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Geschichte eines Berliner Stadtteils:
Wie der Wedding wurde, was er ist

12. April 2017

Blick zurück in die Geschich­te – von einer Ansamm­lung von klei­nen Gebäu­den zum Häu­ser­meer: Als der Wed­ding 1861 nach Ber­lin ein­ge­mein­det wur­de, leb­ten dort nur etwas mehr als 7.500 Ein­woh­ner. Doch 50 Jah­re spä­ter waren es schon 337.000 – die klein­tei­lig und unzu­sam­men­hän­gend bebau­te Vor­stadt war wie aus dem Nichts zur Groß­stadt geworden.

Der dritte Bezirk

Geschichte Müllerstraße Wedding
An der Mül­lerstra­ße 1891

Am 1.10.1920 wur­de Groß-Ber­lin per Gesetz gebil­det, und der Wed­ding lag plötz­lich nicht mehr am nörd­li­chen Rand der Stadt Ber­lin, son­dern mit­ten­drin. Sie­ben Städ­te, 57 Gemein­den und 27 Guts­be­zir­ke wur­den zu der Stadt zusam­men­ge­legt, die wir heu­te als Ber­lin ken­nen. Die reich gewor­de­nen Dör­fer Rei­ni­cken­dorf und Pan­kow ver­lo­ren dabei ihre Selb­stän­dig­keit. Die nun um ein Viel­fa­ches ver­grö­ßer­te Stadt wur­de zu einer eige­nen Pro­vinz in Preu­ßen und war nicht mehr Teil Bran­den­burgs. Für die Ver­wal­tung wur­den zunächst zwan­zig Bezir­ke gebil­det, und der Wed­ding war als Bezirk Num­mer 3 sehr zen­tral gele­gen. Er ent­stand durch Zusam­men­fas­sung von Tei­len der ehe­ma­li­gen Rosen­tha­ler Vor­stadt, der Ora­ni­en­bur­ger Vor­stadt (frü­her als Tie­fer Wed­ding, heu­te als Brun­nen­vier­tel bekannt) und des erst 1915 ein­ge­mein­de­ten Guts­be­zirks Plöt­zen­see. Doch den größ­ten Teil mach­ten die bei­den vor­ma­li­gen Orts­tei­le Wed­ding und Gesund­brun­nen aus. Der Bezirk, der sei­nen Namen nach dem längst ver­schwun­de­nen Guts­hof Wed­ding erhielt, war nach Kreuz­berg der ein­woh­ner­stärks­te Stadt­be­zirk der Mil­lio­nen­stadt. Ein eige­nes Rat­haus hat­te der Bezirk unter Bür­ger­meis­ter Carl Leid von der USPD anfangs aber trotz­dem nicht. Daher tag­te die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung unter ande­rem im Jüdi­schen Kran­ken­haus. Erst 1928 wur­de dann der Grund­stein zum Rat­haus Wed­ding an der Mül­lerstra­ße gelegt – der schlich­te Back­stein­bau wur­de 1930 eingeweiht.

Klassische 1920er Jahre am Rathaus-Altbau

Grenzkorrekturen

Die Gren­zen des Bezirks änder­ten sich mehr­mals. 1923 wur­den sie Rich­tung Tier­gar­ten und Char­lot­ten­burg in den Ber­lin-Span­dau­er-Schif­fahrts­ka­nal gelegt. Was sich stär­ker aus­wirk­te: Im Jahr 1938 gab es eine Berei­ni­gung von Gren­zen in allen Ber­li­ner Bezir­ken, bei der zahl­rei­che alte Grenz­ver­läu­fe begra­digt wur­den, die meis­tens noch aus der Zeit stamm­ten, als die Vor­or­te eigen­stän­di­ge Dör­fer waren. Durch die­se Grenz­kor­rek­tur kam der Wed­ding an das Gebiet rund um den heu­ti­gen Zen­tra­len Fest­platz, die Fried­hö­fe süd­lich der Hol­län­der­stra­ße und vor allem an das Gebiet an der Wollank­stra­ße west­lich der Nord­bahn, das bis dahin zu Pan­kow gehört hat­te. Auch die dort gele­ge­nen Fried­hö­fe wur­den 1938 Wed­din­ger Gebiet. Die Ber­nau­er Stra­ße und die Lie­sen­stra­ße wur­den als Gren­ze nach Mit­te fest­ge­legt – eine Gren­ze, die beim Mau­er­bau 1961 dann eine ent­schei­den­de Rol­le spie­len sollte.

1945 wur­de der Wed­ding Teil des fran­zö­si­schen Sek­tors in der Vier-Mäch­te-Stadt, wäh­rend die Nach­bar­be­zir­ke Mit­te, Prenz­lau­er Berg und Pan­kow dem sowje­ti­schen Sek­tor zuge­schla­gen wur­den. Nach dem Mau­er­bau geriet der Wed­ding – 1920 Teil der Innen­stadt – auf ein­mal in eine Rand­la­ge von West-Ber­lin, da wich­ti­ge Bezugs­punk­te wie die Fried­rich­stra­ße oder der Alex­an­der­platz vom Wed­ding für die Men­schen weit­ge­hend abge­schnit­ten waren.

2001 wur­den eini­ge Ber­li­ner Bezir­ke fusio­niert. Auch der Bezirk Wed­ding ver­lor nach 80 Jah­ren sei­ne Selb­stän­dig­keit und ist seit­dem Teil des Bezirks Mit­te. Sei­nen ganz eige­nen Cha­rak­ter hat der Wed­ding zum Glück nicht voll­stän­dig ver­lo­ren. Den­noch gelangt mehr und mehr ins Bewusst­sein, dass der Stadt­teil ein­fach sehr zen­tral und ver­kehrs­güns­tig liegt. Es besteht also die Gefahr, dass die­ser bis­lang im Wind­schat­ten von Auf­wer­tung lie­gen­de Teil Ber­lins plötz­lich in den Innen­stadt-Sog gerät – wie vor ihm schon Kreuz­berg oder Tei­le Neuköllns.

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Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

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