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Die Geschichte des Döner:
Döner Kebap: Einmal alles mit scharf

3. Januar 2023
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Döner Kebab ist ein Stück Gegen­warts­kul­tur und eine durch­aus gelun­ge­ne Migra­ti­ons- und Inte­gra­ti­ons­ge­schich­te. Im Jahr 2019 wur­den „70 Jah­re Cur­ry­wurst“ gefei­ert und im Früh­jahr 2022 waren es „50 Jah­re Döner“. Mit dem Döner änder­te sich auch das öffent­li­che Leben der Ber­li­ner Stra­ßen und Kieze. Unse­re Autorin hat sei­ne Geschich­te von Anfang an beglei­tet und damals sogar den Erfin­der kennengelernt. 

Schon Anfang der 1970er in Istan­bul als mit Fleisch gefüll­tes Sand­wich bekannt, aber mit ande­ren Nuan­cen und Zube­rei­tungs­ar­ten. Die­ses Fast Food nahm sei­nen Anfang, an vie­len Orten in der Stadt, es wur­de eine Bewe­gung. Und im Janu­ar 1991 hat die BILD Ber­lin fol­ge­rich­tig getex­tet: „Imbiß-Krieg – Der Döner geht der Bock­wurst an die Pel­le“, denn unter den Trends bei Street Food zeig­te der Döner-Ver­kauf die höchs­te Dyna­mik und steckt heu­te gleich den Umsatz meh­re­rer Imbiss-Ket­ten gleich­zei­tig in die Tasche. So wird mit Döner etwa 7 Mrd. Euro Umsatz erzielt, eben­so wie die Ket­ten von McDonald‘s, Bur­ger King. Nord­see GmbH, Star­bucks bis Mar­ché Möwen­pick zusammen.

Dabei stan­den McDonald’s mit sei­ner ers­ten Filia­le in Mün­chen Ende 1971 eben­so wie Döner Kebab in Ber­lin ab Beginn der 1970er in den Start­lö­chern. Aber wie lang war der Weg vom klei­nen Sand­wich mit Fleisch­stü­cken und Zwie­bel­rin­gen zum inter­na­tio­na­len Exportschlager?

Der wohl größ­te Teil der Erfolgs­ge­schich­te des Döners geht aufs Kon­to des Unter­neh­mens von Rem­zi Kaplan, gebo­ren 1960 in der Tür­kei. Sein Unter­neh­men ist seit 1990/1991 in der Pro­vinz­stra­ße im Sol­di­ner Kiez im Wed­ding ansäs­sig und expan­dier­te von dort sowohl mit Geschäf­ten als auch mit der Fleisch­fa­bri­ka­ti­on. Was Beschäf­tig­te aus­län­di­scher Her­kunft, damals soge­nann­te Gast­ar­bei­ter, die die ab den 1960er Jah­ren für den deut­schen Arbeits­markt ange­wor­ben wur­den, an kegel­för­mi­gen Spie­ßen aus Döner­fleisch noch von Hand in stun­den­lan­ger Klein­ar­beit an vie­len Orten Ber­lins schich­te­ten, wird heu­te maschi­nell gefer­tigt. Ab Mit­te der 1990er errich­te­te er wei­te­re Pro­duk­ti­ons­stät­ten in den Nie­der­lan­den, in Ham­burg, Schön­wal­de und vor allem aber die der­zeit welt­weit größ­te Döner-Pro­duk­ti­on in Polen, die „Dünya Döner Kebap“, ein Fir­men­na­me mit einem klei­nen Wort­spiel auf den Dreh­spieß, auf einer Flä­che von 23.000 qm in aller­mo­derns­ter Aus­stat­tung, in Zdu­ny, etwa 350 km öst­lich von Ber­lin. Heu­te hat Kaplan Döner fünf gas­tro­no­mi­sche Stand­or­te in Ber­lin, unter ande­rem eine Imbiss­bu­de direkt am Leo­pold­platz und ein Restau­rant am U‑Bahnhof Oslo­er Stra­ße, noch immer am ers­ten von R. Kaplan ein­ge­rich­te­ten Standort.

