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Über das Film Cafe im Alhambra-Kino:
“Ich nehme auch nur die Streusel!”

31. Januar 2023

Wie inter­es­sant ist das heu­ti­ge Ange­bot der Kinos für Zuschauer:innen und Cine­as­ten, die nicht immer oder gar kei­ne Action­fil­me, auch die ganz gro­ßen spek­ta­ku­lä­ren, sehen möch­ten? Dazu kann man bei den Film­rei­hen des im Wed­ding ansäs­si­gen Cine­plex-Kinos Alham­bra fün­dig wer­den. Das Film Café am Mitt­woch bie­tet sogar ein Stück Kuchen zum guten Film. 

Das im Wed­ding an der Mül­ler– Ecke See­stra­ße ange­sie­del­te Cine­plex-Kino Alham­bra ist all­ge­mein bekannt. Allei­ne die Fas­sa­de mit den bun­ten Neon­röh­ren in der Eck-Ver­gla­sung des Gebäu­des ist unüber­seh­bar für jeden, der sich an die­ser gro­ßen Kreu­zung jemals als Anwoh­ner, Pas­sant oder BVG-Umstei­ger auf­ge­hal­ten hat.

Aber zurück zur Fra­ge der Film­aus­wahl. Wer die rei­fen Film­the­men liebt, die­je­ni­gen The­men, die das moder­ne Leben schreibt, muss zwi­schen und neben den aktu­el­len Kino­starts auf die Suche gehen (wie bei­spiels­wei­se auf www.berlin.de unter Kul­tur & Aus­ge­hen).

Das Alham­bra bie­tet neben den Film­rei­hen wie u.a. Kin­der­fil­men, Sneak, Ech­te Ker­le, Ladies First, Best of Cine­ma und Fami­li­en­pre­view das Film-Café.

Ich sprach mit der Lei­te­rin des Kinos, Han­na Dobs­law, über das wöchent­li­che Ange­bot des Film-Café.

Frau Dobs­law, wann wur­de das Film Cafe gegründet?

Weni­ge Jah­re vor mei­nem Beginn wur­de das Film Cafe im Alham­bra gegrün­det, das war schon im Jahr 2008/2009. Es gab damals Kuchen vom Bäcker, meis­tens Spritz­ku­chen. Es stell­te sich aber die Fra­ge, wie man das Ange­bot unse­rer­seits ver­bes­sern könn­te. Mein Chef, Geschäfts­füh­rer Gün­ther Mer­tins, mein­te Kek­se und Kuchen sei­en eine gute Wahl, mein Vor­schlag aber war, dass neben dem Aus­schank von Kaf­fee und Tee frisch geba­cke­ner Kuchen schö­ner sei und eine gemüt­li­che­re Atmo­sphä­re mit sich brin­ge. Davon war er zunächst wenig über­zeugt, ließ sich aber durch stei­gen­de Besu­cher­zah­len schnell eines Bes­se­ren belehren.

Wie ging das Film Cafe an den Start?

Wir beschlos­sen, dem Film­be­ginn an den Mitt­wo­chen ein ein­stün­di­ges Kaf­fee- und Kuchen-Ange­bot vor­an­zu­stel­len. So kam es, dass wir die gro­ße pro­fes­sio­nel­le Küche des Alham­bra für das Backen von Blech­ku­chen auch in gro­ßen Men­gen nutz­ten. Anfangs hat­ten wir nur 20 bis 30 Zuschau­er mit einem ein­mal im Monat statt­fin­den­den Film Cafe. Mit mei­ner Ein­stel­lung „Bes­ser den Erfolg ver­kau­fen als nur die Idee!“ dach­te ich mir eini­ge Wer­be Aktio­nen aus: So habe ich selbst im damals noch bestehen­den gro­ßen real‑, – Markt, die Fly­er neben klei­nen Kirsch­ku­chen-Stück­chen aus­ge­teilt. Der Erfolg wur­de sicht­bar in der stei­gen­den Anzahl der Gäs­te, so dass wir von, zunächst ein­mal im Monat auf jeden 2. Mitt­woch und schließ­lich auf ein­mal wöchent­lich unse­re Spiel­zei­ten erhöh­ten. Kurz vor Schlie­ßung durch Coro­na­auf­la­gen im Jahr 2020 lagen wir im Schnitt bei über 80 Gäs­ten pro Woche.

Was ist der beson­de­re Vor­teil des Film Cafe-Treffs?

Die Besucher:innen kön­nen sich locker ver­ab­re­den und tref­fen. Bei Wind und Wet­ter und mit einer gewis­sen Bequem­lich­keit, mit Kom­mu­ni­ka­ti­vi­tät. Zudem kann man ein­tref­fen ohne zeit­li­chen Stress und Zwang zur Pünkt­lich­keit. Auch ande­re Cine­plex-Kinos prak­ti­zie­ren die­ses Ange­bot, aber nur bei uns gibt es selbst­ge­ba­cke­nen Kuchen. Wir hat­ten nach die­sem Kon­zept schon bis zu fast 700 Besucher:innen, muss­ten dabei aber zwei Kino­sä­le bespie­len, was orga­ni­sa­to­risch, in Sachen Kaf­fee und Kuchen, durch­aus knif­fe­lig war. Als mir ein­mal der Kuchen aus­ging, sag­te mir ein Gast sehr freund­lich: „Ich neh­me auch nur die Streusel!“.

