Döner Kebab ist ein Stück Gegenwartskultur und eine durchaus gelungene Migrations- und Integrationsgeschichte. Im Jahr 2019 wurden „70 Jahre Currywurst“ gefeiert und im Frühjahr 2022 waren es „50 Jahre Döner“. Mit dem Döner änderte sich auch das öffentliche Leben der Berliner Straßen und Kieze. Unsere Autorin hat seine Geschichte von Anfang an begleitet und damals sogar den Erfinder kennengelernt.
Schon Anfang der 1970er in Istanbul als mit Fleisch gefülltes Sandwich bekannt, aber mit anderen Nuancen und Zubereitungsarten. Dieses Fast Food nahm seinen Anfang, an vielen Orten in der Stadt, es wurde eine Bewegung. Und im Januar 1991 hat die BILD Berlin folgerichtig getextet: „Imbiß-Krieg – Der Döner geht der Bockwurst an die Pelle“, denn unter den Trends bei Street Food zeigte der Döner-Verkauf die höchste Dynamik und steckt heute gleich den Umsatz mehrerer Imbiss-Ketten gleichzeitig in die Tasche. So wird mit Döner etwa 7 Mrd. Euro Umsatz erzielt, ebenso wie die Ketten von McDonald‘s, Burger King. Nordsee GmbH, Starbucks bis Marché Möwenpick zusammen.
Dabei standen McDonald’s mit seiner ersten Filiale in München Ende 1971 ebenso wie Döner Kebab in Berlin ab Beginn der 1970er in den Startlöchern. Aber wie lang war der Weg vom kleinen Sandwich mit Fleischstücken und Zwiebelringen zum internationalen Exportschlager?
Der wohl größte Teil der Erfolgsgeschichte des Döners geht aufs Konto des Unternehmens von Remzi Kaplan, geboren 1960 in der Türkei. Sein Unternehmen ist seit 1990/1991 in der Provinzstraße im Soldiner Kiez im Wedding ansässig und expandierte von dort sowohl mit Geschäften als auch mit der Fleischfabrikation. Was Beschäftigte ausländischer Herkunft, damals sogenannte Gastarbeiter, die die ab den 1960er Jahren für den deutschen Arbeitsmarkt angeworben wurden, an kegelförmigen Spießen aus Dönerfleisch noch von Hand in stundenlanger Kleinarbeit an vielen Orten Berlins schichteten, wird heute maschinell gefertigt. Ab Mitte der 1990er errichtete er weitere Produktionsstätten in den Niederlanden, in Hamburg, Schönwalde und vor allem aber die derzeit weltweit größte Döner-Produktion in Polen, die „Dünya Döner Kebap“, ein Firmenname mit einem kleinen Wortspiel auf den Drehspieß, auf einer Fläche von 23.000 qm in allermodernster Ausstattung, in Zduny, etwa 350 km östlich von Berlin. Heute hat Kaplan Döner fünf gastronomische Standorte in Berlin, unter anderem eine Imbissbude direkt am Leopoldplatz und ein Restaurant am U‑Bahnhof Osloer Straße, noch immer am ersten von R. Kaplan eingerichteten Standort.
Von ersten Sandwiches bis zur industriellen Produktion der Spieße vergingen also wenigstens 30 Jahre. Döner Kebab als Streetfood wurde in Berlin erfunden, das steht fest, wenngleich Döner Kebab schon vor langer Zeit als eine von langen Messern fein geschnittene Fleischspeise vom sich drehenden Grillspieß als sonntägliche Speise der Reichen in der Türkei kultiviert wurde. Der Name besagt: „sich drehendes“ (Döner) Fleisch, das am Spieß gegrillt wurde (Kebab), also ein Dreh- oder Spießbraten, der sodann als „Dönerkebap“ im Jahr 1995 auch bei Duden (seit 2002 von Duden in Getrenntschreibung „Döner Kebab“ empfohlen) in den deutschen Wortschatz aufgenommen wurde.
Es gibt zur Erfindung viele Erzählungen, da offenbar ein erster Trend durch Viele einsetzte, und ebenso wie beim Ranking und dem Schwärmen vom wirklich besten Döner gibt es auch über den Erfinder die eine und auch andere Geschichte.
