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Darf das Strandbad Weddings Sommerbühne sein?

19. Juli 2021
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Soll die Kul­tur jetzt extra viel Raum bekom­men oder soll es so still blei­ben, wie es in den ver­gan­ge­nen Mona­ten durch Coro­na war? Die­se Fra­ge bewegt die Gemü­ter im Wed­ding. Beson­ders deut­lich wird das am Fall des Strand­bads Plöt­zen­see. Soll das Frei­bad die Som­mer­büh­ne für Musik, Thea­ter und Par­tys sein oder eher der stil­le Bade­strand im Grü­nen? Die Mei­nun­gen gehen aus­ein­an­der, nicht nur in der Bevöl­ke­rung. Auch Poli­tik und Bezirks­amt lie­gen über­kreuz und jetzt droht sogar juris­ti­scher Streit.

Zwillingsgebäude Strandbad Plötzensee
Das Strand­bad Plöt­zen­see. Foto: Andar­as Hahn

Als Ver­an­stal­tungs­ort liegt das Strand­bad nahe. Es bie­tet viel Platz unter frei­em Him­mel, unmit­tel­ba­re Anwoh­ner gibt es kaum. Vie­les wäre theo­re­tisch mög­lich am Bade­strand. Doch die Mei­nun­gen in der Sache gehen aus­ein­an­der. Der Dis­put begann mit der Kon­zert­rei­he „Rap an der Plöt­ze“, die am Wed­din­ger Bade­strand statt­fin­den soll­te. Der berühm­te Strich durch die Rech­nung kam kurz­fris­tig vom Bezirks­amt. Das ver­sag­te die Geneh­mi­gung, weil es zusätz­li­che ille­ga­le Par­tys auf der ande­ren Sei­te des Plöt­zen­see befürch­te­te. Die Kon­zert­rei­he „Rap an der Plöt­ze“ ging ins Exil, die Kon­zer­te fin­den im Mel­low­park in der Wuhl­hei­de statt. Kurz sah es jetzt so aus als könn­ten die fol­gen­den Ver­an­stal­tun­gen der Rei­he doch im Wed­ding statt­fin­den, der Ver­an­stal­ter weist auf sei­ner Web­sei­te für sei­ne Events ab August wie­der das Strand­bad Plöt­zen­see aus. Doch das wird nach den neu­es­ten Ent­wick­lun­gen ver­mut­lich bald wie­der geän­dert wer­den müssen.

Bezirkspolitik will Veranstaltungen im Strandbad ermöglichen

Das Bezirks­amt will nicht nur die Rap-Ver­an­stal­tun­gen nicht, es ist auch gegen ande­re grö­ße­re Events im Strand­bad. Die Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker im Bezirk stim­men mit der Mei­nung des Amtes aller­dings nicht über­ein, sie wol­len Open-Air-Ver­an­stal­tun­gen ermög­li­chen. Gleich drei Mal stand das The­ma Mit­te Juni auf der Tages­ord­nung der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung. Die Anträ­ge wur­den von der CDU und der SPD ein­ge­reicht. Auf der letz­ten Sit­zung vor der Som­mer­pau­se Mit­te Juni fass­ten die Bezirks­ver­ord­ne­ten schließ­lich einen Beschluss. Dar­in wird das Bezirks­amt ersucht, 18 Aus­nah­me­ge­neh­mi­gun­gen zum Emis­si­ons­schutz wohl­wol­lend zu prü­fen, die für ver­schie­de­ne kul­tu­rel­le Dar­bie­tun­gen bis Okto­ber im Strand­bad Plöt­zen­see bean­tragt wor­den sind. Die Poli­tik kann nur bit­ten, die for­ma­le Ent­schei­dungs­ge­walt liegt hier beim Amt.