Wie ging die Umset­zung der Idee zum Film Cafe voran?

Es gab durch­aus ein paar Start­pro­ble­me. So geschah es, dass zwei­mal die Feu­er­wehr kom­men muss­te, weil die gro­ße Men­ge an zu schmel­zen­der But­ter bei den Back­vor­be­rei­tun­gen in Flam­men auf­ging. Da habe ich dazu­ge­lernt, nicht zu vie­le Din­ge gleich­zei­tig machen – in der Ruhe liegt die Kraft. Nun sind 1,50 € für das Kaf­fee- und Kuchen-Ange­bot, das in das güns­ti­ge Ticket von ins­ge­samt 8,00 € ein­ge­preist ist, trotz kürz­li­cher Preis­er­hö­hung ein unschlag­ba­res Angebot!

Vor dem ers­ten Coro­na-Lock­down konn­ten wir damit im Schnitt etwa 80 Gäs­te pro Woche für das Film Cafe gewin­nen. Auf dem vio­let­ten Fly­er, der alle sechs Wochen neu erscheint, fin­den sich die Kurz­be­schrei­bun­gen der jeweils sechs Kino­fil­me, die ein­mal mitt­wochs ab 14 bzw. der Film ab 15 Uhr ange­bo­ten werden.

Wie neh­men Sie die Aus­wahl des Film­pro­gramms vor?

Unser Dis­po­nent wählt die Fil­me aus und hat dabei auch ein Auge auf das Ange­bot für die Film­rei­hen. Auch ich sel­ber sehe auf den Mes­sen vor­ab Fil­me in rei­cher Aus­wahl und habe dabei schon Vor­stel­lun­gen für das Ange­bot im Film Café.

Laden Sie ab und an auch Pro­mi­nenz der Kino­sze­ne ein?

Wir haben ein­mal Die­ter Hal­ler­vor­den ein­ge­la­den, an die­sem Tag zeig­ten wir im Film Cafe sei­nen Film „Sein letz­tes Ren­nen“, lei­der sag­te er weni­ge Stun­den vor­her ab. Es war an die­sem Tag aber auch eine Dame anwe­send, die an dem Film mit­ge­wirkt hat, die­ser über­reich­ten wir an sei­ner Stel­le den Blu­men­strauß auf der Bühne.

Frau Dobs­law, wie konn­ten Sie die Coro­na-Zeit meistern?

Ich bin die Thea­ter­lei­te­rin, so die offi­zi­el­le Berufs­be­zei­chung, und dem Geschäfts­füh­rer zur Rechen­schaft ver­pflich­tet. Ich habe zwei Assistent:innen und zwei Teamleiter:innen. Wir hat­ten vor der Coro­na-Zeit mit ihren Ein­schrän­kun­gen auf­grund der Hygie­ne­maß­ga­ben etwa 25 bis 30 Mitarbeiter:innen. Etwa 20 davon muss­te ich anru­fen und kün­di­gen, da die meis­ten unse­rer Mit­ar­bei­ter Stu­den­ten sind und damit lei­der nicht berech­tigt zum Kurz­ar­bei­ter­geld. Wir konn­ten immer­hin fast 10 Mitarbeiter:innen hal­ten. Mit die­sen öff­ne­ten wir im Juli 2020 nach fast 4 Mona­ten Schlie­ßung wie­der unse­re Türen , und auch das Film Cafe wur­de wie­der akti­viert – mit Kaf­fee und Kuchen im Saal und wirk­lich treu­en Gäs­ten. Als wir dann im Novem­ber aber­mals schlie­ßen muss­ten hat­ten wir bereits wie­der ein rich­ti­ges Stamm­pu­bli­kum auf­ge­baut. Aber den­noch lief die ers­te Öff­nung sehr schlep­pend an. Die unter­schied­li­chen Öff­nungs­stra­te­gien der Bun­des­Län­der sind für die Kino­bran­che sehr schäd­lich gewe­sen. Bei der zwei­ten Öff­nung nach Lock­down waren wir bes­ser gerüs­tet. Das lag dar­an, dass wir deutsch­land­weit glei­cher­ma­ßen vor­an­gin­gen, denn die Ver­tei­ler star­ten eben nur für ganz Deutsch­land und geben die Fil­me nicht nur an ein­zel­ne Regio­nen ab.

Unser Kino hat die Kri­se ganz gut gemeis­tert. Offen­bar sind wir gut ein­ge­bun­den im hei­mi­schen Kiez, ich glau­be aber auch durch unse­ren „Pop­corn nach Hause“-Service in der Zeit der Schlie­ßung sowie unser Test­zen­trum und dem damit ver­bun­de­nen Ser­vice, sich vor dem Kino­be­such tes­ten las­sen zu kön­nen, tru­gen dazu bei. Wir hat­ten bald wie­der um die 40 Gäs­te zum Film Café.