Mit den Anwerbungen und dem Familiennachzug entwickelte sich erst nach und nach ein Handwerkermarkt und ein für Türken angepasstes Angebot im Gemüsehandel, der den Trend der Dönerbuden auch befeuerte. Ab Anfang der 1980er nahm die türkische Geschäftswelt Aufschwung. Denn die Rationalisierung in der Berliner Industrie und hohe Arbeitslosigkeit Mitte der 1980er – mit der Alternative, in die Türkei zurückzugehen – führte nun doch einige mehr in die Selbständigkeit, mit dem Risiko, ein Imbissgeschäft zu wagen.
Jahre zuvor: Am Bahnhof Zoo, wo wir als frisch nach Westberlin zugezogene Studenten im Sommersemester 1973 an den Samstagabenden die großen Sonntagsausgaben der Zeitungen mit dem gedruckten Wohnungsmarkt abpassten, gab es gegenüber bei “Aschinger” ein Fenster, das offen stand.
Und was geschah: Ich erhielt ein flaches Brötchen .. äähm … eine flache, handtellergroße Schrippe, besser ein Sandwich, mit dem Inhalt von fein geschnittenem Fleisch und etlichen schick hinein gelegten runden Zwiebelringen. Das war eine nette Geste, eine solche belegte Fleischtasche zu erhalten, denn der bis zum Abitur übliche umfassende Mama-Service war schon nach wenigen Wochen in Westberlin dabei, in Vergessenheit zu geraten. Es schmeckte, aber es fehlte etwas. Ich kannte Mettbrötchen, ich kannte Bulettenbrötchen und ich kannte überhaupt die Rezeptur, Fleisch auf einer Bemme mit Senf zu verspeisen. Ah … Senf … ?
Mitte der 1970er Jahre, ich war schon etliche Jahre täglich von Kreuzberg und Schöneberg nach Dahlem ins Grüne in die Vorlesungen zur FU Berlin hinausgefahren, um mittags in der Mensa nach dem Schlangestehen auf einem großen Tablett die Hausmannskost vom Band serviert zu bekommen, befand ich mich am Kottbusser Damm. Ich kam fast Ecke Weserstraße auf dem breiten Trottoir mit einem Mann ins Gespräch, und es ist tatsächlich wie ein Wunder, dass wir ins Gespräch kamen über diesen wirklich möglichen Wunderimbiss, der so wünschenswert sei, wie auch er dazu meinte.
Mittlerweile hatte ich ein Nachfolgemodell zum ersten Dönersandwich vom Zoolo zum Probieren bekommen, und es ging um die praktische Frage, wie man das Angebot kundentauglicher aufbereiten könne. Ich meinte sehr lässig, es sei doch ein sehr guter Imbiss für die mensafreien Tage, an denen man in Lernpausen ein Fast Food mit Salat zu sich nehmen könne. Aber Salat im Brot war mir auch noch zu exotisch oder eben zu trocken. Ja, die Sauce! Wer isst in Deutschland auch irgendetwas ohne Sauce? Nicht der Senf, aber eine Sauce müsse es sein, die das Ganze zusammenhält und die Kombi verträglich macht. Was bei der Grünen Sauce mit sieben Kräutern, so in meiner Heimat in Hessen, gelinge, müsse auch hier Fleisch und Salat im Brot versöhnen. Das war meine Idee vom Schnellimbiss zum Mitnehmen. Mein Gesprächspartner hatte aber schon im Sinn, die Tomate aus dem Rezept zu verbannen, was ich einem Südeuropäer kaum glauben konnte.
Wir sprachen also miteinander und hatten beide eine Idee, die uns einnahm, die aber noch work in progress war. Wir gingen im Gespräch miteinander bis Ecke Hobrechtstraße, denn es war spontan klar, dass wir die Sache beide ernst nahmen und mir war klar, dass er, der nette Türke, mit dem ich plötzlich so viel teilte, an der Sache dranbleiben würde.
Es war Kadir Nurman. Auch ein Ökonom, geboren 1933 und mit profundem Interesse an dieser Materie, denn er war es, der den Laden am Zoologischen Garten so früh eröffnet hatte. Im Jahr 2011 auf der DÖGA wurde Herr Nurman vom Verein Türkischer Dönerhersteller in Europa (ATDID) als Erfinder des Döner Kebab in Deutschland gewürdigt. Im Jahr 2013 verstarb er.
