Soll die Kultur jetzt extra viel Raum bekommen oder soll es so still bleiben, wie es in den vergangenen Monaten durch Corona war? Diese Frage bewegt die Gemüter im Wedding. Besonders deutlich wird das am Fall des Strandbads Plötzensee. Soll das Freibad die Sommerbühne für Musik, Theater und Partys sein oder eher der stille Badestrand im Grünen? Die Meinungen gehen auseinander, nicht nur in der Bevölkerung. Auch Politik und Bezirksamt liegen überkreuz und jetzt droht sogar juristischer Streit.
Als Veranstaltungsort liegt das Strandbad nahe. Es bietet viel Platz unter freiem Himmel, unmittelbare Anwohner gibt es kaum. Vieles wäre theoretisch möglich am Badestrand. Doch die Meinungen in der Sache gehen auseinander. Der Disput begann mit der Konzertreihe „Rap an der Plötze“, die am Weddinger Badestrand stattfinden sollte. Der berühmte Strich durch die Rechnung kam kurzfristig vom Bezirksamt. Das versagte die Genehmigung, weil es zusätzliche illegale Partys auf der anderen Seite des Plötzensee befürchtete. Die Konzertreihe „Rap an der Plötze“ ging ins Exil, die Konzerte finden im Mellowpark in der Wuhlheide statt. Kurz sah es jetzt so aus als könnten die folgenden Veranstaltungen der Reihe doch im Wedding stattfinden, der Veranstalter weist auf seiner Webseite für seine Events ab August wieder das Strandbad Plötzensee aus. Doch das wird nach den neuesten Entwicklungen vermutlich bald wieder geändert werden müssen.
Bezirkspolitik will Veranstaltungen im Strandbad ermöglichen
Das Bezirksamt will nicht nur die Rap-Veranstaltungen nicht, es ist auch gegen andere größere Events im Strandbad. Die Politikerinnen und Politiker im Bezirk stimmen mit der Meinung des Amtes allerdings nicht überein, sie wollen Open-Air-Veranstaltungen ermöglichen. Gleich drei Mal stand das Thema Mitte Juni auf der Tagesordnung der Bezirksverordnetenversammlung. Die Anträge wurden von der CDU und der SPD eingereicht. Auf der letzten Sitzung vor der Sommerpause Mitte Juni fassten die Bezirksverordneten schließlich einen Beschluss. Darin wird das Bezirksamt ersucht, 18 Ausnahmegenehmigungen zum Emissionsschutz wohlwollend zu prüfen, die für verschiedene kulturelle Darbietungen bis Oktober im Strandbad Plötzensee beantragt worden sind. Die Politik kann nur bitten, die formale Entscheidungsgewalt liegt hier beim Amt.
Das Strandbad selbst ist unterdessen kürzlich in die Offensive gegangen und dabei auf ein geteiltes Echo in den sozialen Medien gestoßen. Montag bis Donnerstag öffnet im Bad von 17 bis 22 Uhr der „Club Ploetze“, bewirbt ihn als “Berlin lakeside venue”. Live-Konzerte und DJ-Sets stehen hier auf der Tagesordnung. Was die einen freut, ärgert die anderen. Die Gegner kritisieren den Lärm und weisen auf die besondere Lage hin. Wenn das Strandbad selbst auch nicht im sondern nur am Landschaftschutzgebiet liegt, stören sich Anwohner und Anwohnerinnen und die, die den See vor allem als ruhiges, innerstädtisches Naherholungsgebiet schätzen, an der neuen Nutzung des Strandbads.
