Meine Meinung Heute berichte ich einmal etwas lax von der letzten BVV-Sitzung. Grund: Die Bezirkspolitiker liebten bei ihrem letzten Date die Harmonie. Grüne, SPD und Linke haben sich offenbar gefunden. Das kann man nicht in Worte fassen, das kann man nur als RomCom (Romantic Comedy) beschreiben. So wie ich sie von den billigen Plätzen aus beobachten konnte.
Immerhin hielten die acht Verordneten der CDU als putziger Sidekick die spaßige Tradition der Widerworte hoch. Hier die herzergreifendsten Szenen und Stationen des BVV-Films vom letzten Donnerstag (19. Mai).
Die herzliche Vorsteherin
Am Anfang der romantischen Komödie steht Jelisaweta Kamm. Sie ist die Vorsteherin, also Versammlungsleiterin. Sie stimmt die lieben Zuschauer und die lieben Kollegen auf das dargebotene Stück “ganz herzlich” ein. Titel: Mehrheit der Zählgemeinschaft aus Grüne und SPD ist liebreizend, doch Zweidrittelmehrheit aus Grüne, SPD und Linke ist wahre Liebe. Ok, ein langer Titel, aber er trifft es. Kürzer wäre vielleicht: Streit, nein danke. Oder: Sag niemals Nein.
Der liebe Einwohner
Damit man versteht, dass man im falschen (oder eben im richtigen) Film ist, braucht der Streifen gleich zu Beginn kitschige Signale. Dafür sorgt der “liebe Einwohner”. Denn jede Sitzung der BVV beginnt mit einer Einwohnerfragestunde. Und plauz, der erste Spannungshöhepunkt. Also ein nur kleiner; ist ja erst der Anfang des Rührstücks. Für die erste kleine Aufregung braucht es einen Pseudokonflikt. Für den sorgte ein frecher Bürger, der um ein Hundeauslaufgebiet im Park bat. Die CDU fand das dufte und fand auch, dass man sich in diesem Fall nicht hinter Flächenkonkurrenz und Nutzungsdruck verstecken sollte, denn durch ein Hundeauslaufgebiet gehe kein Stück Grün verloren. Zuschauer, denen an dieser unharmonischen Stelle vor Aufregung das Herz bis zum Halse schlug, konnten gleich ausatmen. Es war nur eine Fragestunde, es ging um keinerlei Beschlüsse oder so. Alles folgenlos. Keine gefährliche Probe, nur ein Testchen, wie tief die Liebe zwischen Grünen, SPD und Linken ist. Schnell ein paar Popcorn in den Mund!
Stunde der tief verbundenen Mehrheit
Als Zuschauer vor dem Livestream der BVV will ich einen Boxkampf sehen; also ich will dabei sein, wenn meine Partei mit einem blauen Auge davonkommt und der Gegner was auf die Nase bekommt. Ich will wissen, bei welchen Schlägen meine Partei steht und einsteckt und bei welchen sie sich wegduckt und aufsteckt. Deshalb warte ich auf die thematische Stunde. Bei der wartet auf die Wortboxer bis zum erlösenden Gong eine lange Runde. Sprich: Viel Platz für Rede und Gegenrede und damit viel Zeit, dass mal einer ausrutscht oder entgleist. Zu sehen bekam ich am 19. Mai von alldem lediglich ein Häppchen, kein großes Kino. Denn alles steuerte auf den einen Moment zu, in dem zu zwei Dritteln ewige Treue und Liebe geschworen wurde, nämlich die Abstimmung. Vier Anträge passten zum Thema und Grüne, SPD und Linke sahen sich tief in die Augen und sagten Ja. Und hielten sich dabei an den Händchen. Einmal kam es zu Enthaltungen – ist das schon Ghosting?
Ach ja, worum ging es eigentlich in der thematischen Stunde? Um den Abriss der Tegeler Straße und die Räumung Habersaathstraße. Beinahe vergessen, das zu schreiben.
Bleibt die zentrale Frage, sind die Grünen nach links gerutscht oder die Linken nach Grün? Oder ist die SPD an allem schuld?
Kuss zum Schluss
Am Ende muss der Drehbuchschreiber noch einmal alles wiederholen, was schon tausendmal zu hören war. Und der Regisseur muss noch einmal alles Drama (nicht die Dramatik!) bis zum Letzten herauskitzeln. Und der Kameramann muss den Weichzeichner vor die Linse schrauben. Tränen der Rührung sollen fließen, ach was, strömen. Und was wäre dafür besser geeignet, um ins Schluchzen zu kommen, als das Café Leo? Und so geschah es auch: Grüne, SPD und Linke lagen sich weinend in den Armen und stimmten überwältigend für den Weiterbetrieb durch Huseyin Ünlü. Der hatte im letzten Jahr ein böses Interessenbekundungsverfahren verloren und nun will ihm der Herr vom Amt das Café wegnehmen.
Wem warm ums Herz werden möchte, hier die Argumente von Grünen, SPD und Linken, warum das Café Leo nicht an den neu gefundenen Betreiber übergeben werden soll: Huseyin Ünlü ist Migrant. Er macht es schon soooo lange. Der Leo soll doch für alle sein. Der Gerichtsstreit mit Huseyin Ünlü könnte sich hinziehen (Der warmherzige Cafébetreiber hat nämlich gegen den Bezirk geklagt). Und lief die Ausschreibung nicht irgendwie ungerecht ab?
Wer den berühmten Wermutstropfen liebt, lauscht zum Ausklang der RomCom der CDU: irreparabler Imageverlust für den Bezirk. Politische Beihilfe für einen Unternehmer. Herr Ünlü hat sich beworben und verloren, so ist das Leben.
Wie, das Leben? Nein, nein, das ist eine grün-rot-rote RomCom. Und jetzt bitte der Abspann mit schwebender Musik, bei der man bis zum letzten Ton im Sessel sitzen bleibt.