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Bei uns gibt es jeden Tag Brötchen!

25. Dezember 2016
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Frühstückstisch mit Brötchen vom grünen Bäcker. Foto: Hensel
Früh­stücks­tisch mit Bröt­chen vom grü­nen Bäcker. Foto: Hensel

Es ist kein Bio-Bäcker und die Bröt­chen wer­den auch nicht nach alter Hand­werks­tra­di­ti­on her­ge­stellt. In der Früh­stücks-Café-Bäcke­rei wer­den gelie­fer­te Teig­lin­ge fer­tig geba­cken. Für 18 Cent das Stück gehen die dann über den Ver­kaufs­tre­sen in der Use­do­mer Stra­ße Ecke Watt­stra­ße. Man kann das kri­tisch sehen, man muss aber nicht. Denn der grü­ne Bäcker, wie wir ihn wegen sei­ner Fas­sa­den­far­be nen­nen, erfüllt wie vie­le tür­ki­sche Bäcker die­ser Art auch eine wich­ti­ge Funk­ti­on im Kiez.

Punkt eins liegt beson­ders an Fei­er­ta­gen auf der Hand. Der grü­ne Bäcker hat immer geöff­net. Dass das ein Pri­vi­leg für Bröt­chen­fans ist, ver­gisst man gern. Was in Ber­lin Früh­stück­s­all­tag ist, wird für mich immer dann zum Luxus, wenn ich an Fei­er­ta­gen in mei­ne alte Hei­mat in die bran­den­bur­gi­sche Klein­stadt fah­re. Dort haben die Bäcker fei­er­tags geschlos­sen. Bröt­chen gibt es nicht. Punkt. Der grü­ne Bäcker dage­gen hat an jedem Tag im Jahr geöff­net. An nor­ma­len Tagen von 6 bis 20 Uhr, an Fei­er­ta­gen erst ab 8 Uhr.

Das Frühstücks-Café-Bäckerei an der Ecke Usedomer Straße und Wattstraße. Foto: Hensel
Das Früh­stücks-Café-Bäcke­rei an der Ecke Use­do­mer Stra­ße und Watt­stra­ße. Foto: Hensel

Punkt zwei ist eben­falls offen­sicht­lich: die Prei­se. Der grü­ne tür­ki­sche Bäcker ist qua­si ein Bröt­chen­dis­coun­ter. Bil­li­ger geht es wohl nicht. Ein Fer­tig­back­bröt­chen kos­tet fer­tig geba­cken 18 Cent, ein Sesam­ring 90 Cent, ein Fla­den­brot 1 Euro und Split­ter­bröt­chen 45 Cent. Wenn der Preis sehr krumm ist, run­det der tür­ki­sche Besit­zer mit der größ­ten Selbst­ver­ständ­lich­keit stets zu mei­nen Guns­ten ab. Sei­ne Ange­stell­ten trau­en sich das zwar nicht, aber er gibt sich immer sehr großzügig.

Punkt drei habe ich lan­ge nicht ver­stan­den. Dass liegt viel­leicht dar­an, dass ich noch nie auf die Idee gekom­men bin, mich an einen der Tische vor der Tür oder im Laden­ge­schäft zu set­zen, um dort zu früh­stü­cken. Und dass habe ich nicht getan, weil ich ganz offen­sicht­lich etwas Ande­res für gemüt­lich hal­te als die­sen schlich­ten, stink­nor­ma­len Fer­tig­back­bröt­chen-Schräg­strich-Auf­back­bä­cker­la­den. Zu mei­ner Über­ra­schung sehen das eini­ge mei­ner Nach­barn anders. Älte­re Leu­te aus dem Kiez sit­zen neben tür­ki­schen Fami­li­en, neben Bau­ar­bei­tern und essen ganz ent­spannt güns­ti­ges und ein­fa­ches Früh­stück, im Som­mer unter der Mar­ki­se drau­ßen an der eher ruhi­gen Use­do­mer Stra­ße. Das sieht immer so herr­lich nor­mal aus, so ohne Event­cha­rak­ter aber mit viel Mul­ti­kul­ti-Nach­bar­schafts­ge­fühl. Getränk dazu? Der klei­ne Kaf­fee kos­tet 1 Euro (groß=1,30 Euro), der Cap­puc­ci­no 1 Euro, der Milch­kaf­fee 1,50 Euro. Mög­li­cher­wei­se lebt das Früh­stücks-Café-Bäcke­rei davon, dass es in dem Dreh kaum wei­te­re Früh­stücksca­fés gibt – weder hip­pe noch unhippe.

Kri­tisch anmer­ken muss ich aller­dings, dass das Sor­ti­ment nur so halb zu mei­nen Ein­kaufs­wün­schen passt. Im Wesent­li­chen gibt es die fer­tig geba­cke­nen Fer­tig­back­bröt­chen und die sind halt so wie sie über­all sind – ein­schließ­lich der Tank­stel­le am Ende der Stra­ße. Auch immer reich­lich vor­han­den sind Fla­den­bro­te. Dann wird es schon eng. Für die weni­gen Spe­zi­al­bröt­chen muss man schon früh auf­ste­hen, die offen­bar abge­zähl­ten Bro­te habe ich noch nie pro­bie­ren kön­nen. Sie waren immer schon aus­ver­kauft. Es gibt zwei bis drei Sor­ten Kuchen in klei­nen Men­gen, eini­ge Crois­sants (gefüllt und unge­füllt) und vie­le beleg­te Bröt­chen. Da freu­en sich die Hand­wer­ker des Hoch- und Tiefbaugewerbes.

Noch ein Wort zum Per­so­nal. Neben dem groß­zü­gi­gen Inha­ber, der aber eher nur zufäl­lig mal hin­ter dem Tre­sen steht, gibt es eine sehr freund­li­che tür­ki­sche Frau, die viel lächelt, mei­nem Sohn frü­her immer Kek­se schenk­te und die außer guten Tag, bit­te, dan­ke und den Zah­len von eins bis ein­hun­dert lei­der kein Wort mei­ner Spra­che ver­steht, was aber nichts macht. Dar­über hin­aus gibt es noch eine deut­sche Ver­käu­fe­rin, die wir Zacki­za­cki nen­nen. Sie sam­melt immer sehr schnell die gewünsch­ten Back­wa­ren zusam­men und erwar­tet mit etwas stren­gem Blick vom Kun­den, dass auch er nicht den Betrieb auf­hält. Also kra­me ich mein Geld immer mög­lichst schnell aus der Geld­bör­se. Aber auch das macht mir nichts aus. Mein Lächeln für den Tag hole ich mir woan­ders ab. Und Zuhau­se war­tet ja der gedeck­te Früh­stücks­tisch auf mich.

Früh­stücks-Café-Bäcke­rei, Ecke Use­do­mer Straße/Wattstraße, täg­lich von 6 bis 20 Uhr geöff­net, fei­er­tags ab 8 Uhr

Text und Fotos: Domi­ni­que Hensel

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

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