Frontstadt West-Berlin – die Grenzen zum sowjetischen Sektor werden immer undurchlässiger, und Besuche im Berliner Umland sind schon nicht mehr möglich. Die Panke fließt drei Mal munter unter Stadt- und Sektorengrenzen hindurch – und in den Jahren vor dem Mauerbau erfährt sie in einigen Zeitungsartikeln Aufmerksamkeit.…
Dank der einmaligen Sammlung des Zeitgeschichtlichen Archivs des Berlin-Brandenburger Bildungswerks e.V. stellen wir Ihnen an dieser Stelle Auszüge aus Zeitungsartikeln aus dieser Zeit vor, die die Panke zum Thema haben.
Man würde den Berliner, der die Panke ernst nimmt, kaum ernst nehmen. Sie wird meist mit leiser Ironie bedacht, so leitet die (West-) Berliner Zeitung “Der Tag” am 26.4.54 ihren Artikel ein.
Auch der “Tagesspiegel” zollt am 29.12.55 der geschundenen Panke seinen Tribut: Unsere Stadt hat es ihr nicht gedankt, man hat die Panke ganz miserabel behandelt. Eine Baupolitik, die (…) selbst die Ufer des berühmten Wannsees privater Terrainspekulation überließ (…), hat noch schwerer an den bescheidenen Reizen der Panke gesündigt.
Und der “Telegraf” erinnert am 23.10.55 an den Stellenwert, den die Panke trotz allem für Berlin hat: Die Panke gehört zu Wedding wie die Spree zu Berlin. Und sie ist auch fast so sehr in die Berliner Poesie eingegangen wie ihre größere Schwester, obwohl sie von den Städtebauern in den verflossenen Jahrzehnten oft stiefmütterlich behandelt worden ist. Ihr ehemals anmutiges Tal wurde förmlich mit häßlichen Mietskasernen zugedeckt, vor allem zwischen der Gerichtstraße und dem Bahndamm. Von der Natur blieb nichts mehr übrig. Die war schon vorher ziemlich verdrängt worden, als 1704 der Flußlauf von Pankow-Schönhausen bis zum heutigen Humboldthafen kanalisiert wurde. Das geschah, weil Königin Sophie Charlotte zwischen den Schlössern Schönhausen, Monbijou, Charlottenburg und Berlin geruhsame Kahnfahrten zu unternehmen gedachte. Dem standen aber die vielen Windungen des Flüsschens entgegen. Aus den Kahnfahrten wurde aber nichts, die Königin starb bereits 1705. (…) Beim Kanalbau wurde die Panke zwischen der Schönwalder und der Schulzendorfer Straße geteilt. Der eine Arm ging ostwärts weiter in Richtung zum Berliner Schloß bis zum Schiffbauerdamm 2. Daher der Reim: “Am Schiffbauerdamm zwee fließt die Panke in die Spree.”
Der “Tagesspiegel” beklagt 1955 auch die schwindende Bekanntheit der Panke: “In Meyers vielbändigem Lexikon hat man 1909 der Panke gerade zweieinhalb Zeilen gewidmet; 1933 durfte dem Großen Brockhaus etwas mehr als eine einzige Zeile genug scheinen. Der neueste Herder des Jahres 1955 erwähnt die Panke überhaupt nicht mehr. Denn zum alten Unglück kam das neue, und der Eiserne Vorhang macht die liebe, kleine Panke noch unsichtbarer, als zuvor das Zementplatten vermocht hatten. Die Panke scheint vergessen zu sein, und vielleicht wissen die heutigen Berliner auch nicht viel mehr als die heutigen Lexikographen?
Dabei, so betont “Der Tag” 1954, könnte man die Panke als vielbesungenen Fluss bezeichnen: Selbst diese an prominente Gewässer zu stellende Bedingung wird erfüllt. In der Melodie von Hugo Hirsch “Das Paradies liegt an der Panke, das Paradies liegt an der Spree” rangiert die Panke, wenn auch vielleicht nur um des Reimes willen, an erster Stelle. Jedenfalls sind das Töne höchsten Lobes.