Das Strand­bad selbst ist unter­des­sen kürz­lich in die Offen­si­ve gegan­gen und dabei auf ein geteil­tes Echo in den sozia­len Medi­en gesto­ßen. Mon­tag bis Don­ners­tag öff­net im Bad von 17 bis 22 Uhr der „Club Ploet­ze“, bewirbt ihn als “Ber­lin lake­si­de venue”. Live-Kon­zer­te und DJ-Sets ste­hen hier auf der Tages­ord­nung. Was die einen freut, ärgert die ande­ren. Die Geg­ner kri­ti­sie­ren den Lärm und wei­sen auf die beson­de­re Lage hin. Wenn das Strand­bad selbst auch nicht im son­dern nur am Land­schaft­schutz­ge­biet liegt, stö­ren sich Anwoh­ner und Anwoh­ne­rin­nen und die, die den See vor allem als ruhi­ges, inner­städ­ti­sches Nah­erho­lungs­ge­biet schät­zen, an der neu­en Nut­zung des Strandbads.

Strand mit Steg, Rutsche und Bademeisterstuhl
Wed­dings Bade­strand: Dar­über, ob am Plöt­zen­see ruhig geba­det oder manch­mal auch etwas lau­ter gefei­ert wer­den darf, gibt es jetzt Streit. Foto: Andar­as Hahn

Bezirksamt untersagt Events am Badestrand

Die Ant­wort aus dem Amt auf den Wunsch der Poli­tik kam am 14. Juli per Bescheid an die Nord­ufer Event GmbH, die das Strand­bad betreibt. Die Ufer­be­rei­che des Plöt­zen­sees dür­fen „nicht in eine Event-Loca­ti­on ver­wan­delt wer­den“, schreibt Bezirks­stadt­rä­tin Sabi­ne Weiß­ler. Sie habe dem Strand­bad-Betrei­ber die „Durch­füh­rung von Musik- und Groß­ver­an­stal­tun­gen auf dem Gelän­de unter­sagt“. Sie weist auf den Natur­schutz und das Ruhe­be­dürf­nis der Anwoh­nen­den hin und spicht von mas­si­ven Pro­tes­ten: „Wir wen­den uns nicht gegen Musik- und Tanz­ver­an­stal­tun­gen in unse­rem Bezirk, auf die wir pan­de­mie­be­dingt alle so lan­ge ver­zich­ten muss­ten und die nun end­lich wie­der mög­lich wer­den. Viel­mehr wen­den wir uns gegen die Ver­wand­lung des Strand­ba­des Plöt­zen­see in eine Event-Loca­ti­on. Daher müs­sen wir dort jede Ver­an­stal­tung unter­sa­gen, ganz egal ob sie nun que­er oder ein­fach nur eine Par­ty ist.“ Die Parks, öffent­li­chen Grün­an­la­gen und Gewäs­ser wer­den nach den Wor­ten der Bezirks­stadt­rä­tin nach der Pan­de­mie drin­gend als gemein­schaft­lich nutz­ba­re Flä­chen von allen Bür­ge­rin­nen und Bür­gern benö­tigt. Dar­auf wei­se das Bezirks­amt seit Wochen hin und weh­re sich gegen die Ver­ein­nah­mung die­ser Flä­chen als Veranstaltungsorte.

Das Prime Time Thea­ter nut­ze wie bereits im ver­gan­ge­nen Jahr eine Thea­ter­büh­ne am Plöt­zen­see. Das und auch klei­ne­re musi­ka­li­sche Ver­an­stal­tun­gen im Rah­men des Bar­be­trie­bes des Strand­ba­des dür­fen laut Weiß­ler statt­fin­den. Dar­über hin­aus wird es ille­gal: „Das Bezirks­amt wird einen Ver­stoß gegen die Unter­sa­gung der Ver­an­stal­tun­gen nicht dul­den“. Das Bezirks­amt unter­stüt­ze laut Weiß­ler kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen und stel­le ver­stärkt geeig­ne­te öffent­li­che Flä­chen dafür bereit. Orte dafür sei­en der Alex­an­der­platz und ande­re regel­mä­ßig für Ver­an­stal­tun­gen genutz­te Plät­ze, der Bebel­platz, die Vor­plät­ze der drei Rat­häu­ser sowie der Platz zwi­schen Fern­seh­turm und Nep­tun­brun­nen. Zusätz­lich wer­de die Ver­dich­tung der Ver­an­stal­tun­gen auf dem Gen­dar­men­markt akzep­tiert. Fast alle genann­ten Flä­chen lie­gen im Orts­teil Mit­te, nur eine im Wedding.