Von ers­ten Sand­wi­ches bis zur indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on der Spie­ße ver­gin­gen also wenigs­tens 30 Jah­re. Döner Kebab als Street­food wur­de in Ber­lin erfun­den, das steht fest, wenn­gleich Döner Kebab schon vor lan­ger Zeit als eine von lan­gen Mes­sern fein geschnit­te­ne Fleisch­spei­se vom sich dre­hen­den Grill­spieß als sonn­täg­li­che Spei­se der Rei­chen in der Tür­kei kul­ti­viert wur­de. Der Name besagt: „sich dre­hen­des“ (Döner) Fleisch, das am Spieß gegrillt wur­de (Kebab), also ein Dreh- oder Spieß­bra­ten, der sodann als „Döner­ke­bap“ im Jahr 1995 auch bei Duden (seit 2002 von Duden in Getrennt­schrei­bung „Döner Kebab“ emp­foh­len) in den deut­schen Wort­schatz auf­ge­nom­men wurde.

Es gibt zur Erfin­dung vie­le Erzäh­lun­gen, da offen­bar ein ers­ter Trend durch Vie­le ein­setz­te, und eben­so wie beim Ran­king und dem Schwär­men vom wirk­lich bes­ten Döner gibt es auch über den Erfin­der die eine und auch ande­re Geschichte.

Mit den Anwer­bun­gen und dem Fami­li­en­nach­zug ent­wi­ckel­te sich erst nach und nach ein Hand­wer­ker­markt und ein für Tür­ken ange­pass­tes Ange­bot im Gemü­se­han­del, der den Trend der Döner­bu­den auch befeu­er­te. Ab Anfang der 1980er nahm die tür­ki­sche Geschäfts­welt Auf­schwung. Denn die Ratio­na­li­sie­rung in der Ber­li­ner Indus­trie und hohe Arbeits­lo­sig­keit Mit­te der 1980er – mit der Alter­na­ti­ve, in die Tür­kei zurück­zu­ge­hen – führ­te nun doch eini­ge mehr in die Selb­stän­dig­keit, mit dem Risi­ko, ein Imbiss­ge­schäft zu wagen.

Jah­re zuvor: Am Bahn­hof Zoo, wo wir als frisch nach West­ber­lin zuge­zo­ge­ne Stu­den­ten im Som­mer­se­mes­ter 1973 an den Sams­tag­aben­den die gro­ßen Sonn­tags­aus­ga­ben der Zei­tun­gen mit dem gedruck­ten Woh­nungs­markt abpass­ten, gab es gegen­über bei “Aschin­ger” ein Fens­ter, das offen stand.

Und was geschah: Ich erhielt ein fla­ches Bröt­chen .. äähm … eine fla­che, hand­tel­ler­gro­ße Schrip­pe, bes­ser ein Sand­wich, mit dem Inhalt von fein geschnit­te­nem Fleisch und etli­chen schick hin­ein geleg­ten run­den Zwie­bel­rin­gen. Das war eine net­te Ges­te, eine sol­che beleg­te Fleisch­ta­sche zu erhal­ten, denn der bis zum Abitur übli­che umfas­sen­de Mama-Ser­vice war schon nach weni­gen Wochen in West­ber­lin dabei, in Ver­ges­sen­heit zu gera­ten. Es schmeck­te, aber es fehl­te etwas. Ich kann­te Mett­bröt­chen, ich kann­te Bulet­ten­bröt­chen und ich kann­te über­haupt die Rezep­tur, Fleisch auf einer Bem­me mit Senf zu ver­spei­sen. Ah … Senf … ?

