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Meditation im buddhistischen Tempel in der Ackerstraße

30. August 2014
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Der bud­dhis­ti­sche Tem­pel in der Ackerstraße.

Vie­le Moscheen, Kir­chen, Syn­ago­gen, Tem­pel und Gemein­de­häu­ser in Wed­ding und Gesund­brun­nen öff­nen zur Lan­gen Nacht der Reli­gio­nen ihre Türen für Gäs­te. Auch der bud­dhis­ti­sche Fo-Guang-Shan Tem­pel im Brun­nen­vier­tel­war dabei. Es gibt Tem­pel­füh­run­gen, Tee­ze­re­mo­nien und Medi­ta­ti­on mit Anlei­tung in deut­scher Spra­che. Wed­ding­wei­ser-Redak­teu­rin Domi­ni­que Hen­sel hat sich schon mal im Tem­pel umge­se­hen und eine Geh­me­di­ta­ti­on ausprobiert.

Mein Leben ist schnell. Wie vie­le moder­ne Men­schen ren­ne ich durch den Tag, vor­bei an vie­len Ter­mi­nen und Auf­ga­ben, die es zu erle­di­gen gilt. Zwi­schen Fami­lie, Haus­halt, Ein­kau­fen und Job che­cke ich die E‑Mails, höre die Nach­rich­ten im Radio und beant­wor­te die Kurz­nach­rich­ten auf dem Mobil­te­le­fon, mache mir Gedan­ken über dies und jenes. Hier und da und hin und her. Ich muss viel schaf­fen und beei­le mich, damit alles klappt. Neu­lich habe ich abends noch einen Ter­min dran­ge­hängt: Medi­ta­ti­on im bud­dhis­ti­schen Tem­pel in der Acker­stra­ße. Nach einem lan­gen und schnel­len Tag lan­de­te ich aus Neu­gier mit­ten in einer Welt der Laaaaaa­ang­saaaaam­keit, mit­ten in einer unge­wohnt stil­len und reiz­ar­men Umgebung.

Ich habe schon lan­ge nicht mehr gemerkt, dass ich den gan­zen Tag ren­ne. Bis zu dem Moment, als ich auf­ge­for­dert wur­de, lang­sam zu gehen. Denn die Medi­ta­ti­on im Fo-Guang-Shan Tem­pel begann mit einer Geh­me­di­ta­ti­on. Ich soll­te mit geschlos­se­nen Augen – oder zumin­dest mit gesenk­tem Blick – ein­mal den Raum umrun­den. Ziel ist es, an nichts zu den­ken und still, lang­sam und bedäch­tig einen Fuß vor den ande­ren zu setzen.

Mit Schne­cken­ge­schwin­dig­keit geht es voran

Das klang ein­fach, war aber schwe­rer als gedacht.Während ich wegen der Schne­cken­ge­schwin­dig­keit beim Lau­fen ins Kip­peln kam, muss­te ich stän­dig auf mei­nen Vor­der­mann ach­ten, der sich Mil­li­me­ter für Mil­li­me­ter vor­wärts schob und als natür­li­che Geschwin­dig­keits­brem­se dien­te. Wir waren so lang­sam, dass mei­ne Gedan­ken nur so spru­del­ten, denn wann habe ich schon so viel unge­stör­te Zeit zum Den­ken? Doch ich durf­te ja gar nicht den­ken! Und ich durf­te die Schne­cke vor mir nicht schub­sen, damit sie schnel­ler kroch, obwohl es mir so schwer fiel, den Impuls zu unter­drü­cken. Eine hal­be Stun­de muss­te ich mich immer wie­der selbst zur Ruhe ermah­nen, denn so lan­ge brauch­ten wir, den nicht sehr gro­ßen Raum zu umrunden.

Habe ich das Han­dy aus­ge­schal­tet? Hof­fent­lich klin­gelt es jetzt nicht! Wer­de ich über mei­nen Medi­ta­ti­ons­ver­such einen Text schrei­ben, viel­leicht für den Wed­ding­wei­ser? Scha­de, dass ich den Foto­ap­pa­rat nicht mit­ge­nom­men habe. Ob die Kin­der schon schla­fen? Es ist schon spät. Stopp, stopp, stopp! Ich soll das nicht den­ken. Ich soll mich jetzt hin­set­zen, die Bei­ne ver­schrän­ken, die Hän­de fal­ten, die Augen schlie­ßen und atmen. Ein und aus, ein und aus. Die Gedan­ken sol­len schweigen.

Am Ende klappt es doch: Entspannung

Irgend­wo habe ich mal gele­sen, dass die moder­nen Men­schen zu viel Ein­at­men und des­halb kei­nen Platz für neue Luft in den Lun­gen haben. Des­halb soll man sich aufs Aus­at­men kon­zen­trie­ren, das Ein­at­men gin­ge dann leich­ter. Ob das stimmt? Ich wer­de es aus­pro­bie­ren. Oh man, schon wie­der den­ke ich. Es heißt: Ich den­ke, also bin ich. Wenn ich jetzt nicht den­ke, bin ich dann etwa nicht? Die Gedan­ken wol­len mich nicht loslassen.

Ich stren­ge mich an so sehr ich kann. Irgend­wann kurz vor Ende der Medi­ta­ti­ons­zeit schaf­fe ich es. Ich den­ke nicht und ich tue genau eine Sache: ich atme. Aus und ein, aus und ein. Aus und ein, aus und ein. Aus und ein, aus und ein. Ich neh­me eine eigen­ar­ti­ge Ent­span­nung mit aus dem Tem­pel und neh­me mir vor, wenigs­tens ab und zu ein­mal nichts zu den­ken und lang­sa­mer zu gehen.

Acker­str. 85–65

http://www.buddhismus-deutschland.de/pt_gruppe/fo-guang-shan-tempel-berlin/

Text und Foto: Domi­ni­que Hensel

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

3 Comments

  1. @Dominique Hen­sel

    Es gab vor ein paar Jah­ren den Spruch:

    Nur Per­so­nal ist jeder­zeit erreichbar!!!

    Das Abschal­ten ist so wie das ers­te Mal ohne Schwimm­rei­fen zu schwimmen 🙂

  2. Lie­ber Moritz! Dan­ke für den Tipp. Ich träu­me auch immer mal wie­der von sol­che einer radi­ka­len 3‑Ta­ges-Idee: Han­dy aus, Inter­net abschal­ten. Bis­her habe ich mich nicht getraut. 😉

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