Der Streit eskaliert: Juristische Schritte angekündigt

Der Streit um die Open-Air-Ver­an­stal­tung im Strand­bad ist damit aber nicht been­det. Der Strand­bad-Betrei­ber hat inzwi­schen ange­kün­digt, auf juris­ti­schen Weg gegen das Ver­bot vor­ge­hen zu wol­len. Die Ber­li­ner Club­com­mis­si­on will dabei unter­stüt­zen. “Der Ber­li­ner Senat plan­te bereits seit vie­len Mona­ten, geför­der­te Ver­an­stal­tun­gen unter frei­em Him­mel, damit Kul­tur trotz Pan­de­mie wie­der für alle Men­schen unter lega­len Umstän­den ermög­licht wird”, erklär­te die Club­com­mis­si­on in einer Erklä­rung vom Sonn­tag (18.7.). Das Land Ber­lin pro­pa­gie­re im Rah­men des Pro­jekts Draus­sen­stadt die kul­tu­rel­le Viel­falt und habe die Club­com­mis­si­on als Pro­jekt­part­ner ein­ge­bun­den, um Frei­flä­chen zu orga­ni­sie­ren und zu betreu­en. “Um die Fort­set­zung der kul­tu­rel­len Ver­an­stal­tun­gen zu gewähr­leis­ten und die loka­le Ber­li­ner Musik­kul­tur zu unter­stüt­zen, bot sich das Strand­bad Plöt­zen­see ‘Plöt­ze’ mit ihrem Are­al im Bezirk Mit­te-Wed­ding an. Die sechs Hekt­ar gro­ße Flä­che ist eine von nur Weni­gen, die im Bezirk abseits von Wohn­ge­bie­ten ver­füg­bar ist und somit ein wich­ti­ger Kul­tur­ort”, heißt es weiter. 

Um für die­se Ver­an­stal­tun­gen eine Geneh­mi­gung zu bekom­men, bedür­fe es aber einer wohl­wol­len­den Bezirks­ver­wal­tung. Die­se habe einen mona­te­lan­gen kon­struk­ti­ven Dia­log nun been­det und dro­he bei Ver­stoß gegen die Unter­sa­gung mit einem Zwangs­geld von 10.000 Euro pro Tag (oder Gefäng­nis­haft). “Die Betrei­ber sehen daher kei­nen ande­ren Weg, als mit recht­li­chen Schrit­ten gegen das Musik­ver­bot vor­zu­ge­hen”, schreibt die Club­com­mis­si­on. Der Streit eska­liert, Aus­gang offen.

Update 07.08.2021: Mehr zum Fort­gang und zu einem Kom­pro­miss gibt es im Bei­trag Nun doch Som­mer­büh­ne im Strandbad

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

8 Comments

  1. Ich bin zuneh­mend ent­setzt, wie stark das einst etwas schä­bi­ge, aber natur­na­he und vor allem ruhi­ge Strand­bad kom­mer­zia­li­siert wird, um da auch noch den letz­ten Cent raus­zu­quet­schen. Prei­se sind enorm gestie­gen, auch in der Gas­tro, statt Fami­li­en aus dem Umfeld ist die neue Ziel­grup­pe event­ori­en­tier­te Jugend­li­che, die es laut mögen. Gut, dass das jetzt erst­mal gebremst wurde.

  2. Ruhi­ges Thea­ter auf der Wie­se ist halt auch was ande­res als Par­ty bis 22h. Die Musik vom Strand­bad beschallt auch ohne die­se Geneh­mi­gung schon den gan­zen See, von ruhi­ger Erho­lung oder Natur­schutz ist nichts mehr zu spü­ren. Und natür­lich lockt man damit auch die gan­zen ille­ga­len Par­ties gegen­über an, die dann das Ufer zerstören.

