Wie interessant ist das heutige Angebot der Kinos für Zuschauer:innen und Cineasten, die nicht immer oder gar keine Actionfilme, auch die ganz großen spektakulären, sehen möchten? Dazu kann man bei den Filmreihen des im Wedding ansässigen Cineplex-Kinos Alhambra fündig werden. Das Film Café am Mittwoch bietet sogar ein Stück Kuchen zum guten Film.
Das im Wedding an der Müller– Ecke Seestraße angesiedelte Cineplex-Kino Alhambra ist allgemein bekannt. Alleine die Fassade mit den bunten Neonröhren in der Eck-Verglasung des Gebäudes ist unübersehbar für jeden, der sich an dieser großen Kreuzung jemals als Anwohner, Passant oder BVG-Umsteiger aufgehalten hat.
Aber zurück zur Frage der Filmauswahl. Wer die reifen Filmthemen liebt, diejenigen Themen, die das moderne Leben schreibt, muss zwischen und neben den aktuellen Kinostarts auf die Suche gehen (wie beispielsweise auf www.berlin.de unter Kultur & Ausgehen).
Das Alhambra bietet neben den Filmreihen wie u.a. Kinderfilmen, Sneak, Echte Kerle, Ladies First, Best of Cinema und Familienpreview das Film-Café.
Ich sprach mit der Leiterin des Kinos, Hanna Dobslaw, über das wöchentliche Angebot des Film-Café.
Frau Dobslaw, wann wurde das Film Cafe gegründet?
Wenige Jahre vor meinem Beginn wurde das Film Cafe im Alhambra gegründet, das war schon im Jahr 2008/2009. Es gab damals Kuchen vom Bäcker, meistens Spritzkuchen. Es stellte sich aber die Frage, wie man das Angebot unsererseits verbessern könnte. Mein Chef, Geschäftsführer Günther Mertins, meinte Kekse und Kuchen seien eine gute Wahl, mein Vorschlag aber war, dass neben dem Ausschank von Kaffee und Tee frisch gebackener Kuchen schöner sei und eine gemütlichere Atmosphäre mit sich bringe. Davon war er zunächst wenig überzeugt, ließ sich aber durch steigende Besucherzahlen schnell eines Besseren belehren.
Wie ging das Film Cafe an den Start?
Wir beschlossen, dem Filmbeginn an den Mittwochen ein einstündiges Kaffee- und Kuchen-Angebot voranzustellen. So kam es, dass wir die große professionelle Küche des Alhambra für das Backen von Blechkuchen auch in großen Mengen nutzten. Anfangs hatten wir nur 20 bis 30 Zuschauer mit einem einmal im Monat stattfindenden Film Cafe. Mit meiner Einstellung „Besser den Erfolg verkaufen als nur die Idee!“ dachte ich mir einige Werbe Aktionen aus: So habe ich selbst im damals noch bestehenden großen real‑, – Markt, die Flyer neben kleinen Kirschkuchen-Stückchen ausgeteilt. Der Erfolg wurde sichtbar in der steigenden Anzahl der Gäste, so dass wir von, zunächst einmal im Monat auf jeden 2. Mittwoch und schließlich auf einmal wöchentlich unsere Spielzeiten erhöhten. Kurz vor Schließung durch Coronaauflagen im Jahr 2020 lagen wir im Schnitt bei über 80 Gästen pro Woche.
Was ist der besondere Vorteil des Film Cafe-Treffs?
Die Besucher:innen können sich locker verabreden und treffen. Bei Wind und Wetter und mit einer gewissen Bequemlichkeit, mit Kommunikativität. Zudem kann man eintreffen ohne zeitlichen Stress und Zwang zur Pünktlichkeit. Auch andere Cineplex-Kinos praktizieren dieses Angebot, aber nur bei uns gibt es selbstgebackenen Kuchen. Wir hatten nach diesem Konzept schon bis zu fast 700 Besucher:innen, mussten dabei aber zwei Kinosäle bespielen, was organisatorisch, in Sachen Kaffee und Kuchen, durchaus kniffelig war. Als mir einmal der Kuchen ausging, sagte mir ein Gast sehr freundlich: „Ich nehme auch nur die Streusel!“.
Wie ging die Umsetzung der Idee zum Film Cafe voran?
Es gab durchaus ein paar Startprobleme. So geschah es, dass zweimal die Feuerwehr kommen musste, weil die große Menge an zu schmelzender Butter bei den Backvorbereitungen in Flammen aufging. Da habe ich dazugelernt, nicht zu viele Dinge gleichzeitig machen – in der Ruhe liegt die Kraft. Nun sind 1,50 € für das Kaffee- und Kuchen-Angebot, das in das günstige Ticket von insgesamt 8,00 € eingepreist ist, trotz kürzlicher Preiserhöhung ein unschlagbares Angebot!
Vor dem ersten Corona-Lockdown konnten wir damit im Schnitt etwa 80 Gäste pro Woche für das Film Cafe gewinnen. Auf dem violetten Flyer, der alle sechs Wochen neu erscheint, finden sich die Kurzbeschreibungen der jeweils sechs Kinofilme, die einmal mittwochs ab 14 bzw. der Film ab 15 Uhr angeboten werden.
Wie nehmen Sie die Auswahl des Filmprogramms vor?
Unser Disponent wählt die Filme aus und hat dabei auch ein Auge auf das Angebot für die Filmreihen. Auch ich selber sehe auf den Messen vorab Filme in reicher Auswahl und habe dabei schon Vorstellungen für das Angebot im Film Café.