1959 porträtiert der “Tagesspiegel” die Weddinger Müllerstraße wie folgt: Oberflächlich betrachtet ist eigentlich nicht einzusehen, weshalb die Chausseestraße, die von Süden kommend noch ein Stück in den Bezirk Wedding hineinragt, nach 33 Metern plötzlich einen anderen Namen bekommt. Keine Querstraße, die an dieser Stelle den Straßenzug zerschneidet, keine Bezirksgrenze, kein sichtbares Motiv für eine Umbenennung. Scheinbar willkürlich ist zwischen den Einmündungen der Liesen- und der Reinickendorfer Straße das Schild mit der Aufschrift “Müllerstraße” aufgestellt.
Aber in Wahrheit werden die beiden Teilstrecken der größten Nord-Süd-Straßenverbindung durch die natürlichste aller Grenzen voneinander getrennt: durch einen Fluß. Man muß allerdings die Straße verlassen, um ihn zu finden. Am besten geht man durch den Flur des letzten Hauses auf der Ostseite der Chausseestraße, durchquert einen langen Gang und steht unversehens am Ufer der guten alten Panke. Gurgelnd fließt sie von der Schulzendorfer Straße heran, zwngt sich durch ein paar enge, zerbombte Hinterhöfe und verschwindet dann unter den Fundamenten eines Schuhgeschäftes. “Halt! Hier erwartet dich der Tod!” warnt eine Tafel Neugierige, dem Flüßchen auf seinem unterirdischen Lauf zu folgen. Jenseits der Müllerstraße tritt es noch einmal zutage, taucht dann endgültig unter und mündet schließlich “verrohrt” in den Nordhafen.
Der “Tag” erklärt am 26.4.54, was der Panke ebenfalls einen unrühmlichen Ruf eingetragen hatte: Dazu schreibt 1954 der “Tag”: Von Häusern und Fabriken eingeengt, von Großstadtlärm umtost, läßt die Panke, der an der Schulzendorfer Straße auch noch eine Teilung in zwei Arme beschieden ist, nicht mehr allzuviel von sich hören und sehen. Vielleicht zürnt sie, daß man sie einmal “Stinkpanke” taufte, als sich hier vor hundert Jahren Lohgerber ansiedelten.
Mehr dazu findet man im “Telegraf” vom 23.10.55: “Wo die Panke mit Gestanke durch den Wedding rinnt”, hänselten die Weddinger ihr Flüßchen. Die Düfte kamen damals von den Abwässern der Gerbereien an der Panke. Sie verdichteten sich, als der Pankemüller die Freiarche zuschütten ließ, so daß sich das Wasser im Mühlgraben staute, wenn nicht gemahlen wurde. Als dann die “Geldspintenfabrik”, also Geldschrankfabrik Arnheim die Mühle übernahm, mußte sie das Mühlenwehr herausreißen. Das Wasser floß nun wieder ständig. Aber inzwischen waren auch die Gerbereien abgezogen.
Wo die Panke herkommt, erfährt man im “Tag”, trotz des unpolitischen Themas in der Diktion des Kalten Krieges geschrieben:
Folgen wir dabei ihrem Lauf von der Quelle bis zur Mündung: Bei nur 28 Kilometer Gesamtlänge wird die Panke nicht weitschweifig. Die Panke entspringt auf dem Roten Felde bei Bernau, dem mit Türmen und Mauern beschirmten Städtchen, das nicht nur durch sein Bier, sondern vor allem durch seinen Widerstand gegen die Hussiten berühmt wurde. (…) Beim Einfluß in das Berliner Stadtgebiet wird das Plätschern der Panke bei Buch zum diskreten Flüstern, das von romantischem Zauber um eine unerlaubte Verbindung, von einem flüchtigen und gefährlichen Liebesglück berichtet. In Buch lebte Julie von Voß, und hier knüpften sich zwischen ihr und dem Thronfolger, dem späteren König Friedrich Wilhelm II. zwarte Fäden, die zu einer großen Liebe führten. 1787 wurde sie dem König als Gräfin Ingenheim linker Hand angetaut. Nachdem sie ihm einen Sohn gebar, starb sie im blühenden Alter von 23 Jahren. Sie ist vor dem Altar der alten, im letzten Krieg leider zerstörten Bucher Kirche beigesetzt, aber ihr Name steht nirgends verzeichnet.