Bezirksamt untersagt Events am Badestrand
Die Antwort aus dem Amt auf den Wunsch der Politik kam am 14. Juli per Bescheid an die Nordufer Event GmbH, die das Strandbad betreibt. Die Uferbereiche des Plötzensees dürfen „nicht in eine Event-Location verwandelt werden“, schreibt Bezirksstadträtin Sabine Weißler. Sie habe dem Strandbad-Betreiber die „Durchführung von Musik- und Großveranstaltungen auf dem Gelände untersagt“. Sie weist auf den Naturschutz und das Ruhebedürfnis der Anwohnenden hin und spicht von massiven Protesten: „Wir wenden uns nicht gegen Musik- und Tanzveranstaltungen in unserem Bezirk, auf die wir pandemiebedingt alle so lange verzichten mussten und die nun endlich wieder möglich werden. Vielmehr wenden wir uns gegen die Verwandlung des Strandbades Plötzensee in eine Event-Location. Daher müssen wir dort jede Veranstaltung untersagen, ganz egal ob sie nun queer oder einfach nur eine Party ist.“ Die Parks, öffentlichen Grünanlagen und Gewässer werden nach den Worten der Bezirksstadträtin nach der Pandemie dringend als gemeinschaftlich nutzbare Flächen von allen Bürgerinnen und Bürgern benötigt. Darauf weise das Bezirksamt seit Wochen hin und wehre sich gegen die Vereinnahmung dieser Flächen als Veranstaltungsorte.
Das Prime Time Theater nutze wie bereits im vergangenen Jahr eine Theaterbühne am Plötzensee. Das und auch kleinere musikalische Veranstaltungen im Rahmen des Barbetriebes des Strandbades dürfen laut Weißler stattfinden. Darüber hinaus wird es illegal: „Das Bezirksamt wird einen Verstoß gegen die Untersagung der Veranstaltungen nicht dulden“. Das Bezirksamt unterstütze laut Weißler kulturelle Veranstaltungen und stelle verstärkt geeignete öffentliche Flächen dafür bereit. Orte dafür seien der Alexanderplatz und andere regelmäßig für Veranstaltungen genutzte Plätze, der Bebelplatz, die Vorplätze der drei Rathäuser sowie der Platz zwischen Fernsehturm und Neptunbrunnen. Zusätzlich werde die Verdichtung der Veranstaltungen auf dem Gendarmenmarkt akzeptiert. Fast alle genannten Flächen liegen im Ortsteil Mitte, nur eine im Wedding.
Der Streit eskaliert: Juristische Schritte angekündigt
Der Streit um die Open-Air-Veranstaltung im Strandbad ist damit aber nicht beendet. Der Strandbad-Betreiber hat inzwischen angekündigt, auf juristischen Weg gegen das Verbot vorgehen zu wollen. Die Berliner Clubcommission will dabei unterstützen. “Der Berliner Senat plante bereits seit vielen Monaten, geförderte Veranstaltungen unter freiem Himmel, damit Kultur trotz Pandemie wieder für alle Menschen unter legalen Umständen ermöglicht wird”, erklärte die Clubcommission in einer Erklärung vom Sonntag (18.7.). Das Land Berlin propagiere im Rahmen des Projekts Draussenstadt die kulturelle Vielfalt und habe die Clubcommission als Projektpartner eingebunden, um Freiflächen zu organisieren und zu betreuen. “Um die Fortsetzung der kulturellen Veranstaltungen zu gewährleisten und die lokale Berliner Musikkultur zu unterstützen, bot sich das Strandbad Plötzensee ‘Plötze’ mit ihrem Areal im Bezirk Mitte-Wedding an. Die sechs Hektar große Fläche ist eine von nur Wenigen, die im Bezirk abseits von Wohngebieten verfügbar ist und somit ein wichtiger Kulturort”, heißt es weiter.
Um für diese Veranstaltungen eine Genehmigung zu bekommen, bedürfe es aber einer wohlwollenden Bezirksverwaltung. Diese habe einen monatelangen konstruktiven Dialog nun beendet und drohe bei Verstoß gegen die Untersagung mit einem Zwangsgeld von 10.000 Euro pro Tag (oder Gefängnishaft). “Die Betreiber sehen daher keinen anderen Weg, als mit rechtlichen Schritten gegen das Musikverbot vorzugehen”, schreibt die Clubcommission. Der Streit eskaliert, Ausgang offen.
