind derzeit sowieso ausgeschlossen. Das sieht das Nutzungskonzept des Gebäudes gar nicht vor. An diesen Vorgaben würde auch alles Nicht- Profitorientierte scheitern. Auch für die Zwischennutzung im Erdgeschoss muss erstmal ein Antrag auf Nutzungsänderung gestellt werden. Aber da die Politik will und wenn die Konzepte schlüssig sind, wird das wohl gelingen. Immerhin.

Am Ende bleibt es immer noch ein privates Gebäude in der Hand eines privaten Investors. Kurz gesagt: dieser kann machen, was er will. Also fast: Der ursprünglich geplante Umbau wäre genehmigungspflichtig gewesen – und da war auch der Hebel der Politik, Forderungen zu stellen. Nun greift das nicht mehr. Halten und Verwalten sagt man im Unternehmersprech.
Immerhin: die kulturelle Zwischennutzung im Erdgeschoss möchte der Bezirk nicht selbst bespielen, sondern sich einen Kurator oder Kuratorin holen. Andererseits. So eine leere Fläche zu haben ist ja auch eine Kunst. Das muss man erstmal hinbekommen in einer Stadt ohne Platz.

Andaras Hahn

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Andaras Hahn

Andaras Hahn ist seit 2010 Weddinger. Er kommt eigentlich aus Mecklenburg-Vorpommern. Schreibt assoziativ, weiß aber nicht, was das heißt und ob das gut ist. Macht manchmal Fotos: @siehs_mal
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5 Comments Leave a Reply

  1. Naja, das ehemalige C&A Gebäude in der Müllerstraße hat im Erdgeschoß Einzelhandel (DM, türk. Supermerkt), darüber - nach längerem Leerstand - ne Muckibude (Fit One). Das Schillercenter wurde nach langem Leerstand durch Sportbegeisterte wiederbelebt. Bowling ist geblieben, dazu Tischtennis und dieses Kampfsportgym. Im Karstadtgebäude soll im Erdgeschoss schonmal Lidl einziehen, warum die oberen Stockwerke nicht auch mit Fitness, Yoga, was-auch-immer beleben? Das Problem scheint eher zu sein, dass der Eigentümer mit Immobilien bisher keine Erfahrung hat . . . Im Wedding fehlt bisher auch ein größerer Fahrradhändler (komisch, dass der grünverseuchte Kiez darauf noch nicht gekommen ist), Bekleidung ist auch kaum noch zu finden, es gibt doch genügend Lücken im Konsumangebot. Und schließlich Kultur, kleine Bühne, soviele Möglichkeiten. Unverständlich, daß immer nur das Gejammer vor sich hergetragen wird. Man weiß stets sehr genau, was Alles nicht geht, aber lässt sich auf keine Ideen der Entwicklung ein, wie es scheint.

  2. Kaufhäuser haben seinerzeit den Einzelhandel ruiniert. Volkswirtschaftliche Prämissen bereits seit den dreißiger Jahren: Konzentration und Effizienz. In den Abgrund folgen werden wohl die Elektrogroßmärkte wie Media Markt und Saturn; ihr Niedergang, exemplarisch zu besichtigen in der ehemaligen Großfiliale in der Pankstraße. Auch Buchläden und Apotheken folgen dem Trend der Zeit, Bestell- und Abholstationen für Bücher und Medikamente braucht kein Mensch mehr, wenn bei Online-Bestellungen Zeit und Wege gespart werden. Ungeschoren bleiben wohl nur Lebensmittelgroßmärkte. Ja, Karstadt ist tot, man baut aus einem Flugzeugträger kein Kreuzfahrtschiff.

  3. Bleibt auf unbestimmte Zeit also ein riesiger „lebloser“ Klotz ohne dauerhaftes Nutzungskonzept. Für die Gegend der worst case.
    „Klasse“!

  4. Enteignen.
    Alternativ: Fackeln und Mistgabeln.

    Leerstand für die Bilanz eines Investors kann sich ein Berlin für Menschen nicht leisten.

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