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Die eigentümliche Rettung der Wiesenburg

17. April 2015
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Foto: Die Wiesenburg
Foto: Die Wiesenburg

Hea­ther Allan lebt und arbei­tet auf dem Gelän­de der Wie­sen­burg. Die renom­mier­te bri­ti­sche Bild­haue­rin orga­ni­siert gera­de in Koope­ra­ti­on mit der Hum­boldt­hain-Grund­schu­le ein Skulp­tu­ren­pro­jekt mit 12-jäh­ri­gen Mäd­chen und Jun­gen. Sie sucht noch eine alte Trom­pe­te, weil ihre neu­es­ten Figu­ren alle Instru­men­te tra­gen. Hea­ther Allan ist eine der Bewoh­ne­rin­nen eines urba­nen Para­die­ses, das vor gut zwei Wochen noch als akut gefähr­det galt. Und es in sei­ner heu­ti­gen Anmu­tung auch immer noch ist. Wenn sich jetzt den­noch ein lei­ser Hoff­nungs­schim­mer am Hori­zont abzeich­net, dass das alter­na­ti­ve Wohn- und Kul­tur­ge­län­de zwi­schen Ring­bahn, Pan­ke und Wie­sen­stra­ße eine Zukunft hat, dann liegt das nicht etwa am neu­en Eigen­tü­mer, der Wohungs­bau­ge­sell­schaft Dege­wo, son­dern am kol­lek­ti­ven Auf­schrei der dort leben­den und arbei­ten­den Men­schen. Die waren eini­ger­ma­ßen ent­setzt, als sie auf­ge­for­dert wur­den, bin­nen 14 Tagen gro­ße Tei­le des Gelän­des zu räu­men. Und auch die unan­ge­kün­digt anmar­schie­ren­den Räu­mungs­kräf­te, die das Gelän­de wie im Hand­streich besetz­ten, Gebäu­de mar­kier­ten und Bäu­me fäll­ten, tru­gen nicht gera­de dazu bei, Ver­trau­en in die Absich­ten der Dege­wo auf­zu­bau­en. Die sieht das natür­lich kom­plett anders. Offen­bar auf­ge­schreckt vom gro­ßen Medi­en­echo, wur­de am 4. April eine Pres­se­mit­tei­lung ver­öf­fent­licht, in der sich die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft als Ret­ter der his­to­ri­schen Wie­sen­burg fei­ert. Zur Erin­ne­rung: 1896 bebau­te der Ber­li­ner Asyl-Ver­ein für Obdach­lo­se das Gelän­de, des­sen Räum­lich­kei­ten bis zum Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges woh­nungs­lo­se Män­ner und Frau­en beher­berg­te und bis 1933 als jüdi­sches Heim dien­te. Im Zwei­ten Welt­krieg wur­den die Gebäu­de teil­wei­se schwer beschä­digt. Ein paar enga­gier­ten Men­schen um die Ver­walt­er­fa­mi­lie Dum­kow ist es zu ver­dan­ken, dass das Gelän­de beräumt, Rui­nen gesi­chert und sich hier heu­te zahl­rei­che Künst­ler mit ihren Ate­liers ein­ge­rich­tet haben. Nun habe, so Dege­wo-Spre­cher Lutz Acker­mann, ein bau­sta­ti­sches Gut­ach­ten erge­ben, dass Tei­le der Wie­sen­burg vom Ein­sturz bedroht sei­en. Um die Sicher­heit von Bewoh­nern und Besu­chern zu gewähr­leis­ten, wür­den ein­zel­ne Grund­stücks­flä­chen abgesperrt.

gerichtstr 23 dachFür die Wie­sen­burg­ler gibt es noch eine gute Nach­richt, wie von Cor­du­la Fay zu erfah­ren war. Die Refe­ren­tin für Quar­tiers­ent­wick­lung bekräf­tig­te den Wil­len ihrer Fir­ma, „Bewoh­ner und Nut­zer bei der wei­te­ren Ent­wick­lung“ mit ein­be­zie­hen zu wol­len. „Das Land Ber­lin hat die Wie­sen­burg an uns über­tra­gen, damit wir die­sen beson­de­ren bewah­ren und für nach­bar­schaft­li­che und sozia­le Akti­vi­tä­ten im Quar­tier öff­nen“, ließ sich Cor­du­la Fay ver­neh­men. Ganz so, als ob sich die Wie­sen­burg seit Jah­ren vom benach­bar­ten Kiez abge­schot­tet hät­te. Nicht nur Hea­ther Allen kann da ganz ande­re Geschich­ten erzählen …

Autor: Ulf Teichert

Die­ser Arti­kel erschien bei unse­rem Koope­ra­ti­ons­part­ner Ber­li­ner Abend­blatt, Aus­ga­be Wedding

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