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Der unterirdische Koloss von der Bellermannstraße

23. September 2019
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Baugrube der Wasserbetriebe in der Bellermannstraße
Foto: @alengpeng

Anti­ke Aus­gra­bung, ein unbe­kann­ter U‑Bahnhof, ein Ufo, der Bier­kel­ler der benach­bar­ten Eck­knei­pe “Beim Dicken” – als wir ein aus der Höhe geschos­se­nes Bild der Bau­stel­le Bellermannstraße/Grüntaler Stra­ße ver­öf­fent­lich­ten, kamen zahl­rei­che erns­te und weni­ger erns­te Kom­men­ta­re unse­rer Leser. Fra­gen über Fra­gen. Wir haben ganz ein­fach bei der Stel­le nach­ge­hakt, die wegen Kanal­ar­bei­ten auf den Bau­schil­dern genannt ist: den Ber­li­ner Was­ser­be­trie­ben (BWB).

Kanalarbeiten am 130 ‑jährigen Bauwerk

Dazu befragt, teilt uns Ste­phan Natz, Pres­se­spre­cher der BWB, aus­führ­lich mit: “An die­ser Stel­le sanie­ren wir ein so impo­san­tes wie gro­ßes Bau­werk aus der Grün­der­zeit der Ber­li­ner Kana­li­sa­ti­on. Wir befin­den uns hier ja fak­tisch vor dem Pump­werk des Hob­recht­schen Radi­al­sys­tems Ber­lin X an der Berl­ler­mann­stra­ße, zu des­sen Ein­zugs­ge­biet auch wei­te Tei­le von Prenz­lau­er Berg gehö­ren. Die­ses Radi­al­sys­tem ging am 10. Juni 1890 ein Betrieb und hat damals auf das Rie­sel­feld Buch gepumpt.

Unter die­ser Kreu­zung ver­ei­ni­gen sich drei ein­drucks­vol­le Misch­was­ser­ka­nä­le, was man auf dem Bild mit ein wenig Hil­fe auch ganz gut erken­nen kann: Am obe­ren Rad der Bau­gru­be kom­men von links ein 2 Meter hoher ei-för­mi­ger Kanal, von oben ein eben­so hoher kas­ten­för­mi­ger Kanal und von rechts ein 1 Meter hoher Ei-Kanal. In dem gro­ßen “Ufo” ist eine 10 Meter lan­ge Über­lauf­schwel­le. Deren Höhe und damit die Höhe des Pegels im dann ver­ei­nigt dem Pump­werk zuflie­ßen­den Kanal (2 Meter hoch, 3 Meter breit) stellt das Limit des Pump­werks dar. Wird die­ses Limit bei Stark­re­gen erreicht, dann wird “das Zuviel” in die Pan­ke abge­schla­gen. Das wol­len wir nicht mehr und haben des­halb den Stau­raum­ka­nal am Mau­er­park sowie das Wehr an der Oslo­er Stra­ße gebaut; eini­ge ande­re Schwel­len wur­den eben­falls erhöht.

UPDATE JUNI 2020:

Foto: Ber­li­ner Wasserbetriebe

In der Bel­ler­mann­stra­ße befin­det sich seit 1890 die rund gemau­er­te Mün­dung drei­er Rie­sen­ka­nä­le in einen. Am 17. Juni 2020 wur­de der Koloss auf­ge­sägt, um Platz für Neu­es zu schaf­fen. Das wird dann aller­dings  eckig. Das schwar­ze Rohr vor “Beim Dicken” ist ein Ham­bur­ger Heber, die Kanal­um­lei­tung über der Baustelle.

 

Umleitung im Jahr 2020

Jetzt wol­len wir das gan­ze gro­ße Bau­werk erneu­ern. Künf­tig wird es nicht mehr rund, son­dern eckig sein. Dafür müs­sen wir die Kanä­le ober­ir­disch mit einem soge­nann­ten Ham­bur­ger Heber mit einem Durch­mes­ser von 1,80 Meter, der Ende Janu­ar 2020 fer­tig sein wird, und unter­ir­disch mit einem 1,40 Meter-Rohr umlei­ten und im Febru­ar die gesam­te run­de Decke abneh­men. Bis Ende August wird dann ein neu­es Bau­werk mit all die­sen Funk­tio­nen entstehen.”

Grundsätzliches zum Berliner Entwässerungssystem

Foto: A. Schnell

Die Ber­li­ner Innen­stadt wird über Misch­was­ser­ka­nä­le ent­wäs­sert, d. h., Regen- und Schmutz­was­ser wer­den gemein­sam gesam­melt und über Pump­wer­ke zu einem Klär­werk trans­por­tiert. Die Kapa­zi­tät der Pump­wer­ke ist auf ein Maß limi­tiert, das in den Klär­wer­ken den bio­lo­gi­schen Rei­ni­gungs­pro­zess bis zur Leis­tungs­gren­ze aus­nutzt. Des­halb hat die Kana­li­sa­ti­on Regen­über­läu­fe als Abzwei­ge, die bei Stark­re­gen ansprin­gen. Dann läuft dort mit Regen ver­dünn­tes Schmutz­was­ser ins nächs­te Gewäs­ser – im Wed­ding ist das die Pan­ke. Damit sol­che Über­läu­fe sel­te­ner wer­den, pla­nen und bau­en die Ber­li­ner Was­ser­be­trie­be bis 2024 rund 303.000 Kubik­me­ter Stau­raum­ka­nä­le und ande­re Spei­cher, von denen 236.000 Kubik­me­ter bereits fer­tig sind. So ist bei­spiels­wei­se am Mau­er­park der bis­her größ­te Stau­raum­ka­nal fer­tig­ge­stellt worden.

weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

7 Comments

  1. Es tut sich end­lich etwas auf der Bau­stel­le. Eine Stras­sen­bau­fir­ma ist mit leich­tem und schwe­rem Gerät ange­rückt. Na schaun wa mal, wa

    • Wohl ein Bau­feh­ler. Das Ufo ist zu hoch. Jetzt wird sich gestrit­ten, wer dar­an Schuld ist … Wür­de man es jetzt zu machen, wäre die Kreu­zung ein Hügel.

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