Update 07.08.2021: Mehr zum Fortgang und zu einem Kompromiss gibt es im Beitrag Nun doch Sommerbühne im Strandbad
Ich bin zunehmend entsetzt, wie stark das einst etwas schäbige, aber naturnahe und vor allem ruhige Strandbad kommerzialisiert wird, um da auch noch den letzten Cent rauszuquetschen. Preise sind enorm gestiegen, auch in der Gastro, statt Familien aus dem Umfeld ist die neue Zielgruppe eventorientierte Jugendliche, die es laut mögen. Gut, dass das jetzt erstmal gebremst wurde.
Ruhiges Theater auf der Wiese ist halt auch was anderes als Party bis 22h. Die Musik vom Strandbad beschallt auch ohne diese Genehmigung schon den ganzen See, von ruhiger Erholung oder Naturschutz ist nichts mehr zu spüren. Und natürlich lockt man damit auch die ganzen illegalen Parties gegenüber an, die dann das Ufer zerstören.
Genau, lieber verbietet man Veranstaltungen, als dass das Ordnungsamt mal seinen Job macht und das gegenüberliegende Ufer kontrolliert.
Wär ja noch schöner wenn es im Wedding mal eine Konzertlocation gäbe.
Finde das jetzt gar nicht so leicht als Thema. Ich war neulich Abends noch da um eine Runde zu schwimmen und fand zeitgleich eine Party in einem abgetrennten Bereich direkt am Strand statt. Die Laustärke war schon sehr immens und von oben konnte man auch gut reingucken wie eng es da zugeht … wir alle wissen was neulich auf dem Festival in den Niederlanden passiert ist.
Ich verstehe nur nicht warum es direkt am Strand sein muss. Oben gibt es doch genug Platz auf den Grünflächen, die nicht so intensiv genutzt werden. Da könnte man viel mehr Abstand hinbekommen und der See selbst wird auch nicht mehr so beschallt.
Die Musik wird üblicherweise in einer derartigen Lautstärke abgespielt, dass es völlig egal ist, ob die Party am Strand oder “weiter oberhalb” läuft. Mind. 1 km rund um die Location ist das unerträgliche Gewummere zu hören! An “Erholung” ist in diesem Bereich noch nicht einmal ansatzweise zu denken.
Mir tun nur die Kleingärtner leid, die quasi täglich diesem Lärm ausgesetzt sind und nicht flüchten können!
Hier ist dringend weiterer Anwohnerschutz i.S.v. (Musik-) = Lärmverbot notwendig!
Es gibt nun wirklich keinen Grund, das Strandbad zu einer Eventlocation verkommen zu lassen! Im Kombibad Seestrasse oder Humboldthain kommt ja auch keiner auf die Idee!
Ok, da muss ich dir recht geben. Mein Gedankengang war eher wie man Events veranstallten könnte, um vll doch beiden Bedürfnissen gerecht zu werden. Ich muss auch zugeben, dass ich dabei nicht an tägliche Technopartys gedacht habe sonern an gelegentliche Konzerte stattdessen.
Ich denke auch, dass man ein bisschen kompromissbereiter sein könnte.
Mag die Eventisierung des Bades und des gesamten Sees auch nicht, aber denke, dass
es eigentlich schön wäre, ggf an einem Tag die Woche dort eine Abendverantstaltung zuzulassen und zwar abseits des Strands und in begrenztem Rahmen. Für größere Sachen könnte man ja ggf den Napoleonkai bisschen aufräumen.
Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass der Aufenthalt in der Böschung verunmöglicht wird und stattdessen eine Art Steg zum Schwimmen angelegt wird. Dann könnte man sich auf den Wiesen aufhalten und zum Schwimmen über den Steg naturfreundlich zum Wasser gelangen.
Die Absage der div. Festivals war eine der besten Entscheidungen, die die Stadträtin S. Weißler in ihrer Amtszeit getroffen hat. Ich hätte ihr nicht soooo viel Weitsicht zugetraut . Suuuper!