Woher kom­men die Gäs­te des Film Cafe im Alhambra?

Mit etli­chen Besu­chern haben wir schon sehr lan­ge Kon­takt. Man­che sind schon von Anfang an dabei, ken­nen mei­ne klei­ne Toch­ter oder sagen mir sogar Bescheid, wenn sie bei­spiels­wei­se wegen Arzt­ter­mi­nen ver­hin­dert sind. Die Besu­cher­schaft ist also teils wie fami­li­är ver­bun­den. Vie­le Gäs­te ler­nen sich hier ken­nen und kom­men dann gemein­sam wie­der. Ande­re kom­men in Grup­pen, die sich aus Frei­zeit­stät­ten kennen.

Ein Groß­teil der Besu­cher ist aus dem Kiez, eini­ge ande­re kom­men aber auch aus dem weit ent­fern­ten Ste­glitz zu uns, natür­lich nur wegen des guten Kuchens.

Frau Dobs­law, wie erken­nen Sie einen Film, der für Ihr Film Cafe geeig­net ist?

Als Mul­ti­plex-Kino mit 8 Kinos und über 1400 Sitz­plät­zen bekom­men wir nicht jeden Film, den wir uns wün­schen. Man­che Fil­me, ich den­ke an „Der Teu­fels­gei­ger“, in dem der Kom­po­nist Paga­ni­ni von David Gar­rett ver­kör­pert wird, spiel­ten wir Wochen lang mit wenig Erfolg, im Film Café dage­gen war er ein Knül­ler. Mit 8 Kinos, aber 10 bis 15 Kino-Neu­starts pro Woche müs­sen wir auch eine Aus­wahl tref­fen. Wir zie­hen die rei­fe­ren Fil­me dann ins Fim Cafe, wenn wir glau­ben, dass unser Publi­kum das auch sehen will. Man­che Fil­me, wie „Pri­de“ der in den 1980ern in Eng­land spielt, konn­te ich anprei­sen, so dass vie­le unse­rer Gäs­te begeis­tert waren, ihn aber ohne unser Film Cafe nicht auf die Idee gekom­men wären, ihn zu gucken. Unse­re Besu­cher lie­ben eben die authen­ti­schen Fil­me beson­ders gern.

Geben sie uns einen Aus­blick auf das Jahr 2023, bitte?

Unse­re Ange­bo­te für die kom­men­den Wochen fin­den sich immer auf unse­rer Web­sei­te, die alle Film­rei­hen aufführt. 

Es ste­hen ab 15. Feburar Spiel­fil­me an wie „Call Jane“, ein Film über den Zusam­men­halt der Frau­en in den USA der spä­ten 1960er. Und am 22. Febru­ar „Oskars Kleid“, ein Film über eine jun­ge Fami­lie, die einen Neu­an­fang sucht, der etwas schwie­ri­ger ist als erwartet.

Eine Bit­te hab ich noch: Es ist immer sehr schön und hilf­reich, wenn vor­her bis mon­tags reser­viert oder die Tickets schon gekauft wur­den, damit ich die Kuchen­men­ge für die Gäs­te am Kino­tag pla­nen kann.

Am Ende die­ses Jah­res möch­te ich einen Kalen­der 2024 erstel­len, der die Kuchen­re­zep­te des Film Café 2023 enthält.

Gespräch, Text und Fotos © Rena­te Straetling

Links

https://www.cineplex.de/berlin-alhambra/

https://www.cineplex.de/filmreihe/film-cafe/441/berlin-alhambra

Renate Straetling

Ich lebe seit dem Jahr 2007 in Berlin-Wedding, genauer gesagt im Brüsseler Kiez - und ich bin begeistert davon. Wir haben es freundlich, bunt ohne Überspanntheit.
Jg. 1955, aufgewachsen in Hessen. Seit dem Jahr 1973 zum Studium an der FU Berlin bin ich in dieser damals noch grauen und zerschossenen Stadt. Mittlerweile: Sozialforschung, Projekte. Seit 2011 auch Selfpublisherin bei www.epubli.de mit fast 60 Titeln. Ich verfasse Anthologien, Haiku, Lesegeschichten, Kindersachbücher und neuerdings einen ökologisch orientierten Jugend-SciFi (für Kids 11+) "2236 - ein road trip in einer etwas entfernteren Zukunft" (Verlagshaus Schlosser, 28.11.22).-
Meine Beiträge zu meiner Kolumne Ü 60 habe ich für alle, die lieber analog lesen, in einem Sammelband zusammengefasst
Renate Straetling
Kolumne Ü 60 - Sommer 2022 – Sommer 2024
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Sachbuchformat, 336 Seiten
ISBN: 978-3-759847-6, - Überall im Buchhandel oder online

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