Die Grünen haben bei dieser Wahl den Wedding erobert, zumindest große Teile davon. In einigen Gebieten erreichten sie bei der Abgeordnetenhauswahl Zweitstimmenanteile von um die 30 % – Werte, vor denen sie früher nur träumten.
In diese Regionen konnten die Grünen im Bereich um die Müllerstraße gleich in mehreren Kiezen vorstoßen. Etwa im südlichen Afrikanischen Viertel entlang der Seestraße, im Gebiet um den hinteren Leopoldplatz (Maxstraße, Liebenwalder Straße) und im Sprengelkiez. Der Stimmbezirk 706 am Sprengelpark war mit 33,7 % die Hochburg der Ökopartei. Bei den letzten Wahlen 2016 hatten die Grünen im Wedding zwar auch schon deutliche Zugewinne erzielt, aber diesmal waren es eben vier, fünf und in manchen Bereichen sogar sechs Prozent mehr.
Fünf von sieben Wahlkreisen sind grün
Das reichte im Großteil des Bezirks zur Mehrheit für die grünen Direktkandidaten der Abgeordnetenhauswahl. Fünf von sieben Direktwahlkreisen in Mitte sind jetzt grün. Im Jahr 2016 waren es nur zwei gewesen. Und die befanden sich in Moabit und in Mitte-alt, die Weddinger Direktwahlkreise gingen da noch alle an die SPD. Wie gewohnt und wie in den Jahrzehnten zuvor: Aus dem roten Wedding, der sozialdemokratischen Hochburg von einst, in der unter Willy Brandt die SPD 1963 auch schon mal 72,4% der Stimmen holte, ist seit der Wahl 2021 ein grüner Wedding geworden. Jedenfalls aus dem größten Teil: Nur im Wahlkreis Mitte 5, im Parkviertel nördlich der Seestraße, hält sich die SPD noch knapp. Hier lag ihr Direktkandidat Matthias Schulz um 3,5 Prozentpunkte vor seinem grünen Konkurrenten Ario Ebrahimpour Mirzaie. Den Wahlkreis Mitte 7 (Brunnenviertel bis zum Leopoldplatz und Sprengelkiez) gewann dagegen die Grüne Laura Neugebauer mit 4,3% Vorsprung vor ihrer sozialdemokratischen Konkurrentin Maja Lasic. Für sie besonders bitter: Weil die SPD in einigen Bezirken drei, vier oder gar fünf Direktkandidaten durchbrachte und in Mitte zwei, zieht die Sprecherin für Bildung der Berliner SPD-Fraktion jetzt nicht ins Abgeordnetenhaus ein. Erst wenn dort ein Platz frei wird, rückt sie von ihrem Platz 1 auf der Bezirksliste Mitte aus nach.
Im Wahlkreis Mitte 6 (nordöstlicher Wedding bis Maxstraße) verwies die grüne Direktkandidatin Tuba Bozkurt ihre sozialdemokratische Konkurrentin Melis Yeter sogar mit knapp 9 Prozent Abstand auf Platz 3. Im Jahr 2016 hatte den Wahlkreis noch Ralf Wieland gewonnen, der von 2011 bis jetzt Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses war. Diesmal jedoch schob sich der Linke Stephan Böhme mit 22,2% noch zwischen die Grünen und die SPD. Der Weddinger Wahlkreis wurde damit zur Hochburg der Linken im Bezirk und löste in dieser Funktion sogar den Wahlkreis Mitte 2 im südlichen Altbezirk Mitte mit seinen Plattenbauquartieren ab. Dort hatte die PDS um das Millenium herum noch Erststimmenanteile von über 50% für die spätere Senatorin Carola Freundl (Bluhm) geholt, die diesmal, wie Wieland, nicht mehr antrat. In Mitte 2 holte sich die SPD durch Max Landero knapp ihren zweiten Direktwahlkreis in Mitte.
Im Wedding legt auch die Linke zu
In allen drei Weddinger Direktwahlkreisen legte die Linke an Zweistimmen zu, am stärksten im Nordosten um 3,5 Prozent. In ganz Berlin dagegen verlor die Partei 1,6 Prozent, im Bezirk Mitte konnte sie ihren Anteil exakt halten. Die Sozialdemokraten dagegen verloren im Wedding überdurchschnittlich – etwas stärker als im Gesamtbezirk Mitte, wo ihr Anteil an den Zeitstimmen um 2,8% zurückging, und deutlich stärker als im Berliner Schnitt, wo sie mit einem Minus von nur einem Promille fast genau auf dem Stand von 2016 verharrte. Insgesamt gewannen die drei Parteien der Berliner Regierungskoalition in den beiden nördlichen Weddinger Wahlkreisen jedoch etwa 4% hinzu, im südlichen Wedding dagegen nur etwa ein Prozent. Im Gegenzug verlor die CDU leicht und die AfD stark, während die sonstigen Parteien deutlicher zulegten. Die FDP kann man im Wedding schon fast zu diesen Kleinparteien dazu zählen, sie schaffte es in allen drei Weddinger Wahlkreisen nur auf ca. vier bis fünf Prozent.
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Text erschien zuerst in leicht veränderter Form in der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße Ausgabe November 2021
Hier unser Bericht mit den genauen Wahlergebnissen Kiez für Kiez
Hallo,als ich die Überschrift gelesen habe, habe ich mich kurz gefreut und gedacht,dass vielleicht doch meine jahrelangen) Bemühungen die Aufenthaltsqualität des Rathausplätzes , im Sinne von Umwelt und Klima, zu verbessern endlich gehört/erhört wurden. Naja vielleicht interessieren sich ja die vielen neuen Grünen dafür, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Hallo Frau Susanne Ringel
was bitte soll das sein bzw was stellen sie sich darunter vor .…Aufenthaltsqualität des Rathausplätzes , im Sinne von Umwelt und Klima, zu verbessern??
Gruß
Vermutlich liegt der Aufschwung der Grünen im Wedding aber nicht unbedingt am tollen Parteiprogramm, sondern an der unaufhaltsam stattfindenen Gentrifizierung und damit dem Zuzug neuer Bewohner – entweder Studenten oder die sog. “zahlungskräftigen Intellektuellen” – deren Ideologie sich im Programm der “Nachhaltigkeitskaiser” wiederspiegelt.
Schade nur, dass sich viele Urweddinger die grüne Ideologie in den kommenden Jahren nicht mehr leisten können werden (Strom, Benzin, Parken, .…) und das Feld leider räumen müssen!