Es ist dem Journalisten Eberhard Seidel zu verdanken, dass wir so viel über die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Döners in unserer Stadt wissen. Bereits im Jahr 1996 publizierte E. Seidel ein Rotbuch-Taschenbuch, das anschaulich unter dem Titel „Aufgespießt“ erklärt – so der Untertitel – ‚wie der Döner über die Deutschen kam.
Eberhard Seidel hat nun dazu Anfang 2022 ein zweites Buch zur Kulturgeschichte des Döner vorgelegt: In sieben Kapiteln trägt er informativ mit Tiefblick die Geschichte und die politische Brisanz der Ausbreitung des Imbisstrends vor und erzählt nun die neue ganze Geschichte, auch die nach der deutschen Wiedervereinigung und die der großen Exporte in alle Welt.
Wir Berliner sind Weltmeister im Konsum von Döner. Etwa 1600 Buden verkaufen etwa 400.000 Döner am Tag. Das statistische Landesamt (2020) meldet etwa 2450 Imbissgaststätten aller Art in Berlin, wovon in den Bezirken Mitte (401), Kreuzberg-Friedrichshain (345), Pankow (255) und Charlottenburg-Wilmersdorf (249) also mit etwa 1250 die Hälfte nur in der Innenstadt liegen. An manchen Buden, wie am Mehringdamm 32 bei Mustafa‘s Gemüse Kebap stehen die Kunden geduldig Schlange, und dies sehr langes. Und tatsächlich bestätigt eine aktuelle repräsentative Umfrage von YouGov, dass Döner beliebter ist als die Currywurst, wobei Ältere und Männer noch immer dem Ketchup-Würstel eher zusprechen.
Und ein ungeahntes Geheimnis hat die Sache doch, ein Geheimnis, das nicht im Familienbetrieb oder beim Fleisch liegt, sondern beim Fladenbrot. Eberhard Seidel erklärt anhand der Berufspraxis der erfahrenen Bäcker recht gut, warum es nicht einfach ist, ein perfektes Brot zu backen, eines das lange feucht, frisch bleibt und als Pide auch preislich konkurrenzfähig ist. Und Cevik, der Weddinger Bäcker, scheint es auch zu können!
Rundum ein tolles Sachbuch, nach dessen Lesegenuss man wesentlich schlauer ist über all das, was man sich zum Imbiss Döner an Fragen stellen kann.
Nun gibt es viele Rankings, vegetarische Kebab, Chicken Kebab, Hawaii Kebab – und wer schwört nicht auf seinen Lieblingsdöner? So soll es auch bleiben, denn in der Vielfalt liegt die Freude und die Herausforderung.
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Eberhard Seidel, Aufgespießt, Rotbuch-Taschenbuch, 1996
Eberhard Seidel, Döner, März, 2022
https://de.wikipedia.org/wiki/Kadir_Nurman
https://www.kaplangroup.de/ueber-kaplan.php
https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%B6ner_Kebab
http://cevik-backerei.de/
Was für den Döner aus dem Wedding kommt, steht hier.
Hallo und guten Morgen
die Grünen wollen das Mensch weniger Fleisch essen soll… wegen dem Klima und zuviel CO2 – Ausstoss und so …
Wenn aber 1600 Dönerbuden am Tag 400.000 Döner verkauft werden (und das nur in Berlin !!! ) und dafür Hunderte von Rindern geschlachtet werden müssen … dann wird mit freudig-feuchten Augen von gelungener Integration gesprochen !!??
in diesem Sinne noch eine fantastische erste Woche im neuen Jahr
die beiden Umstände zu verknüpfen ist auch in der ersten Woche 2023 von Start weg ne Leistung (Glückwunsch). Man kann aber auch Halloumi oder Falafel beim Dönerladen des Vertrauens bestellen. Da es dazu keine gesonderte Statistik gibt, kann man davon ausgehen, dass diese bei den 400.000 mit drin sind.
Nur das muss man dann selber wollen.
Danke für die Glückwünsche
wenn nicht ich, wer sollte sonst solche Umstände mit einander verknüpfen… :)))