    • Genau, lie­ber ver­bie­tet man Ver­an­stal­tun­gen, als dass das Ord­nungs­amt mal sei­nen Job macht und das gegen­über­lie­gen­de Ufer kontrolliert.
      Wär ja noch schö­ner wenn es im Wed­ding mal eine Kon­zert­lo­ca­ti­on gäbe.

  3. Fin­de das jetzt gar nicht so leicht als The­ma. Ich war neu­lich Abends noch da um eine Run­de zu schwim­men und fand zeit­gleich eine Par­ty in einem abge­trenn­ten Bereich direkt am Strand statt. Die Lau­stär­ke war schon sehr immens und von oben konn­te man auch gut rein­gu­cken wie eng es da zugeht … wir alle wis­sen was neu­lich auf dem Fes­ti­val in den Nie­der­lan­den pas­siert ist.

    Ich ver­ste­he nur nicht war­um es direkt am Strand sein muss. Oben gibt es doch genug Platz auf den Grün­flä­chen, die nicht so inten­siv genutzt wer­den. Da könn­te man viel mehr Abstand hin­be­kom­men und der See selbst wird auch nicht mehr so beschallt.

    • Die Musik wird übli­cher­wei­se in einer der­ar­ti­gen Laut­stär­ke abge­spielt, dass es völ­lig egal ist, ob die Par­ty am Strand oder “wei­ter ober­halb” läuft. Mind. 1 km rund um die Loca­ti­on ist das uner­träg­li­che Gewum­me­re zu hören! An “Erho­lung” ist in die­sem Bereich noch nicht ein­mal ansatz­wei­se zu denken.
      Mir tun nur die Klein­gärt­ner leid, die qua­si täg­lich die­sem Lärm aus­ge­setzt sind und nicht flüch­ten können!
      Hier ist drin­gend wei­te­rer Anwoh­ner­schutz i.S.v. (Musik-) = Lärm­ver­bot notwendig!
      Es gibt nun wirk­lich kei­nen Grund, das Strand­bad zu einer Event­lo­ca­ti­on ver­kom­men zu las­sen! Im Kom­bi­bad See­stras­se oder Hum­boldt­hain kommt ja auch kei­ner auf die Idee!

      • Ok, da muss ich dir recht geben. Mein Gedan­ken­gang war eher wie man Events ver­an­stall­ten könn­te, um vll doch bei­den Bedürf­nis­sen gerecht zu wer­den. Ich muss auch zuge­ben, dass ich dabei nicht an täg­li­che Tech­no­par­tys gedacht habe sonern an gele­gent­li­che Kon­zer­te stattdessen.

    • Ich den­ke auch, dass man ein biss­chen kom­pro­miss­be­rei­ter sein könnte.
      Mag die Even­ti­sie­rung des Bades und des gesam­ten Sees auch nicht, aber den­ke, dass
      es eigent­lich schön wäre, ggf an einem Tag die Woche dort eine Abend­verant­stal­tung zuzu­las­sen und zwar abseits des Strands und in begrenz­tem Rah­men. Für grö­ße­re Sachen könn­te man ja ggf den Napo­le­on­kai biss­chen aufräumen.
      Dar­über hin­aus wür­de ich mir wün­schen, dass der Auf­ent­halt in der Böschung ver­un­mög­licht wird und statt­des­sen eine Art Steg zum Schwim­men ange­legt wird. Dann könn­te man sich auf den Wie­sen auf­hal­ten und zum Schwim­men über den Steg natur­freund­lich zum Was­ser gelangen.

  4. Die Absa­ge der div. Fes­ti­vals war eine der bes­ten Ent­schei­dun­gen, die die Stadt­rä­tin S. Weiß­ler in ihrer Amts­zeit getrof­fen hat. Ich hät­te ihr nicht soooo viel Weit­sicht zuge­traut . Suuuper!

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