Mit­te der 1970er Jah­re, ich war schon etli­che Jah­re täg­lich von Kreuz­berg und Schö­ne­berg nach Dah­lem ins Grü­ne in die Vor­le­sun­gen zur FU Ber­lin hin­aus­ge­fah­ren, um mit­tags in der Men­sa nach dem Schlan­ge­ste­hen auf einem gro­ßen Tablett die Haus­manns­kost vom Band ser­viert zu bekom­men, befand ich mich am Kott­bus­ser Damm. Ich kam fast Ecke Weser­stra­ße auf dem brei­ten Trot­toir mit einem Mann ins Gespräch, und es ist tat­säch­lich wie ein Wun­der, dass wir ins Gespräch kamen über die­sen wirk­lich mög­li­chen Wun­der­im­biss, der so wün­schens­wert sei, wie auch er dazu meinte.

Mitt­ler­wei­le hat­te ich ein Nach­fol­ge­mo­dell zum ers­ten Döner­sand­wich vom Zoo­lo zum Pro­bie­ren bekom­men, und es ging um die prak­ti­sche Fra­ge, wie man das Ange­bot kun­den­taug­li­cher auf­be­rei­ten kön­ne. Ich mein­te sehr läs­sig, es sei doch ein sehr guter Imbiss für die men­sa­frei­en Tage, an denen man in Lern­pau­sen ein Fast Food mit Salat zu sich neh­men kön­ne. Aber Salat im Brot war mir auch noch zu exo­tisch oder eben zu tro­cken. Ja, die Sau­ce! Wer isst in Deutsch­land auch irgend­et­was ohne Sau­ce? Nicht der Senf, aber eine Sau­ce müs­se es sein, die das Gan­ze zusam­men­hält und die Kom­bi ver­träg­lich macht. Was bei der Grü­nen Sau­ce mit sie­ben Kräu­tern, so in mei­ner Hei­mat in Hes­sen, gelin­ge, müs­se auch hier Fleisch und Salat im Brot ver­söh­nen. Das war mei­ne Idee vom Schnell­im­biss zum Mit­neh­men. Mein Gesprächs­part­ner hat­te aber schon im Sinn, die Toma­te aus dem Rezept zu ver­ban­nen, was ich einem Süd­eu­ro­pä­er kaum glau­ben konnte.

Wir spra­chen also mit­ein­an­der und hat­ten bei­de eine Idee, die uns ein­nahm, die aber noch work in pro­gress war. Wir gin­gen im Gespräch mit­ein­an­der bis Ecke Hob­recht­stra­ße, denn es war spon­tan klar, dass wir die Sache bei­de ernst nah­men und mir war klar, dass er, der net­te Tür­ke, mit dem ich plötz­lich so viel teil­te, an der Sache dran­blei­ben würde.

Es war Kadir Nur­man. Auch ein Öko­nom, gebo­ren 1933 und mit pro­fun­dem Inter­es­se an die­ser Mate­rie, denn er war es, der den Laden am Zoo­lo­gi­schen Gar­ten so früh eröff­net hat­te. Im Jahr 2011 auf der DÖGA wur­de Herr Nur­man vom Ver­ein Tür­ki­scher Döner­her­stel­ler in Euro­pa (ATDID) als Erfin­der des Döner Kebab in Deutsch­land gewür­digt. Im Jahr 2013 ver­starb er.

Es ist dem Jour­na­lis­ten Eber­hard Sei­del zu ver­dan­ken, dass wir so viel über die wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Ent­wick­lung des Döners in unse­rer Stadt wis­sen. Bereits im Jahr 1996 publi­zier­te E. Sei­del ein Rot­buch-Taschen­buch, das anschau­lich unter dem Titel „Auf­ge­spießt“ erklärt – so der Unter­ti­tel – ‚wie der Döner über die Deut­schen kam.

Eber­hard Sei­del hat nun dazu Anfang 2022 ein zwei­tes Buch zur Kul­tur­ge­schich­te des Döner vor­ge­legt: In sie­ben Kapi­teln trägt er infor­ma­tiv mit Tief­blick die Geschich­te und die poli­ti­sche Bri­sanz der Aus­brei­tung des Imbis­s­trends vor und erzählt nun die neue gan­ze Geschich­te, auch die nach der deut­schen Wie­der­ver­ei­ni­gung und die der gro­ßen Expor­te in alle Welt.