Laden Sie ab und an auch Prominenz der Kinoszene ein?
Wir haben einmal Dieter Hallervorden eingeladen, an diesem Tag zeigten wir im Film Cafe seinen Film „Sein letztes Rennen“, leider sagte er wenige Stunden vorher ab. Es war an diesem Tag aber auch eine Dame anwesend, die an dem Film mitgewirkt hat, dieser überreichten wir an seiner Stelle den Blumenstrauß auf der Bühne.
Frau Dobslaw, wie konnten Sie die Corona-Zeit meistern?
Ich bin die Theaterleiterin, so die offizielle Berufsbezeichung, und dem Geschäftsführer zur Rechenschaft verpflichtet. Ich habe zwei Assistent:innen und zwei Teamleiter:innen. Wir hatten vor der Corona-Zeit mit ihren Einschränkungen aufgrund der Hygienemaßgaben etwa 25 bis 30 Mitarbeiter:innen. Etwa 20 davon musste ich anrufen und kündigen, da die meisten unserer Mitarbeiter Studenten sind und damit leider nicht berechtigt zum Kurzarbeitergeld. Wir konnten immerhin fast 10 Mitarbeiter:innen halten. Mit diesen öffneten wir im Juli 2020 nach fast 4 Monaten Schließung wieder unsere Türen , und auch das Film Cafe wurde wieder aktiviert – mit Kaffee und Kuchen im Saal und wirklich treuen Gästen. Als wir dann im November abermals schließen mussten hatten wir bereits wieder ein richtiges Stammpublikum aufgebaut. Aber dennoch lief die erste Öffnung sehr schleppend an. Die unterschiedlichen Öffnungsstrategien der BundesLänder sind für die Kinobranche sehr schädlich gewesen. Bei der zweiten Öffnung nach Lockdown waren wir besser gerüstet. Das lag daran, dass wir deutschlandweit gleichermaßen vorangingen, denn die Verteiler starten eben nur für ganz Deutschland und geben die Filme nicht nur an einzelne Regionen ab.
Unser Kino hat die Krise ganz gut gemeistert. Offenbar sind wir gut eingebunden im heimischen Kiez, ich glaube aber auch durch unseren „Popcorn nach Hause“-Service in der Zeit der Schließung sowie unser Testzentrum und dem damit verbundenen Service, sich vor dem Kinobesuch testen lassen zu können, trugen dazu bei. Wir hatten bald wieder um die 40 Gäste zum Film Café.
Woher kommen die Gäste des Film Cafe im Alhambra?
Mit etlichen Besuchern haben wir schon sehr lange Kontakt. Manche sind schon von Anfang an dabei, kennen meine kleine Tochter oder sagen mir sogar Bescheid, wenn sie beispielsweise wegen Arztterminen verhindert sind. Die Besucherschaft ist also teils wie familiär verbunden. Viele Gäste lernen sich hier kennen und kommen dann gemeinsam wieder. Andere kommen in Gruppen, die sich aus Freizeitstätten kennen.
Ein Großteil der Besucher ist aus dem Kiez, einige andere kommen aber auch aus dem weit entfernten Steglitz zu uns, natürlich nur wegen des guten Kuchens.
Frau Dobslaw, wie erkennen Sie einen Film, der für Ihr Film Cafe geeignet ist?
Als Multiplex-Kino mit 8 Kinos und über 1400 Sitzplätzen bekommen wir nicht jeden Film, den wir uns wünschen. Manche Filme, ich denke an „Der Teufelsgeiger“, in dem der Komponist Paganini von David Garrett verkörpert wird, spielten wir Wochen lang mit wenig Erfolg, im Film Café dagegen war er ein Knüller. Mit 8 Kinos, aber 10 bis 15 Kino-Neustarts pro Woche müssen wir auch eine Auswahl treffen. Wir ziehen die reiferen Filme dann ins Fim Cafe, wenn wir glauben, dass unser Publikum das auch sehen will. Manche Filme, wie „Pride“ der in den 1980ern in England spielt, konnte ich anpreisen, so dass viele unserer Gäste begeistert waren, ihn aber ohne unser Film Cafe nicht auf die Idee gekommen wären, ihn zu gucken. Unsere Besucher lieben eben die authentischen Filme besonders gern.
Geben sie uns einen Ausblick auf das Jahr 2023, bitte?
Unsere Angebote für die kommenden Wochen finden sich immer auf unserer Webseite, die alle Filmreihen aufführt.
Es stehen ab 15. Feburar Spielfilme an wie „Call Jane“, ein Film über den Zusammenhalt der Frauen in den USA der späten 1960er. Und am 22. Februar „Oskars Kleid“, ein Film über eine junge Familie, die einen Neuanfang sucht, der etwas schwieriger ist als erwartet.
Eine Bitte hab ich noch: Es ist immer sehr schön und hilfreich, wenn vorher bis montags reserviert oder die Tickets schon gekauft wurden, damit ich die Kuchenmenge für die Gäste am Kinotag planen kann.
Am Ende dieses Jahres möchte ich einen Kalender 2024 erstellen, der die Kuchenrezepte des Film Café 2023 enthält.
Gespräch, Text und Fotos © Renate Straetling
Links
https://www.cineplex.de/berlin-alhambra/
https://www.cineplex.de/filmreihe/film-cafe/441/berlin-alhambra