Über andere, noch geheimnisvollere Gerüchte um diese Tragödie, die von Eifersucht und Gift raunen, geht die Panke plätschernd hinweg. Sie fließt am Schloß und an der Orangerie vorbei durch den Park, dem mit seinen alten Buchen eine sonderbar schwermütige Stimmun eigen ist. “Dieser Park hat zu lachen verlernt”, schreibt Fontane. Auf den heutigen ungepflegten Zustand unter ostsektoraler Obhut ist damit nicht angespielt.
Auch das nächste Schloß an der Panke, von Eosander von Goethe erbaut, hat nicht viel glückliche Besitzer gesehen. Pankow-Schönhausen diente fast sechzig Jahre lang der Königin Elisabeth Christine, der gleich nach der Thronbesteigung 1740 hierher verbannten Gemahlin Friedrichs II als freudloser Wohnsitz. Nachdem die letzte Bewohnerin, die als zweite Gemahlin Friedrich Wilhelms III zur Fürstin von Liegnitz erhobene Gräfin Harrach ausgezogen war, verfiel das Bauwerk, so daß später ein Warnschild angebracht wurde “Baufällig! Betreten nur auf eigene Gefahr”. Omen? Zur Zeit ist es Amtssitz des “Präsidenten der DDR”, der es in weitem Umkreis gegen den öffentlich zugänglichen Teil des durch prächtige Platanen ausgezeichneten Schloßparks mit einer massiven, von schwerbewaffneten Vopos bewachten Mauer abschirmen ließ. Ein im Osten erschienenes Buch meint: “Pankow ist seitdem Begriff in der Welt.” Stimmt! Aber was für einer!
Als munteres Flüßchen in schöner Landschaft wird die Panke erst wieder im Pankower Bürgerpark sichtbar, um dann hinter der S‑Bahn zwischen Schönholz und Wollankstraße den Westsektor zu erreichen. (…) Während die Neue Panke am Nordhafen endet, fließt die Alte Panke den Weg zur Spree und bietet dabei noch einige idyllische Motive. Unwürdig ist ihre Mündung unweit der Weidendammer Brücke – sie hätte eine bessere verdient.
Zahlreiche West-Berliner Zeitungsartikel heben die nach dem Krieg neu geschaffene Promenade im Wedding hervor, so der “Tag” 1956: Erfreulich ist die in neuerer Zeit geschaffene Möglichkeit, sie als volkstümlichen Fluß des Weddings auf hübschen Uferpromenaden abzuwandern. Die Bepflanzung dieser Anlagen gewinnt mit jedem Jahr ansprechenderes Format und trägt stellenweise einen für Großstadtverhältnisse erstaunlich idyllischen Charakter. Planungen, durchgehende Uferwege, auch auf ostsektoraler Seite, befinden sich noch im Stadium der Theorie.
Auch der “Telegraf” erklärt 1955: In den letzten Jahren wurden vom Bezirksamt Wedding Möglichkeiten entdeckt, die Panke mit ihrer Umgebung wieder schön werden zu lassen. Die Idee hatte Bezirksstadtrat Nicklitz. Grünanlagen wurden geschaffen, die sommerliche Spaziergängerfreuden spenden. Auf einer Länge von etwa zwei Kilometer geschah das. (…) Auch bei Neubauten denkt man an die Verschönerung der Pankegegend. Man baut nicht mehr bis dicht an das Wasser heran, sondern läßt einen breiten Streifen frei, der gärtnerisch gestaltet werden kann. So ist es jetzt an der Schulzendorfer Straße geschehen. Die Weddinger sollen an ihrer Panke ihre Freude haben und sie genießen.
Wir danken dem Zeitgeschichtlichen Archiv, das über eine thematisch gegliederte Sammlung von unzähligen Presseartikeln verfügt, für die Bereitstellung der pankebezogenen Artikel!
Dieser Artikel erschien zuerst auf panke.info.
zur Ergänzung:
http://www.youtube.com/watch?v=xNIr67_Mndg
http://www.youtube.com/watch?v=exVIjUL-qbM