Wir Ber­li­ner sind Welt­meis­ter im Kon­sum von Döner. Etwa 1600 Buden ver­kau­fen etwa 400.000 Döner am Tag. Das sta­tis­ti­sche Lan­des­amt (2020) mel­det etwa 2450 Imbiss­gast­stät­ten aller Art in Ber­lin, wovon in den Bezir­ken Mit­te (401), Kreuz­berg-Fried­richs­hain (345), Pan­kow (255) und Char­lot­ten­burg-Wil­mers­dorf (249) also mit etwa 1250 die Hälf­te nur in der Innen­stadt lie­gen. An man­chen Buden, wie am Meh­ring­damm 32 bei Mustafa‘s Gemü­se Kebap ste­hen die Kun­den gedul­dig Schlan­ge, und dies sehr lan­ges. Und tat­säch­lich bestä­tigt eine aktu­el­le reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge von You­Gov, dass Döner belieb­ter ist als die Cur­ry­wurst, wobei Älte­re und Män­ner noch immer dem Ket­chup-Würs­tel eher zusprechen.

Und ein unge­ahn­tes Geheim­nis hat die Sache doch, ein Geheim­nis, das nicht im Fami­li­en­be­trieb oder beim Fleisch liegt, son­dern beim Fla­den­brot. Eber­hard Sei­del erklärt anhand der Berufs­pra­xis der erfah­re­nen Bäcker recht gut, war­um es nicht ein­fach ist, ein per­fek­tes Brot zu backen, eines das lan­ge feucht, frisch bleibt und als Pide auch preis­lich kon­kur­renz­fä­hig ist. Und Cevik, der Wed­din­ger Bäcker, scheint es auch zu können!

Rund­um ein tol­les Sach­buch, nach des­sen Lese­ge­nuss man wesent­lich schlau­er ist über all das, was man sich zum Imbiss Döner an Fra­gen stel­len kann.

Nun gibt es vie­le Ran­kings, vege­ta­ri­sche Kebab, Chi­cken Kebab, Hawaii Kebab – und wer schwört nicht auf sei­nen Lieb­lings­dö­ner? So soll es auch blei­ben, denn in der Viel­falt liegt die Freu­de und die Herausforderung.

__________________________

­Eber­hard Sei­del, Auf­ge­spießt, Rot­buch-Taschen­buch, 1996

Eber­hard Sei­del, Döner, März, 2022

https://de.wikipedia.org/wiki/Kadir_Nurman

https://www.kaplangroup.de/ueber-kaplan.php

https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%B6ner_Kebab

http://cevik-backerei.de/

Was für den Döner aus dem Wed­ding kommt, steht hier.

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

3 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Hal­lo und guten Morgen

    die Grü­nen wol­len das Mensch weni­ger Fleisch essen soll… wegen dem Kli­ma und zuviel CO2 – Aus­stoss und so …
    Wenn aber 1600 Döner­bu­den am Tag 400.000 Döner ver­kauft wer­den (und das nur in Ber­lin !!! ) und dafür Hun­der­te von Rin­dern geschlach­tet wer­den müs­sen … dann wird mit freu­dig-feuch­ten Augen von gelun­ge­ner Inte­gra­ti­on gesprochen !!??

    in die­sem Sin­ne noch eine fan­tas­ti­sche ers­te Woche im neu­en Jahr

    • die bei­den Umstän­de zu ver­knüp­fen ist auch in der ers­ten Woche 2023 von Start weg ne Leis­tung (Glück­wunsch). Man kann aber auch Hall­o­u­mi oder Fal­a­fel beim Döner­la­den des Ver­trau­ens bestel­len. Da es dazu kei­ne geson­der­te Sta­tis­tik gibt, kann man davon aus­ge­hen, dass die­se bei den 400.000 mit drin sind.
      Nur das muss man dann sel­ber wollen.

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